Bundesparteitag Der Chef der Daimler Lastwagen fährt bei den Grünen vor

Martin Daum schwingt die (Alarm-)Glocke. Hier beim Börsengang der Daimler Truck AG in Frankfurt.
Martin Daum schwingt die (Alarm-)Glocke. Hier beim Börsengang der Daimler Truck AG in Frankfurt.

Martin Daum ist Gastredner bei dem bislang größten Grünen-Treffen. In Karlsruhe geht es um das Thema Wohlstand. Er ist aber nicht der erste Daimler-Manager bei den Grünen.

Auf dem Bundesparteitag der Grünen in Karlsruhe, der am Donnerstag begann und am Sonntag endet, reden nicht nur Delegierte aus allen Ecken Deutschlands und Spitzenpolitiker aus Berlin. Es redete am Samstagabend auch ein Manager: Martin Daum, der Vorstandsvorsitzende der Daimler Truck AG. Über 100.000 Mitarbeiter weltweit zählt der Hersteller von Nutzfahrzeugen, der in Wörth die größte Lkw-Fabrik der Welt betreibt.

Daum erschien beim Parteitag für die Europawahl im Juni 2024 rechtzeitig zum Punkt „Was den Wohlstand schützt“, der im grünen Wahlprogramm enthalten sein wird, am Rednerpult. Was er dazu zu sagen hatte, machte der Unternehmer – im Unterschied zu allen anderen Rednern mit Krawatte – schnell und unmissverständlich klar. Um ökologisch erfolgreich zu sein, brauche es auch ökonomischen Erfolg. Das, so betonte Daum, gelte sowohl für Unternehmen als auch für Staaten.

Erst einmal doppelt so teuer

Den in Karlsruhe versammelten Grünen, die ja in Deutschland Regierungsverantwortung tragen, legte Daum dar, dass es nicht ausreichen werde, wenn Daimler – etwa in Wörth – „tolle Nutzfahrzeuge“ entwickele, die mit Batterien oder mit Wasserstoff betankt, klimafreundlich unterwegs seien. „Denn diese Fahrzeuge werden immer teurer in der Anschaffung sein als ein vergleichbarer Diesel-Lkw.“ Allein die Batterie des E-Lkw bleibe in der näheren Zukunft wohl doppelt so teuer wie der Antriebsstrang beim fossil betankten Vetter.

Daum sprach sich vor diesem Hintergrund für eine forcierte Energiewende aus. Er begrüßte die kommende Lkw-Maut auf den Kohlendioxidausstoß ausdrücklich (diese müsse allerdings europaweit kommen, nicht nur in Deutschland). Denn nur so lasse sich so etwas wie Waffengleichheit im Betrieb von Diesel- und E-Lkw herstellen. Nur so lasse sich das (Kauf-)Verhalten von Lkw-Betreibern ändern.

Anzahl von Ladesäulen wichtig

Aber, und es war ein großes Aber: Das Schlimmste, was nun passieren könne, wäre, dass die Anzahl klimafreundlicher Nutzfahrzeuge nicht zur verfügbaren Anzahl elektrischer Ladesäulen und Wasserstoff-Tankstellen passt. Sprich: Dass es davon zu wenige gibt.

„Wenn ich ein grüner Delegierter wäre“, sagte Daum nur ein bisschen im Scherz, „würde ich hier einen Antrag stellen, dass ein Fünftel der Einnahmen aus der CO2-Maut für den Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur verwendet wird.“ Die Grünen dankten ihm diese Anregung mit freundlichem Beifall.

Zetsche war auch schon da

Dass ein Daimler-Manager bei einem Grünen-Parteitag redet, ist übrigens kein Novum. Das erste Mal war dies Mitte November 2016 der Fall. Damals schaute der damalige Daimler-Chef Dieter Zetsche in Münster vorbei. Also jener Manager, der seinen Schnauzbart zum Markenzeichen erhoben hatte, und sowohl über den Pkw-, als auch über den Lkw-Bereich sowie Rüstungsunternehmen wachte. Sein Auftritt, vom damaligen grünen Ko-Chef Cem Özdemir in die Wege geleitet, war heftig umstritten. Noch kurz vor Zetsches Rede gab es Anträge, seinen Auftritt nicht zuzulassen.

Erboste Grünen-Delegierte verwiesen auf das in dieser Zeit heftig umstrittene Engagement des Konzerns in der Waffentechnologie und darauf, dass die zumeist PS-starken Mercedes-Limousinen mit einem hohen Verbrauch mitschuldig an der Klimakrise seien. Özdemir, der schwäbisch-türkische Politiker mit Lebensmittelpunkt Stuttgart, bügelte die Ausladungsversuche für den Chef des Stuttgarter Weltkonzerns indes ab. Auch mit dem Hinweis, die Daimler AG, als einer der größten Arbeitgeber der Republik, sei derzeit noch ein Teil des Problems – er könne aber auch Teil der Lösung werden. Vor allem, indem er endlich Elektroautos herstelle. Was der Konzern bis zu diesem Zeitpunkt verschlafen habe.

Auch Mercedes hat geschummelt

Zetsche nutzte seine Zeit bei den Grünen und hielt, locker gekleidet und in Joggingschuhen, eine launige Rede, die auch so manchen Grünen zum Klatschen bewegte. Der Dieselskandal war zu diesem Zeitpunkt noch ganz weit weg von Mercedes. Seit September 2015 stand hier Volkswagen im Mittelpunkt internationaler Ermittlungen. Erst Anfang 2018 brachten Ermittlungen in den USA ans Tageslicht, dass auch Mercedes-Ingenieure illegale Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung eingebaut hatten. Auch Grüne, die zuvor in Münster die Zetsche-Rede beklatscht hatten, reagierten, nun ja: ernüchtert.

Doch die Zeiten scheinen sich wirklich geändert zu haben. Daimler hat zwar seine Anteile am erfolgreichsten E-Autobauer, Tesla, verkauft (2014, nach einer Entscheidung Zetsches) – doch die Stuttgarter bauen jetzt selber Elektroautos, und die eigenständige Daimler Truck AG investiert offensiv und kräftig in klimafreundliche Formen des Lastenverkehrs. Und bei den Grünen ist niemand auf die Idee gekommen, den CEO der Daimler Truck AG auszuladen oder auszubuhen. Denn man ist aufeinander angewiesen.

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