Politik Brechmitteleinsatz: Entschuldigung nach 13 Jahren

Im Jahr 2005 endete der Brechmitteleinsatz gegen einen mutmaßlichen Kokain-Kleindealer mit dessen Tod. Nun hat Bremens rot-grüne Landesregierung ihr „tiefes Bedauern über den vermeidbaren Tod“ des damals 35-Jährigen ausgesprochen.

Das SPD-geführte Bremen und mehrere andere Bundesländer hatten in den 1990er Jahren mit dem Einsatz von Brechmitteln bei jenen Drogenhändlern begonnen, die bei Polizeikontrollen ihre in Kügelchen verpackten Rauschmittel verschluckt hatten. So sollten die Drogen als Beweismittel sichergestellt werden. Allein in Bremen wurde dieses Verfahren seit mindestens 1992 mehrere hundert Mal praktiziert – bis im Januar 2005 ein Straßendealer starb. Ein Auftragsarzt der Polizei hatte dem Verdächtigen zwangsweise Brechsirup und literweise Wasser mit einem Nasen-Magen-Schlauch eingeflößt. Ein Strafverfahren gegen den Arzt wurde 2013 gegen Zahlung von 20.000 Euro Schmerzensgeld an die Mutter des Getöteten eingestellt. Der seit 2007 amtierende rot-grüne Senat äußerte jetzt sein tiefes Bedauern über die Umstände des Brechmitteleinsatzes. Es hieß aber auch: „Trotz der Tragik des Todesfalls sowie rückblickend falscher und ethisch kritisch zu bewertender Entscheidungen“ habe es sich damals „um ein rechtlich zulässiges, wenn auch durchgängig kontrovers diskutiertes und kritisiertes Verfahren“ gehandelt. Erst 2006 seien solche Prozeduren vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für rechtswidrig erklärt worden. Daher sehe der Senat auch keine Rechtsgrundlage für nachträgliche Entschädigungszahlungen an die Betroffenen solcher Einsätze. Lediglich an die Mutter des im Januar 2005 Getöteten hatte die Hansestadt 10.000 Euro Schmerzensgeld aus einem Haftpflichtfonds gezahlt. Anlass der jetzigen Senatserklärung war eine Anfrage der grünen Bürgerschaftsfraktion mit der Überschrift „Menschenrechtswidrige Brechmittelvergabe: Verantwortung und Konsequenzen“. Gleich nach dem Todesfall von 2005 hatte Bremen die Zwangsvergabe von Brechmitteln gestoppt. Seitdem nehmen Verdächtige entweder freiwillig ein solches Mittel oder sie müssen ins Untersuchungsgefängnis, wo in einer Spezialzelle auf das Ausscheiden etwaiger Drogenkugeln gewartet wird. 2014 hatte sich bereits der heutige Polizeipräsident Lutz Müller für den Todesfall vor seiner Amtszeit entschuldigt und als Mahnung ein Porträt des Getöteten aufgehängt. Ex-Bürgermeister Henning Scherf (SPD), in dessen Amtszeit als Justizsenator die Prozedur eingeführt wurde, verteidigte hingegen das Vorgehen jahrelang. Erst 2017 räumte er Fehler ein: „Ich fühle mich schuldig, dass ich den Tod dieses Menschen möglich gemacht oder zumindest dieses Verfahren gerechtfertigt habe.“

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