Rheinland-Pfalz „Meine Tochter hat sich bestimmt verzählt“

Sondernheim (pet). Die größte Wochenstuben-Kolonie der Mückenfledermaus befindet sich am Rhein. Über 1300 Tiere hat der Naturschutzbund (NABU) Rheinland-Pfalz am Samstagabend in der Alten Ziegelei Sondernheim gezählt. „Es handelt sich um die größte Kolonie in Rheinland-Pfalz, wahrscheinlich gibt es sogar bundesweit keine größere“, sagte gestern Naturschutzreferentin Cosima Lindemann.

Seit dem Jahr 2000 ist die Alte Ziegelei in Privatbesitz. Cornelia und Johannes Haag haben die total verwahrlosten Gebäude nach und nach restauriert und das Gelände vom Dickicht befreit. Auf dem drei Hektar großen Areal gibt es ein Naturkundemuseum, ein kleines Ziegeleimuseum und eine Feldbahn. Auf dem alten Schornstein ist ein Storchennest, Schleiereulen, Waldkäuzchen und Turmfalken nisten in Kästen und Nischen. „Wir haben uns auf Anhieb in die 1834 gegründete Ziegelei verliebt“, sagt der Stuttgarter Bauunternehmer Johannes Haag. Die Anlage sei zwar klein, aber sehr kompakt und komplett erhalten. Über die zahlreichen Mückenfledermäuse freut er sich. Auch andere Arten wie das Große Mausohr fühlen sich in dem alten Gemäuer wohl. „Um Fledermäuse anzulocken, haben wir bei allen nach Süden orientierten Dächern die Dachrinnen und Verschalungen abgenommen“, erzählt Haag. Seit drei, vier Jahren sei das Dach der Schmiede bei den Fledermäusen besonders beliebt. „Unsere Tochter Marita hat die Tiere mit ihrer Freundin an einem Abend gezählt. Als sie auf über 1000 Fledermäuse kam, habe ich ihr das nicht abgenommen“, sagt Haag: „Vor lauter Erzählen werden sie sich verzählt haben, dachte ich.“ Jetzt hat der NABU die Zahl sogar noch höher angesetzt. Über 1300 Mückenfledermäuse haben sich demnach im Zwischendach der Schmiede einquartiert, wo sie genug Platz haben, um Jahr für Jahr ihre Jungen aufzuziehen. Am Rhein finden die Tiere genug Nahrung, wovon die ganze Region profitiert. „So viele Fledermäuse verputzen einiges“, erklärt Cosima Lindemann. Die Naturschutzreferentin schätzt, dass die Flugsäuger in einer einzigen Nacht gut eine Million Mücken vertilgen. Haags Ehefrau Cornelia hatte sich bereits 2013 an den NABU gewandt, weil es schon zu diesem Zeitpunkt von Fledermäusen nur so wimmelte. Ein erster Besuch der Naturschützer bestätigte, dass die Schmiede offenbar ein ideales Fledermaus-Quartier ist. Um mehr zu erfahren, beteiligte sich die Familie dann an der ersten rheinland-pfälzischen Fledermauszählung des Naturschutzbundes. Als im Meldebogen stand, dass die 18-jährige Tochter bei etwa 1000 Tieren aufgehört hatte zu zählen, wurden die Naturschützer hellhörig. „500 Tiere wären schon toll gewesen“, sagt Lindemann. Quartiere dieser Größenordnung seien etwas ganz Besonderes. „Damit war klar, dass wir uns die Kolonie näher anschauen und die genaue Art bestimmen mussten.“ Mehrere Fledermausschützer beobachteten, wie die Sondernheimer Kolonie kurz vor 22 Uhr zum Leben erwachte. Es handelte sich eindeutig um Mückenfledermäuse. Cosima Lindemann ist immer noch beeindruckt: „Man konnte das Fiepen der Tiere deutlich hören, auch das Kratzen und Trappeln, das so viele Fledermäuse erzeugen, die sich ins Freie begeben.“ Mehr als eine Stunde dauerte das Ausfliegen von gut 1300 Fledermäusen. Laut Lindemann flogen viele Jungtiere noch gar nicht mit, so dass unter dem Dach weiterhin reger Betrieb herrschte.

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