Wandern im Pfälzerwald Von Burgruine Neidenfels über Lambertskreuz zur Lichtensteinhütte
Wir beginnen in gesprengten Zimmern mit Aussicht: Burgruine Neidenfels wirkt, als wäre sie am Ende ihrer ab 1338 verbrieften Geschichte in die Luft geflogen. Hier schraubt sich ein tranchierter Renaissance-Treppenturm in die Leere, dort gähnt uns ein Gewölbe entgegen. Nur Fragmente des steinernen Innenskeletts sind von der Burg geblieben, mit denen die Pfalzgrafen und Pfälzer Kurfürsten drei Jahrhunderte hindurch Dienstadel wie die Herren von Odenbach, von Wachenheim oder von Angeloch belehnten.
Zerstört wurde das kurpfälzische Bergschloss mutmaßlich während des Pfälzischen Erbfolgekriegs gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Jedoch waren es nicht die französischen Truppen, die den „Nydenfels“ so abwrackten, sondern, ein halbes Jahrhundert später, ehrgeizige Weinbau-Versuche. Um 1750 kam der kurpfälzische Forstmeister Georg Franz Glöckle auf die glorreiche Idee, auf dem Neidenfelser Schlossberg Reben anpflanzen zu wollen. Also ließ er das meiste, was von der Burg damals noch stand, abbrechen. Mit dem dadurch gewonnenen Steinmaterial wurde der Schlossberg terrassiert.
Glöckles Experiment scheiterte am für Trauben ungünstigen Klima des Hochspeyerbachtals. Daher heute: von Weinbergen keine Spur. Stattdessen schiebt sich Industrieromantik ins Pfälzerwaldpanorama, in Gestalt der Papierfabrik „Glatz“, die das Ortsbild von Neidenfels dominiert.
Hüttengaudi bei Lambertskreuz
Im Halsgraben der Burg startet die eigentliche Wanderung, der grün-weiße Balken markiert den Weg nach Lambertskreuz. Da die Hütte auf einer Höhe von 460 Metern über Normalnull liegt, die Burgruine Neidenfels aber auf einem nur 258 Meter hohen Bergsporn, geht es im ersten Teil der Wanderung peu à peu bergauf. Dabei ist man abwechselnd auf schmalen Waldpfaden und etwas breiteren Naturwegen unterwegs. Nach etwa zweieinhalb Kilometern wechseln wir an einer Wegspinne die Markierung und folgen dem blau-weißen Balken, um den letzten Kilometer nach Lambertskreuz auf dem urigeren „Wilhelmsweg“ zurückzulegen.
Am Waldhaus dann sonntäglicher Hochbetrieb. Obwohl man die bewirtschaftete Hütte nur zu Fuß, auf dem Rad oder hoch zu Ross erreichen kann, herrscht reges Kommen, Rasten, Gehen. Kinder schaukeln auf einem quietschenden Gerät, das an einen mittelalterlichen Rammbock erinnert. Ein paar Mountainbiker lassen Schoppen kreisen. Zugluft fürchtende Ausflügler haben die drei Miniaturhütten im Biergarten des Waldhauses besetzt. Auf den Tischen dampfen Teller mit Sauerkraut, Bratwurst, Saumagen und Leberknödel.
Radelnde Geschichtsbanausen haben ihre Drahtesel ausgerechnet vor jenem Artefakt geparkt, das einst den Anlass zur Hüttengaudi gab: 1905 gruben Mitglieder des drei Jahre zuvor gegründeten Pfälzerwald-Vereins auf der Waldlichtung ein mittelalterliches Steinkreuz aus. Zwei Jahre später wurde an dieser Stelle die Wanderhütte errichtet, die damit zu den ältesten PWV-Bauten zählt – nach der Stabenbergwarte bei Gimmeldingen und der Frankenthaler Hütte auf dem Rahnfels. Das archaische Kreuz, dessen Name auf den Märtyrer Lambert von Lüttich verweist, thront heute in einem eingefassten Beet inmitten von Stiefmütterchen, Narzissen, Primeln und Tierplastiken.
Pottasch-Hütte und Baumfällarbeiten
Wir kehren Vorgarten-Altar und Waldhaus den Rücken und setzen den Weg im Zeichen des roten Rechtecks fort; alternativ kann man sich auch am Signet des Pfälzer Hüttensteigs orientieren. Wir kommen an der Schutzhütte am Friedrichsbrunnen vorüber, dann zur Pottasch-Hütte, einem weiteren hölzernen Schutzbau, den außerdem ein Ritterstein markiert.
Der Name des Häuschens wirft Fragen auf: Pottasche – wozu brauchte man die nochmal? Mittels Smartphone wird schnell das Netz befragt: Pottasche, fachsprachlich Kaliumcarbonat, wurde früher aus Holzasche gewonnen und diente unter anderem als Triebmittel beim Backen.
Gut, wieder etwas gelernt. Dafür stehen wir jetzt vor einem Absperrband: Baumfällarbeiten blockieren – voraussichtlich bis Ende April – die reguläre Route. Zum Glück ist eine Umleitung ausgewiesen. Sie lenkt uns einmal um den Steinkopf herum und dann zurück auf den Hüttensteig. Ab diesem Punkt geht es, fürs erste, nur noch bergab – und schließlich, schon wieder am Ortsrand von Neidenfels, direkt hinein in die Lichtensteinhütte, zu Kaffee und Nusszopf.
Buckelquader, sonst nichts
Ein Ziel aber steht noch aus. Nämlich jene Burgruine, der die Lichtensteinhütte ihren Namen verdankt. „Do is awwer nix mehr. Oder nimmie viel“, wendet man besorgt ein, als wir in der Hütte nach dem Weg zum Lichtenstein fragen. Davon unbeirrt, marschieren wir durch die Hintertalstraße, biegen, wie man es uns beschrieben hat, rechts in eine Gasse ab, die dann in einen Waldpfad übergeht. Serpentinen schrauben sich empor, bis man ein Stück qualitätvoller Buckelquader-Architektur erspäht, Fragment einer Schildmauer, die einst den kompakten Oberburgfelsen ummantelte. Der Rest der Anlage ist verschwunden oder liegt noch unter Schutt und Erdreich begraben.
1281 bereits wurde die offenbar recht kleine Höhenburg zerstört und danach nicht wieder aufgebaut. Schuld war ein Familienzwist im Hause Lichtenstein, bei dem auch Stadt und Hochstift Speyer die mächtigen Finger im Spiel hatten. Quasi als Ersatz für den zerstörten Lichtenstein entstand dann um 1330 auf dem benachbarten niedrigeren Berghang Burg Neidenfels. Während deren Ruinen dem Wunsch nach Wein zum Opfer fielen, musste Lichtenstein in den Jahren 1847 bis 1849 als Steinbruch herhalten für den Bau der Pfälzischen Ludwigsbahn. So schließt sich der historische Kreis.
Wegweiser
Wanderung Neidenfels, Lambertskreuz, Pottasch-Hütte, Lichtenstein: 13 km (zurzeit 15 km wegen Umleitung), 388 Höhenmeter. Start: ab Parkplatz am Bahnhof Neidenfels; alternativ kann man die Wanderung auch gut mit dem Zug ansteuern, zum Beispiel mit der S-Bahn ab Ludwigshafen, Neustadt, Kaiserslautern oder Landstuhl. Einkehrmöglichkeiten: Waldhaus Lambertskreuz (Mi-So 11-17 Uhr), Lichtensteinhütte (Mi/Sa 13-19 Uhr, So 11-19 Uhr). Ausführliche historische und archäologische Artikel zu den Burgruinen Neidenfels und Lichtenstein findet man auf der Internet-Plattform „Kultur. Landschaft. Digital“, kurz Kuladig.