Rheinland-Pfalz „Deubel ist ausgesprochen dominant“

Dreieinhalb Jahre Haft – der Urteilsspruch des Landgerichts Koblenz gegen den früheren Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) wirkte kurz vor Ostern wie ein Donnerhall. Nun ist die schriftliche Begründung fertig. Das Urteil ist nicht rechtskräftig und bleibt nach Angaben des Landgerichts unveröffentlicht. Der RHEINPFALZ liegt es vor.

Koblenz. Deubels Strafmaß für Fehler bei der gescheiterten Privatfinanzierung des Nürburgring-Ausbaus im Jahr 2009 ist so hoch wie das von Ex-Bayern-Manager Uli Hoeneß wegen 27 Millionen Euro hinterzogener Steuern. Der Vorsitzende Richter Winfried Hetger hob bei der Urteilsverkündung hervor, dass Deubel sich nicht persönlich bereichert habe. Über die Politiker nach Deubel sagte er, diese seien „sehenden Auges“ in die Insolvenz des Nürburgrings gelaufen. In der schriftlichen Begründung hält sich das Gericht mit Bewertungen über die Nachfolger Deubels zurück. Das 231 Seiten dicke Urteil wird bald den Bundesgerichtshof beschäftigen. Deubel hat Revision eingelegt. Das Gericht zeichnet kein freundliches Bild des inzwischen 64-Jährigen, der vor seinem tiefen Fall und dem Rücktritt als Finanzminister bundesweit hohe Anerkennung als Finanzfachmann genoss, wenngleich ihm die Opposition in Mainz Haushaltstricksereien vorgeworfen hat. Im Urteil werden einige Aussagen Deubels als „Schutzbehauptungen“ gewertet. Im Wettbewerb um die Glaubwürdigkeit im Gerichtssaal zog Deubel den Kürzeren: Die Worte des Ex-Controllers des Nürburgrings, Michael Nuß, und sogar die des umstrittenen Finanzberaters Michael Merten wogen schwerer. Das ist bitter für Deubel. Ein Teil seiner Verteidigungsstrategie bestand genau darin, den Wert von Nuß’ Aussagen herabzusetzen. Mertens Firmengeflecht IPC/Pinebeck kassierte für die (erfolglose) Suche nach privatem Geld eine siebenstellige Summe. Einen Teil davon zu Unrecht, wie im Urteil steht. Merten hatte sich als Zeuge vor Gericht in Widersprüchen verheddert, bevor er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte. „Der Angeklagte Prof. Dr. Deubel ist ausgesprochen dominant und darauf bedacht, dass seine Anweisungen befolgt werden.“ Das ist laut Urteil der persönliche Eindruck, den die Kammer von Deubel in den rund 60 Prozesstagen gewonnen hat. Nuß hingegen wird als „autoritätshöriger, fast devoter Mensch“ beschrieben. Nuß hatte Deubel, die Ex-Geschäftsführer Walter Kafitz und Hans-Jürgen Lippelt sowie sich selbst belastet. Was Deubel vorgeworfen wird, ist nicht, dass 500 Millionen Euro am Nürburgring versenkt wurden. Politisch hat er drei Jahre vor der Insolvenz mit seinem Rücktritt am 7. Juli 2009 die Verantwortung übernommen. Das Gericht sieht vielmehr 14 Fälle, in denen er sich der Untreue strafbar gemacht haben soll und eine uneidliche Falschaussage vor dem Nürburgring-Untersuchungsausschuss. Der von Deubel mitverursachte Vermögensschaden für die Nürburgring GmbH lag dem Urteil zufolge bei 475.000 Euro. Weitere vier Millionen Euro seien gefährdet gewesen, außerdem eine zweistellige Millionensumme aus der Landeskasse. Allein neun Untreuefälle stehen im Zusammenhang mit stillen Einlagen, die eine Tochter der landeseigenen Förderbank ISB an den zunächst als Privatinvestor vorgestellten Unternehmer Kai Richter ausgezahlt hat. In elf Tranchen flossen meist über Richters Firma Mediinvest 85,5 Millionen Euro für den Bau von Hotels, Gastronomie und Ferienpark. Das Geld war über Landesbürgschaften komplett abgesichert. Nach Überzeugung der Kammer wurde dieses Modell gewählt, „um vor der Öffentlichkeit zu vertuschen, dass in den Bereich II, der nach den politischen Vorgaben allein privat zu finanzieren war, öffentliche Mittel fließen“. An anderer Stelle ist von „Verschleierung“ die Rede. Die SPD-Alleinregierung von Kurt Beck hatte sich gegenüber den Anliegergemeinden des Nürburgrings verpflichtet, für den Bau des neuen Hotels und der Gastronomie kein Landesgeld zu zahlen. Das gesamte Vorhaben am Ring mit Freizeitpark solle mindestens zu 50 Prozent privat finanziert werden. Deubel habe im Zusammenhang mit den stillen Einlagen seine Befugnisse als Finanzminister durch „gravierende und evidente Pflichtverletzungen missbraucht“ Er habe vorsätzlich Vermögen des Landes gefährdet. Als strafbar sieht es das Gericht an, dass Deubel gegen den Haushaltsgrundsatz der „Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ verstoßen habe, und zwar in gravierender und evidenter Weise. Auch ein „in Finanzfragen nicht erfahrener Bürger“ wisse, dass fremdes Geld nicht ohne ausreichende Sicherheiten ausgegeben werden dürfe. Nach Auffassung des Gerichts gab es eine hohe Ausfallgefährdung der stillen Einlagen. Die Richter bemängeln zudem, das Land habe sich keinen Einfluss auf das private Unternehmen gesichert. „Diese Pflichtverletzungen überschreiten nach Auffassung der Kammer eindeutig den politischen Handlungsspielraum.“ In den weiteren Untreuefällen soll er Zahlungen an die Berater von IPC/Pinebeck zugestimmt haben, obwohl es dafür keine vom Aufsichtsrat gedeckte Grundlage gab. In einem Fall wurde Geld der Förderbank ISB über ein Pinebeck-Konto an die Firma Kai Richters geleitet, wofür Pinebeck 175.000 Euro kassierte. Deubel, der Chef des Nürburgring-Aufsichtsrats war, habe die Rolle eines „faktischen Geschäftsführers“ eingenommen, so die Richter. Als Beleg führen sie unter anderem an, dass er persönlich Verhandlungen über die Finanzierung führte. „Dies ist nach Auffassung der Kammer nicht Aufgabe eines Aufsichtsratsvorsitzenden und auch nicht eines Finanzministers, sondern Aufgabe eines Geschäftsführers der Nürburgring GmbH.“ Gleich zu Beginn des Urteils heißt es aber auch, Deubel habe sich nach der Entscheidung des damaligen Regierungschefs Beck „explizit um die anstehenden Finanzierungsfragen“ kümmern sollen. Besonders brisant ist die letztlich per Zufall verhindert Zahlung von vier Millionen Euro Erfolgshonorar an IPC/Pinebeck, nachdem Anfang Juli 2009 der – ungedeckte – Scheck über 67 Millionen Euro zur Nürburgring-Finanzierung angekommen war. Das Gericht ist davon überzeugt, dass Deubel die Vereinbarung mit den Finanzberatern getroffen hat, die vier Millionen 48 Stunden nach Erhalt des Schecks auszuzahlen – noch bevor die Werthaltigkeit geklärt war. Deubels Version klingt anders, danach hat er erst später von der Vereinbarung erfahren. Weil er dies auch so vor dem Nürburgring-Untersuchungsausschuss des Landtages gesagt hat, sehen die Richter die uneidliche Falschaussage als erfüllt an.

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