Politik Donald Trump: Sprunghaft und ohne Kompass

Welche Strategie US-Präsident Donald Trump mit seinen abrupten Wendungen im Syrienkonflikt verfolgt, ist kaum zu erkennen. Offen ist sogar, ob es eine Strategie gibt. Indes lassen die jüngsten Bemühungen, die Verbündeten mit ins Boot zu nehmen, die Handschrift politisch erwachsener Ratgeber erkennen.

Ein neuer Tag, ein neuer Tweet. Hatte Donald Trump noch am Mittwoch einen Raketenschlag gegen Syrien signalisiert und zugleich Baschar al-Assads Schutzpatron Russland gedroht, so machte er tags darauf einen Rückzieher. Allerdings nur einen halben. Er habe nie gesagt, wann es zu einem Angriff kommen würde, schrieb er am Donnerstagmorgen. „Es könnte bald sein oder überhaupt nicht so bald!“ Es war der Versuch, zurückzukehren zu einer Taktik, mit der sich der US-Präsident, so sieht er es zumindest selber, von seinen vermeintlich naiven Vorgängern im Weißen Haus absetzen will. Sollte er eine Militäraktion anordnen, werde er das nicht telegrafieren, hatte er immer wieder erklärt. Im August 2013 etwa, als Barack Obama nach einem Chemiewaffenangriff in der Nähe von Damaskus eine Raketenattacke ankündigte, um sie später wieder abzublasen. Er würde nicht intervenieren, kommentierte der damalige Bauunternehmer Trump, und falls doch, „dann würde ich es nicht wie ein Narr in den Medien hinausposaunen“. Trump, der Meister des Überraschungseffekts. So gesehen wirkt geradezu peinlich, wie er im Laufe knapp zweier Wochen eine Wende nach der anderen vollzog. Es begann mit einer Kundgebung in Ohio, auf der er den raschen Abzug des eher symbolischen US-Kontingents aus Nordsyrien in Aussicht stellte, weil nun „andere Leute“ gefragt seien. Ursprünglich, so berichtet die „Washington Post“, wollte er die Soldaten binnen zwei Tagen nach Hause beordern. Sein Verteidigungsminister James Mattis soll ihn schließlich davon überzeugt haben, dass man noch ungefähr sechs Monate brauche, um die Fanatiker des „Islamischen Staats“ endgültig in die Knie zu zwingen. Dem offenbar spontan beschlossenen Rückzugsplan folgte, nach dem mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Duma, die Ankündigung eines Militärschlags innerhalb von 24, höchstens 48 Stunden. Und als die Frist verstrichen war, folgte die Drohung gegen Russland, die manch einen Parallelen zum Nervenpoker der Kubakrise im Jahr 1962 ziehen lässt. Der russische Präsident Wladimir Putin, von Trump lange nur mit Samthandschuhen angefasst, war auf einmal der Antipode, das Verhältnis zu Russland „schlechter, als es je war“. Dann wieder folgte die Relativierung. Zu erleben ist also ein Staatschef, der sich von täglich neuen Impulsen steuern lässt. Trump, der Mann ohne Kompass. Es sind nicht nur die Tweets des US-Präsidenten, die diesen Eindruck hinterlassen. Mehr noch ist es der Verdacht, die Sprunghaftigkeit könnte daran liegen, dass eine auch nur halbwegs geordnete Strategie fehlt. Hat Trump eine Art Strafaktion mit Marschflugkörpern im Auge? Oder setzt er auch Flugzeuge ein (was das Risiko einer Kollision mit Russland deutlich erhöhen würde)? Geht es ihm allein um eine Demonstration militärischer Stärke? Oder ist er nun doch bereit, auf längere Sicht in dem Bürgerkriegsland Flagge zu zeigen? Als der US-Präsident vor einem Jahr 59 Marschflugkörper auf eine syrische Luftwaffenbasis abfeuern ließ, handelte er im burschikosen Alleingang. Diesmal zimmert er an einem Bündnis mit den westlichen Alliierten, zumindest mit Großbritannien und Frankreich, dessen Präsident Emmanuel Macron neuerdings von Beweisen für eine Chlorgasattacke syrischer Regierungstruppen auf Duma spricht. Dass Washington Partner ins Boot holen will, lässt die Handschrift politisch erwachsener Ratgeber erkennen, allen voran die von Verteidigungsminister Mattis. Das Warten auf die Europäer wiederum mag allein schon die Verzögerung erklären. Es wäre eine Sache vertraulicher Diplomatie und stillen Nachjustierens, aber keine Blamage, könnte sich Trump in seinem egomanischen Mitteilungsdrang bremsen. Madeleine Albright, einst Außenministerin im Kabinett Bill Clintons, zieht denn auch Parallelen zum Jahr 1999, zur Intervention im Kosovo. In den Vereinten Nationen sei man nicht vorangekommen, da Moskau sein Veto einlegte, ergo habe man sich an die Nato-Partner gewandt, skizziert Albright die Ausgangslage. Heute biete sich ein ganz ähnliches Bild: das russische Veto im UN-Sicherheitsrat, das Zusammengehen mit London und Paris. Nur brauche man klare Ziele, Fingerspitzengefühl und Ausdauer, um erfolgreich zu sein, sagte sie dem Radiosender NPR. „Man kann das nicht behandeln, als wäre es nur die neueste Folge einer Reality-Show“. Richard Haass, Direktor des Thinktanks Council on Foreign Relations, ein Realpolitiker alter republikanischer Schule, mahnt mit Blick auf den Kreml zur verbalen Abrüstung. Wer mit seiner Waffenmacht prahle und Präsident Putin dabei in die Ecke treibe, erreiche am Ende nicht viel. Wenn John F. Kennedy in der Raketenkrise um Kuba bewiesen habe, wie man so etwas manage, nämlich diszipliniert und umsichtig, dann beweise Trump im Moment das genaue Gegenteil.

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