Meinung Aufarbeitung tut not: Der Corona-Nebel muss gelichtet werden

Die Corona-Impfung erfüllt e nicht alle Erwartungen, die in sie gesetzt wurden.
Die Corona-Impfung erfüllt e nicht alle Erwartungen, die in sie gesetzt wurden.

Die Corona-Pandemie hat das Land verändert. Es wird Zeit, die damaligen Entscheidungen aufzuarbeiten und dies nicht den Demokratiefeinden zu überlassen.

Gelegentlich sieht man sie noch, die Klebestreifen auf dem Boden, die zu Abstand an der Ladentheke mahnen, oder die Richtungspfeile auf öffentlichen Treppen oder die an Schaufenstern verwitterten Hinweise auf Teststationen. Die Corona-Pandemie scheint ewig lange her zu sein, dabei wurde der erste Lockdown vor gerade einmal vier Jahren ausgerufen. Die heiße Phase der Pandemie dauerte gut zwei Jahre, dann ebbte die Gesundheitsgefahr ab und neue Probleme wie der Ukraine-Krieg und die Energiekrise beherrschten die Schlagzeilen.

Doch kann man die vielen Corona-Toten, die Lockdowns, die Schulschließungen, die rigorosen Besuchsregeln in Altenheimen, die Überforderung der Gesundheitsämter, die Impfpflichtdebatte und die panikartige Maskenbeschaffung einfach so abhaken wie eine überstandene Grippe?

Gesellschaft verunsichert

Den Regierenden wurden damals finstere Motive unterstellt, dabei standen sie unvorbereitet vor einer völlig neuen Aufgabe. Sie mussten Entscheidungen treffen und brauchten Rat aus der Wissenschaft, die aber nicht mit einer Stimme sprach. Andererseits wurden Kritiker mit Radikalen gleichgesetzt; sie wanderten ab in eine dubiose Querdenkerszene. Sie müssen sich heute fragen, ob es nicht besser war, dass die Regierung im Zweifelsfall mit der jeweils weitreichenderen Maßnahme reagiert hat.

Die Pandemie hat gezeigt, wie sehr eine Gesellschaft verunsichert, wie schnell eine Demokratie erschüttert und wie heftig der Zorn auf die Regierenden werden kann. Noch nie wurden die Grundrechte in einem solchen Ausmaß eingeschränkt, noch nie war die Rechthaberei auf allen Seiten so groß, noch nie waren politische Entscheidungen so intransparent.

Aufarbeitung darf kein Tribunal werden

Dies allein müsste Anlass genug sein, die Pandemie aufzuarbeiten, die Rolle der Wissenschaft sowie der Politik zu untersuchen und Schlussfolgerungen für den Umgang mit künftigen Krisen ähnlicher Ausprägung zu ziehen. Nichts spricht dagegen. Aber manche haben Angst: Die Aufarbeitung der Pandemie könnte dem Druck ausgesetzt sein, eine Schuldfrage zu beantworten, sie könnte dazu führen, dass ein Urteil gefällt wird über „richtige“ und „falsche“ Maßnahmen, über vermeintliche Fahrlässigkeiten und Versäumnisse. Eine Aufarbeitung könnte zum Tribunal werden. Extremistische Kräfte gieren danach.

So sehr diese Befürchtungen berechtigt sind, so wenig ist der Gesellschaft gedient, das Kapitel Corona totzuschweigen. Gerade dies würde den Verschwörungstheoretikern erst recht Vorschub leisten.

Bundestag ist gefragt

Die von der FDP geforderte Enquete-Kommission scheint ein vernünftiger Weg zur Aufarbeitung zu sein. Mittlerweile wächst der Kreis der Befürworter, zwei Bundesminister schlossen sich der Forderung an. Gerade die Abgeordneten des Bundestages, die in ihren Wahlkreisen mit dem Vorwurf konfrontiert wurden, in der Pandemie habe der Staat Grenzen überschritten, müssten doch ein Interesse an einer versöhnenden Betrachtung dieser Zeit haben. Die spürbare Hemmung, sich im Rückblick offen mit der Pandemie-Politik und ihrer zweifellos kritikwürdigen Auswüchse auseinanderzusetzen, ist eine Schwäche des Parlaments. Dessen vornehmste Aufgabe ist übrigens die Kontrolle staatlicher Entscheidungen.

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