Politik Ausgetanzt?

Viele Farben, viel nackte Haut: Karnevalsfinale 2017 im Sambadrom von Rio.
Viele Farben, viel nackte Haut: Karnevalsfinale 2017 im Sambadrom von Rio.

Kann das sein: Rio ohne Karneval? Wäre das nicht wie Dick ohne Doof, Trump ohne Twitter? Aber die Drohung ist ausgesprochen: Rios Karnevalsschulen haben angekündigt, den Karneval 2018 ausfallen zu lassen. Der Grund: Rios Bürgermeister Marcelo Crivela sagt, er müsse sparen und hat den Sambaschulen die Hälfte des Geldes gestrichen, das sie jährlich für die Organisation des Karnevals von der Stadt bekommen. Es geht um einen Betrag von umgerechnet 3,5 Millionen Euro. Crivella, seit Januar Stadtoberhaupt, möchte das Geld lieber in die 160 städtischen Kindergärten stecken. Das klingt erst einmal plausibel. Denn Rio de Janeiro hat eine tiefe Finanzkrise zu bewältigen. Lehrer, Krankenschwestern und andere öffentliche Angestellte werden nur noch in Raten bezahlt. Infrastrukturprojekte liegen brach, darunter auch der gigantische Olympiapark. Ohnehin die Olympischen Spiele: Mindestens 13,1 Milliarden Dollar haben sie den Staat laut neuesten Berechnungen gekostet, ohne dass dem vergleichbare Einnahmen gegenüberstehen würden. In Krisenzeiten sind Kinder wichtiger als Karneval, das versteht jeder. Zur ganzen Wahrheit gehört jedoch, dass Crivella zugleich Pastor einer konservativen evangelikalen Sekte ist. Seine Universalkirche des Reich Gottes lehnt Alkohol, Tabak, und außerehelichen Sex ab – und hält den Karneval zwangsläufig für Teufelszeug. Schon dieses Jahr blieb Crivella dem traditionellen Umzug im Sambodrom fern. Seine demonstrative Abwesenheit war auch damit zu erklären, dass einige Sambaschulen die afrikanischen Wurzeln Brasiliens in ihren Shows thematisierten. Crivellas Kirche aber dämonisiert die afrobrasilianische Kultur. Vor diesem Hintergrund scheint es so, als ob Crivella nun einen Anlass gefunden hat, um seinen christlichen Fundamentalismus durchzusetzen. Das letzte Wort in der Angelegenheit könnte jedoch noch nicht gesprochen sein. Die Liga der Sambaschulen, die die zwölf besten Schulen Rios repräsentiert, hat einen offenen Brief an den Bürgermeister geschrieben. Darin wird die wichtige Rolle des Karnevals für den Tourismus thematisiert. Es gehe um umgerechnet eine Milliarde Euro. Hinzu kommt, dass Rios Sambaschulen keine Spaßvereine sind, sondern Unternehmen, die das ganze Jahr über Schneiderinnen, Handwerker und Musiker beschäftigen – auch wenn sich manches in der halblegalen Grauzone abspielt.

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