Politik Der Staatsstreich des Präsidenten

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Die Entmachtung des Parlaments in Venezuela durch das Oberste Gericht hat im Ausland Sorge und scharfe Kritik ausgelöst. Es sei „unerträglich“, wie Präsident Nicolás Maduro die Bevölkerung „zur Geisel seiner eigenen Machtambitionen macht“, sagte der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert.

Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, sprach von einem Staatsstreich. Die US-Regierung kritisierte den „ernsten Rückschlag für die Demokratie“ in Venezuela. Das Oberste Gericht in Caracas wird von einem umstrittenen sozialistischen Parteifreund des linken Präsidenten angeführt. Seit 1999 regieren die Sozialisten in dem ölreichen Land. 2015 verloren sie jedoch die Parlamentswahl deutlich. Seither tobt ein Machtkampf. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das Oppositions-Bündnis MUD zu Massendemonstrationen am Wochenende in Caracas und anderen Städten des Landes aufrufen. Julio Borges, Präsident der Nationalversammlung, betonte aber, man werde die Agenda der Protestveranstaltungen nicht vorzeitig bekanntgeben: „Wir wollen vermeiden, dass die Regierung die Demonstrationen von Anfang an unterdrückt. Aber wir werden in jeder Ecke des Landes gegen diese undemokratische Entscheidung protestieren.“ Oppositionsführer Henrique Capriles forderte die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf. „Wenn wir jetzt nichts tun, die Demokratie in Venezuela zu retten, dann droht morgen anderen Staaten der Region ein ähnliches Schicksal“, sagte Capriles bei einem Besuch in Kolumbien. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ließ in Brüssel mitteilen, die EU fordere „vollen Respekt für die Verfassung, demokratische Prinzipien, den Rechtsstaat und eine Trennung der Gewalten“. Vor dem Sitz des Obersten Gerichts in der Hauptstadt Caracas kam es am Nachmittag zu Tumulten zwischen Gegnern der Regierung und der Polizei. Auch in anderen Teilen von Caracas fanden sich Menschen zu spontanen Demonstrationen zusammen, um gegen die Entmachtung der Nationalversammlung zu protestieren. Es könnte sein, dass Präsident Nicolás Maduro dieses Mal einen Schritt zu weit gegangen ist in seinem Bestreben, die Opposition auszubremsen und sich umfassende autoritäre Vollmachten anzueignen. Mit dem jüngsten Richterspruch wird Maduro mit weiteren militärischen Rechten ausgestattet. Seit Maduro nach dem Tod seines Mentors und Vorgängers Hugo Chávez im März 2013 an die Staatsspitze rückte, baut er zunehmend die demokratischen Freiheiten ab. Im Dezember 2015 siegte das Oppositionsbündnis aus sozialdemokratischen, konservativen, liberalen und indigenen Parteien bei der Parlamentswahl deutlich. Es entbrannte ein Dauerkonflikt. Oppositionspolitiker werden verfolgt und eingesperrt, ein Referendum zur Abwahl des Präsidenten hat Maduro bisher zu verhindern gewusst. Er würde die Volksbefragung krachend verlieren. Der Oberste Wahlrat und die Corte Suprema (Oberstes Gericht) sind bereits seit Jahren gleichgeschaltet. Nur die Nationalversammlung (AN) ist in Händen der Opposition, wird aber ausgehebelt. Maduro regiert praktisch per Dekret. Der Oberste Gerichtshof hatte bereits im August geurteilt, dass die oppositionelle Mehrheit im Parlament gegen geltendes Recht verstoße, weil sie drei Abgeordnete, deren Mandate wegen mutmaßlichen Wahlbetrugs ausgesetzt worden waren, vereidigt hatte. Und am Dienstag hatte der Oberste Gerichtshof die Immunität der Abgeordneten der Nationalversammlung aufgehoben und machte damit den Weg für die Strafverfolgung der Abgeordneten frei. Zu der explosiven politischen Situation kommt eine seit rund zwei Jahren andauernde Versorgungskrise. Es fehlt an fast allem in Venezuela. Viele Nahrungsmittel, Medikamente und Artikel des persönlichen Bedarfs sind kaum zu bekommen. Menschen hungern und suchen auf den Großmärkten im Abfall nach Essbarem. Nicolás Maduro und seine linksnationalistische Regierung macht die Opposition, die USA und einen Boykott der Unternehmer für die Versorgungskrise verantwortlich. Vielmehr liegen die Gründe für die Misere in Misswirtschaft. Staatsbetrieben sind ineffizient, internationale Unternehmen wurden des Landes verwiesen oder flüchteten. Jetzt ging dem Land mit den größten nachgewiesenen Ölreserven der Welt auch noch das Benzin aus, weil die Raffinerien nicht genügend Sprit produzieren.

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