Politik Erdogan-Kritiker: Letzte Hoffnung Straßburg

Regierungskritische Journalisten und Menschenrechtler, die in der Türkei in Haft sind, setzen auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Denn die türkische Justiz steht zunehmend unter der Kontrolle der Regierung.

Die Tochter von Taner Kilic platzte vor Vorfreude. Sie sei überglücklich, sagte sie, während sie vor dem Gefängnis in Izmir auf ihren Vater wartete, den seit Juni inhaftierten Chef der türkischen Sektion von Amnesty International. Ein Istanbuler Gericht hatte die Freilassung angeordnet. Doch Taner Kilic kam nicht. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde der Menschenrechtler erneut verhaftet. Gestern wurde der Beschluss zur Freilassung wieder aufgehoben. Der Fall Kilic ist nicht der erste seiner Art. Die größtenteils auf Regierungslinie gebrachte Justiz in der Türkei setzt alles daran, Kritiker von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hinter Gittern zu halten, wenn sie einmal inhaftiert sind. Da Gegner der Erdogan-Regierung von den Gerichten in ihrem Land keine gerechte Behandlung mehr erwarten können, ist der Menschenrechtsgerichtshof ihre letzte Hoffnung – das gilt auch für den inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. In Straßburg liegen Klagen Yücels sowie mehrerer inhaftierter türkischer Journalisten vor. Die deutsche Regierung betont in einer jetzt eingereichten Stellungnahme zum Fall Yücel, der Reporter sei allein wegen seiner kritischen Berichterstattung im Februar 2017 festgenommen worden. Yücel sitzt seitdem ohne Anklage im Gefängnis. Dem Gericht fällt die Aufgabe zu, Grundsatzurteile für den Umgang der Türkei mit gewaltfreien Regierungsgegnern zu fällen. Wann Straßburg entscheidet, ist unklar. Die Regierung in Ankara ist bemüht, ein Urteil so lange wie möglich hinauszuzögern. So reichte sie ihre Stellungnahmen zu Haftbeschwerden häufig erst mit Verspätung ein.

x