Hitzewellen Forscher schlagen Alarm
Bei keinem anderen Thema sind sich Klimaforscher so sicher über die künftige Tendenz wie bei Temperatur und Hitze. Beim Niederschlag spricht zwar viel für mehr Extreme. Aber die Modelle seien in diesem Punkt gerade für Zentraleuropa unsicher, sagt Jakob Zscheischler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. „Bei Hitze ist klar, dass es so weitergeht wie in den letzten Jahren.“ In allen Modellen werde es wärmer, in manchen gar extrem heiß. „40 Grad in Deutschland werden zur Regel“, verdeutlicht Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Heutige Extremjahre mit 20 Hitzetagen werden Durchschnittssommer zum Ende des Jahrhunderts, wenn wir in den kommenden Jahren nicht massiv gegensteuern.“
Die Projektionen der Klimamodelle für die Zukunft haben immer eine gewisse Spannbreite. In der Regel wird innerhalb zweier extremer Szenarien unterschieden: wenn in Sachen Klimaschutz alles weiter wie bisher läuft (das sogenannte Emissionsszenario RCP8.5) und wenn die weltweiten Vorhaben konsequent umgesetzt werden (RCP2.6).
Mehr Tropennächte
Hierzu hat ein Expertennetzwerk des Bundesverkehrsministeriums mit Fachleuten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) konkrete Zahlen berechnet: Demnach könnte das 30-jährige Mittel der Temperatur in den Sommermonaten in Deutschland im Zeitraum 2071 bis 2100 um drei bis fünf Grad höher sein als im Vergleichszeitraum 1971 bis 2000. Dadurch würden dann Tageshöchstwerte von über 45 Grad mindestens so häufig erreicht wie das aktuell schon für die 40-Grad-Marke der Fall ist.
Die Anzahl der heißen Tage mit 30 Grad und mehr könnte diesen Daten zufolge im deutschlandweiten Mittel mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer Spanne von 9,4 bis 23,0 pro Jahr liegen. Zum Vergleich: Von 1971 bis 2000 gab es im Mittel nur 4,6 solcher Tage im bundesweiten Durchschnitt. Die Anzahl der Sommertage mit Höchsttemperaturen ab 25 Grad könnte sogar auf 39,5 bis 63,8 steigen (Vergleichszeitraum: 29,0). Bei Tropennächten, in denen das Thermometer nicht weniger als 20 Grad anzeigt, sind 0,8 bis 7,8 im Jahr möglich. Im Vergleichszeitraum 1971 bis 2000 lag der Wert bei 0,1. Die bundesweiten Durchschnittswerte bedeuten auch, dass Regionen deutlich davon abweichen können.
„Jedes Zehntel-Grad zählt“
Aktuelle Messungen signalisieren laut Andreas Becker, Leiter der DWD-Abteilung Klimaüberwachung, deutlich, dass sich Deutschland und die Welt derzeit noch auf dem Pfad des schlechtesten Szenarios bewegen (RCP8.5). Darin sind die Klimaschutzvorhaben noch nicht eingerechnet. Dennoch sei es wichtig, die anderen Szenarien zu betrachten. „Auch wenn wir heute erst anfangen mit Klimaschutz, können wir noch Einfluss nehmen“, erklärt er. „Jedes Zehntel-Grad zählt.“
Klimaforscher Andreas Fink vom Karlsruher Institut für Technologie arbeitet mit Kollegen an Ansätzen für eine bessere Vorbereitung auf Extreme. „Es sind dann am Ende nicht die Veränderungen der Monatsmittelwerte oder der mittleren Anzahl von Hitzetagen, sondern Hitzewellen von extremer Intensität, Dauer und Ausdehnung, welche die größten Schäden anrichten werden.“
Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung geht davon aus, dass es auch künftig Hitzewellen samt Phasen leichter Abkühlung geben wird. Veränderungen der Luftströmung könnten aber dazu führen, dass sich extreme Wetterlagen für längere Zeit stabilisieren. Der Jetstream verlangsame sich und damit die Westwindzirkulation, erläutert der Experte. Das könne dazu führen, dass Luftmassen länger aus einer Richtung nach Zentraleuropa strömen. Die ersten Sommertage können dann der Beginn einer langanhaltende Hitzewelle sein – oder der erhoffte Regen der Auslöser für Überschwemmungen.