Politik Ein heikler Besuch

Nato-Generalsekretär Stoltenberg ist gestern zu einem zweitägigen Besuch in der Türkei eingetroffen. In der Nato gilt Ankara als zunehmend schwieriger Bündnispartner.

Auf dem Programm der Reise Jens Stoltenbergs, die der Vorbereitung des Nato-Gipfels in Brüssel Mitte Juli dienen soll, stehen unter anderem Gespräche mit Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Wichtiges Thema dürfte dabei die Entwicklung in Syrien sein. Zwar hat Erdogan die Luftangriffe der USA, Großbritanniens und Frankreichs gerechtfertigt. Die Syrien-Politik des türkischen Präsidenten hat aber jüngst zu Spannungen mit der Nato geführt. In Syrien arbeitet die Türkei enger mit Russland und Iran zusammen als mit den USA. Generalsekretär Stoltenberg äußerte zwar mehrfach Verständnis für die Militäroperation, mit der Erdogan seit Ende Januar in Nordsyrien gegen die Kurdenmilizen der YPG vorgeht; die Türkei habe dort „legitime Sicherheitsinteressen“, sagte Stoltenberg. Aber die türkische Invasion gilt als völkerrechtlich zweifelhaft. Für Irritation im Bündnis sorgt Erdogan auch mit seiner Bestellung russischer S-400-Luftabwehrsysteme. Die Raketen sind nicht kompatibel mit Nato-Systemen. Im Bündnis gibt es die Sorge, dass russische Experten, die zur Installation und Wartung der S-400 in die Türkei kommen, dort Einblicke in die Sicherheitsarchitektur der Nato gewinnen könnten. Eigentlich sollte das Nato-Spitzentreffen im Juli in Istanbul stattfinden. Deutschland und einige andere Allianzpartner bestanden jedoch vor einem Jahr auf Brüssel als Konferenzort. Grund waren die damals von Ankara verhängten Besuchsverbote bei den Bundeswehrsoldaten im türkischen Incirlik, aber auch die Blockadehaltung der Türkei, die die Zusammenarbeit der Nato mit EU-Ländern und anderen Partnerstaaten behindert. Die Türkei gilt in der Nato wegen solcher Reibereien seit langem als schwieriger Partner. Unter Erdogan sind jedoch grundsätzlich Zweifel an der Zukunft des Landes im Bündnis hinzugekommen. Vor allem nach dem Putschversuch vom Juli 2016 ist die Regierung in Ankara auf Distanz zur Nato gegangen. Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin kritisierte damals die nach seiner Ansicht unzureichende Reaktion der Verbündeten auf den Umsturzversuch. Umgekehrt gibt es in der Nato Zweifel an der Einsatzbereitschaft der türkischen Streitkräfte, nachdem Erdogan nach dem Putschversuch tausende Offiziere feuern ließ. Davon waren auch die Nato-Stäbe betroffen. In Brüssel heißt es, erfahrene Leute seien durch Neulinge ersetzt worden, die mit den Verfahren der Nato nicht vertraut seien und oft nur unzureichende Englischkenntnisse hätten. Kommentar

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