Politik Ein Bombentest wie ein schweres Erdbeben

Der Leiter der südkoreanischen Erdbebenschutzbehörde informiert über die Erschütterungen, welche in Nordkorea ausgelöst wurden.
Der Leiter der südkoreanischen Erdbebenschutzbehörde informiert über die Erschütterungen, welche in Nordkorea ausgelöst wurden.

Massive Erdstöße gestern um 11.30 Uhr Ortszeit auf der koreanischen Halbinsel – in Seoul, Tokio, Peking und Washington tagen kurz darauf Krisenstäbe: Nordkorea hat zum sechsten Mal seit 2006 eine Atombombe gezündet. Die Explosionskraft ist so groß wie noch nie, dennoch sind sich Experten unsicher, ob Nordkorea – wie behauptet – eine Wasserstoffbombe gezündet hat.

Die Epizentren des Bebens gestern lagen im nordöstlichen Bezirk Kilju, wo sich in einem verlassenen Bergwerk das Atomtestgelände Punggye Ri des nordkoreanischen Militärs befindet. Die chinesische Erdbebenwarte berichtete von Stößen mit einer Stärke von 6,3 auf der Richter-Skala. Danach habe es noch ein zweites Beben der Stärke 4,6 gegeben. Sowohl das südkoreanische Militär als auch das japanische Außenministerium sprechen von einem „künstlich herbeigeführten“ Beben, das wie eine Explosion gewirkt habe. Die aufgezeichneten Werte würden in etwa der Kraft einer mittleren Atombombe entsprechen. Die Explosionskraft liege zehnmal höher als bei früheren nordkoreanischen Nukleartests. Das nordkoreanische Staatsfernsehen präsentierte als Beweis für den Vorgang, bei dem eine Wasserstoffbombe gezündet worden sei, einen handschriftlichen Befehl des Machthabers Kim Jong Un. Zudem wurden Fotos verbreitet, die Kim bei der Inspektion eines angeblichen Sprengkopfs zeigen. Ob es sich bei dem silbrig schimmernden Gehäuse tatsächlich um eine thermonukleare Waffe oder nur um ein Modell handelt, ist nicht erkennbar. So oder so: Die nordkoreanischen Medien verlautbarten, Kim Jong Un sei „stolz auf die unbezwingbare Stärkung“ seiner Atomstreitkräfte. Schon im Januar 2016 hatte Pjöngjang erklärt, erstmals erfolgreich eine hoch komplizierte Wasserstoffbombe getestet zu haben, was Experten jedoch damals anzweifelten. Südkoreanische Militärs verwiesen darauf, dass die Stärke der Detonation selbst für einen fehlgeschlagenen Test zu schwach gewesen sei. Auch diesmal ist Skepsis angezeigt. Professor Vipin Narang vom Massachusetts Institute of Technology in Boston sagte: „Es bleibt noch eine große Unsicherheit, abhängig von den Isotopen, die wir nach einem Test feststellen können.“ Austretende Radioaktivität wurde zunächst nicht gemessen. Umweltbehörden im direkt angrenzenden China meldeten jedenfalls, keine auffällige radioaktive Strahlung messen zu können. Erstmals sei ein neuer Krisenmechanismus zur Überwachung der Radioaktivität in den drei Nordkorea am nächsten gelegenen Provinzen Liaoning, Jilin und Heilongjiang sowie in der gegenüber Südkorea liegenden Provinz Shandong aktiviert worden. Die Messergebnisse seien „normal“. Das Pekinger Außenministerium erklärte seine „entschiedene Ablehnung und scharfe Verurteilung“. Die chinesische Bevölkerung geriet offenbar teilweise in Panik. „Ich habe meine Unterhose angezogen und bin einfach nur gerannt“, schreibt ein Nutzer aus der Grenzregion Yanbian über den Kurznachrichtendienst Wechat. Zehntausende seien panisch aus ihren Häusern gerannt, berichtete auch das chinesische Staatsfernsehen. Nordkorea solle aufhören, „falsche Aktionen zu unternehmen, die die Situation verschlimmern“, so das Pekinger Außenamt weiter. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping selbst erwähnte Nordkoreas Nukleartest gestern allerdings nicht. In der südchinesischen Hafenstadt Xiamen eröffnete er des Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der fünf größten Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (BRICS). Fast eine Stunde lang sprach er über die Lage der Welt. Auf Nordkoreas Aggressionen ging er nicht ein. Bisher hat China im Nordkorea-Konflikt eine eher zwiespältige Rolle eingenommen. Zwar hat die Führung in Peking im UN-Sicherheitsrat die schärferen Sanktionen mitgetragen. Doch viele chinesischen Händler und Zollbeamte hielten sich nicht dran. Bis heute bestreitet Nordkorea 91 Prozent des gesamten Außenhandels mit China. Dem chinesischen Staatschef kommt die Nordkorea-Krise äußerst ungelegen. Nicht nur will als Gastgeber der großen Schwellenländer ein gutes Bild abgeben. Am 19. Oktober beginnt in Peking der nur alle fünf Jahre tagende Parteikongress der Kommunistischen Partei. Xis Wiederwahl als Parteichef steht an.

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