Meinung Die schwierige Formel für Frieden in Nahost

Ein israelischer Soldat fährt in einem gepanzerten Fahrzeug im Süden Israels nahe der Grenze zum Gazastreifen während der laufen
Ein israelischer Soldat fährt in einem gepanzerten Fahrzeug im Süden Israels nahe der Grenze zum Gazastreifen während der laufenden Bodenoperationen.

Es ist nach dem Angriff der Hamas auf Israel und dem darauf folgenden Krieg in Gaza klarer denn je: Ohne dass die Palästinenser mehr Rechte bekommen, wird es in der Region keine Stabilität geben.

In den vergangenen Jahren hegte man im Westen die Hoffnung, dass man die Nahostregion stabilisieren und die Palästinenserfrage dabei einfach ausklammern könnte. Man feierte die sogenannten Abraham-Verträge, in denen die Arabischen Emirate, Marokko und Bahrain ihre Beziehungen zu Israel normalisierten, als einen neuen Weg zum Frieden. Die Hoffnung war, dass bald Saudi- Arabien dazustoßen würde. Man hatte die Rechnung allerdings ohne die Palästinenser gemacht und ohne die arabische öffentliche Meinung, für die die Palästinenserfrage noch immer, auch 75 Jahre nach der Gründung Israels, im Zentrum steht.

Heute, fast vier Monate nach dem Überfall der Hamas auf Israel und dem Beginn des Gaza-Kriegs, brennt es allerorten in der Region. Die Houthi-Rebellen greifen vom Jemen aus Handelsschiffe im Roten Meer an. Schiitische Milizen im Irak haben die dort verbliebenen US-Truppen in ein Katz- und-Maus-Spiel verwickelt. Die Hisbollah im Libanon bindet große Teile der israelischen Armee in einem Kleinkrieg an der Nordgrenze.

Extremszenario: Die Vertreibung der Palästinenser

Alle diese Vorfälle haben etwas gemeinsam: Die vom Iran unterstützten Gruppierungen, die dafür verantwortlich sind, rechtfertigen ihre Aktionen mit dem Gaza-Krieg und finden dabei Unterstützung in weiten Teilen der arabischen Öffentlichkeit, gerade weil sie eine Verknüpfung mit der Palästinenserfrage herstellen. Wie also kann diese beantwortet werden?

Das erste Szenario ist eine Fortführung des Status quo, also die weitere israelische Besatzung des Westjordanlands und ein Ausbau der israelischen Siedlungen. Dazu die Abriegelung des Gazastreifens. Unklar, wer die dort lebenden 2,3 Millionen Menschen nach dem Krieg verwalten soll. Das größte Problem: Die bisherige Situation war nie nachhaltig für die Palästinenser.

Das zweite Szenario, das immer wieder von einigen Ministern im ultrarechten Kabinett des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu offen debattiert wird, ist die Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen. Manche Siedler diskutieren sogar in einem zweiten Schritt deren Vertreibung aus dem Westjordanland. Rein militärisch wäre Israel wahrscheinlich fähig dazu. Politisch ist das indes schwer vorstellbar. Zu groß wäre der internationale Aufschrei.

Nur noch Lippenbekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung

Das bringt uns zum dritten Szenario: der Zweistaaten-Lösung, also einem palästinensischen Staat neben Israel. Das wird seit zwei Jahrzehnten offiziell von der EU und den USA gefordert, ist aber zu einem Lippenbekenntnis verkommen. Niemand wollte tatsächlich politisch Kraft investieren, diese Lösung durchzusetzen. Insbesondere der massive Ausbau der nach internationalem Recht illegalen israelischen Siedlungen steht dem entgegen. Ein zusammenhängendes potenzielles palästinensisches Staatsgebiet ist im Westjordanland jedenfalls längst nicht mehr erkennbar. Auch manche Palästinenser sind kritisch gegenüber einer Zweit-Staaten-Lösung, müssten sie ihre Ambitionen auf ganze Palästina doch aufgeben.

Das vierte Szenario ist das einer Einstaaten-Lösung, also eines säkularen demokratischen Staates, in dem Israelis und Palästinenser, Juden, Muslime sowie Christen gleichberechtigt zusammenleben. Beide Seiten müssten dafür ihre nationalen Ambitionen aufgeben. Nur eine kleine Minderheit verbreitet derzeit diese Idee.

Die ersten beiden Szenarien sind letztlich militärische Lösungen. Die beiden anderen Optionen sind politischer Natur. Sie sind aber auch die einzigen Lösungen, die mehr Gerechtigkeit für die Palästinenser schaffen würden – und somit Israel mehr Sicherheit geben könnten.

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