Politik „Das Ausland sorgt sich um Deutschland“

Fordert ein konsequenteres Vorgehen gegenüber jenen, die „ihr Gastrecht verwirken“: Kurt Beck.
Fordert ein konsequenteres Vorgehen gegenüber jenen, die »ihr Gastrecht verwirken«: Kurt Beck.

Seit knapp sechs Jahren ist Kurt Beck Vorsitzender der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Er hat viele der 106 Auslandsbüros der Stiftung besucht und tauscht sich mit Botschaftern und Ministern aus. Winfried Folz sprach mit dem früheren rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten über seine Schlussfolgerungen aus den Ereignissen von Chemnitz.

Herr Beck, für die Friedrich-Ebert-Stiftung sind Sie häufig im Ausland. Wie groß ist dort die Sorge vor einem starken Rechtsruck in Deutschland?

Ich werde ganz häufig darauf angesprochen, wo immer in der Welt, sei es in Lateinamerika, in Asien oder in den USA. Ich nehme eine Art ungläubiges Kopfschütteln wahr, weil man von den Deutschen Verlässlichkeit und eine stabile Demokratie gewohnt ist. Wir und die anderen politischen Stiftungen haben ja immer gesagt: Auf Deutschland kann man sich verlassen in der Außen- und Sicherheitspolitik. Auch bei einem Regierungswechsel gibt es in diesen Fragen eine Kontinuität, wir sind berechenbar. Solche Aussagen verlieren aber ihre Bedeutung vor dem Hintergrund, dass Neonazis auf die Straßen gehen, was in vielen Ländern die Fernsehnachrichten dominiert. Es findet im Ausland gerade eine gravierende Veränderung des Deutschlandbildes statt. Wie erklären Sie das Ihren Gesprächspartnern? Man kann nur offen und ehrlich sein. Ich habe gerade mit dem stellvertretenden Außenminister von Weißrussland geredet, ein Land, das ja von Hitler unendlich in Mitleidenschaft gezogen wurde, ein Land, in dem es Vernichtungslager, Erschießungen und Kriegsgräuel gab. In Weißrussland gibt es eine Mischung aus Sorge und Unverständnis. Ich habe gesagt, es gibt in Deutschland viel mehr Demokraten als solche Leute, die rechtsradikale Parolen rufen. Mancher Protest mag sozial bedingt sein, das muss man erklären, aber ich mache auch klar: Wir halten dagegen, wenn wir fremdenfeindliche und nationalistische Töne hören. Wie groß ist Ihre Sorge, dass die Lage eskaliert? Ich muss mich immer wieder in der Auffassung selbst motivieren, dass wir stark genug sind, dem standzuhalten. Dazu tragen sicher unsere politische Bildungsarbeit und die Jugendarbeit bei. Wir erleben, wie engagiert viele für unseren Rechtsstaat eintreten. Aber ich habe auch Sorgen. Da Friedrich Ebert der Namenspate unserer Stiftung ist, habe ich mich intensiv mit der Geschichte der Weimarer Republik auseinandergesetzt. Und es gibt leider allzu viel, was mir heute wieder begegnet. Etwa diese undifferenzierte Haltung: Ich bin zwar kein Rechter, aber den Politikern zeigen wir’s jetzt mal. All das hat es schon mal gegeben. Sorge bereiten mir auch jene Menschen, die eindeutig rechtsradikal sind und in staatliche Institutionen einsickern, in die Polizei oder die Justizverwaltung. Selbst in dieser Position scheuen sie sich nicht, Rechtsverstöße zu begehen – das alles gab es schon einmal. Hat die Randale der Rechten zum Ziel, den Druck der Straße in die Parlamente zu tragen, oder wie erklären Sie sich die öffentlich vollzogene Vereinigung von Pegida und AfD? Die Rechtsradikalen, die bei Pegida dabei sind oder bei anderen Gruppierungen wie etwa den Identitären, sehen es gerne, dass es einen parlamentarischen Arm gibt, der ihre Richtung vertritt. Und das Kalkül der AfD ist es, durch einen Kurs des Mäanderns die möglichst weit rechtsstehenden Menschen mitzunehmen, ohne gleichzeitig die national-konservativ denkenden Menschen, die Demokraten sind, zu verlieren. Das verübele ich der AfD. Überlassen die etablierten Parteien der AfD das Monopol, die Flüchtlingsproblematik zu thematisieren? Dem Thema kann man und soll man nicht ausweichen. Aber so wie Horst Seehofer im Sommer den Konflikt mit der CDU führte, sollte man es nicht machen. Es ist allerdings nötig, konsequenter gegenüber denjenigen zu sein, die ihr Gastrecht verwirken. Das sind Menschen, die gegen elementare Spielregeln unserer Gesellschaft verstoßen, sei es im Umgang mit Frauen, sei es durch Gewaltanwendung. Wenn Seehofer jetzt einräumt, der Messerstecher von Chemnitz hätte längst abgeschoben werden müssen, bin ich empört. Im Falle des Berliner Weihnachtsmarktattentäters Amri habe ich das alles schon mal gehört. Wenn wir an dieser Stelle konsequenter handeln, werden wir auch glaubwürdiger. Wenn wir diesen Menschen die Tür weisen, dann akzeptieren die Bürger auch, dass wir anderen, nämlich Verfolgten und vom Tod Bedrohten, Schutz bieten. Glauben Sie, dass mit der Bewegung „Aufstehen“ von Sahra Wagenknecht linke Mehrheiten organisiert werden können? Das glaube ich nicht. Aufgrund meiner Erfahrung kann ich mir schwer vorstellen, dass diejenigen, die in ihren früheren oder heutigen Parteien als Spalter gelten, ausgerechnet die Geeigneten sein sollen, parteiübergreifend gemeinsame Themen zu suchen. Es gibt ja bisher außer Überschriften nichts, was sich in realistische politische Schritte ummünzen ließe. Ich fürchte, da wird wohl manches Kamel noch lange vor dem Nadelöhr stehen.

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