Steinerne Geschichtsschreibung Massive Hinweise: Rittersteine im Pfälzerwald

Sensationell: „Fundstelle Biberkopf 1902“, ein Ritterstein im Wald zwischen Niederschlettenbach und Bobenthal.
Sensationell: »Fundstelle Biberkopf 1902«, ein Ritterstein im Wald zwischen Niederschlettenbach und Bobenthal.

Wer durch den Pfälzerwald wandert, stößt fast zwangsläufig auf sie: Rittersteine. Schließlich gibt es davon 307 Stück. 308, wenn man die vergessene „Gerbersdell“ im Glasbachtal bei Diemerstein mitzählt. Vielleicht schenkt man ihnen im Vorübergehen keine große Beachtung. Dabei bergen sie manch interessante Geschichte. Angefangen mit ihrer eigenen.

Zunächst einmal: Die Rittersteine haben mit mittelalterlichen Burgherren nichts zu tun. Sie sind vielmehr eine frühe Erfindung des Pfälzerwald-Vereins, der 1902 in Ludwigshafen gegründet wurde und ursprünglich „Touristenclub Pfalz“ heißen sollte. Die Idee, für Wanderer Orientierungssteine im Mittelgebirge aufzustellen, kam wohl vom Pfälzer Heimatkundler und Geologen Daniel Häberle. Aber da es der königlich-bayerische Oberforstrat Karl Albrecht von Ritter (1836-1917) war, der als erster Hauptvorsitzender des Pfälzerwald-Vereins die Umsetzung dieser Idee ab 1910 betrieb, wurden die Steine bereits 1912 nach ihm benannt.

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte man schon 200 dieser Rittersteine aufgestellt. In einer fortlaufend nummerierten Liste von 1916 sind davon 144 „Steinmarken“ dokumentiert. Der Krieg bedingte eine Zäsur, doch spätestens Ende der 20er-Jahre wurde die Idee, die Wanderinfrastruktur des Pfälzerwalds durch Rittersteine zu optimieren, wieder aufgegriffen. So wurden etwa der Ritterstein zum Siebenbrunnen im Diemersteiner Wald und jener zum Rödelstein-Pfad bei Vorderweidenthal jeweils anno 1927 gesetzt.

Ein Felsklotz als Ritterstein: Der „Tisch“ im Wald bei Oberotterbach ist Ritterstein Nr. 20 und gehört in die Kategorie „Orienti
Ein Felsklotz als Ritterstein: Der »Tisch« im Wald bei Oberotterbach ist Ritterstein Nr. 20 und gehört in die Kategorie »Orientierungspunkte«.

Typologie der Erinnerung

Formal betrachtet, handelt es sich bei einem Ritterstein in der Regel um einen großen Sandsteinfindling mit eingemeißelter, in gelber Farbe ausgemalter Inschrift sowie der Urheber-Signatur „PWV“. Aber Rittersteine können auch noch ganz andere Formen haben: Die Säulen ehemaliger Bildstöcke wurden durch entsprechende Inschriften zu Rittersteinen umfunktioniert. Auch Türstürze von Forsthäusern, Eingänge zu Bergwerksstollen oder Abschlusssteine von Triftanlagen hat man markiert. Und manchmal kann ein Ritterstein auch einfach ein Felsklotz sein, benannt nach seinem Erscheinungsbild, wie etwa der „Tisch“ in der Nähe der Burgruine Guttenberg.

Viele Rittersteine dienten und dienen einfach der Orientierung. Oder sie markieren Wege, die besonders schön sind. Wie der Cramer-Pfad, der die Trifels-Burgentrias mit der Madenburg verknüpft. Andere Steine weisen auf Dinge hin, die nicht mehr zu sehen sind: auf untergegangene Siedlungen, verschwundene Jagdhäuser, aufgegebene Höfe. Der bei Göllheim zu findende, 1989 errichtete Ritterstein Nr. 292 zum Beispiel erinnert an „Burg und Dorf Rothenberg 11.-14. Jhrdt.“, von denen nur vage Spuren im Gelände geblieben sind.

Montanindustrie im Pfälzerwald: ein Eisenerzstollen, den Ludwig von Gienanth 1835 bei Niederschlettenbach anlegen ließ, wurde zu
Montanindustrie im Pfälzerwald: ein Eisenerzstollen, den Ludwig von Gienanth 1835 bei Niederschlettenbach anlegen ließ, wurde zum Ritterstein »Glück Auf«.

Der 2009 verstorbene Heimatforscher Walter Eitelmann hat in seinem 1972 erstmals veröffentlichten Standardwerk über Rittersteine im Pfälzerwald eine Systematik eingeführt, die einen guten Überblick über die Inhalte dieser „steinernen Geschichtsschreibung“ schafft. Denn neben Orientierungspunkten und Hinweisen auf untergegangene Siedlungen gibt es auch Steine, die an Kriegsschauplätze des späten 18. Jahrhunderts erinnern: Der Steigerkopf zwischen Edenkoben und Forsthaus Heldenstein ist voll davon. Auch der Holzflößerei, der Industrie und der Eisenerzgewinnung im 19. Jahrhundert wurde gedacht. Ebenso bestimmter Persönlichkeiten, der Jagd, der historischen Wolfsplage und der Viehwirtschaft.

Rittersteine für Wolf und Biber

In den Dunstkreis von Jagd und Pfälzerwald-Zoologie gehört auch der Ritterstein mit der kuriosen Inschrift „Fundstelle Biberkopf 1902“. Zu entdecken ist er im Wald zwischen Niederschlettenbach und Bobenthal, etwa 800 Meter in nordöstlicher Richtung vom Wanderparkplatz an der L 478 entfernt, gleich neben der geteerten Waldstraße etwas oberhalb des Portzbachs. In der Nähe ergießt sich der Hedwigsbrunnen in den Bachlauf, die neunte und letzte Etappe des Pfälzerwald-Pfads führt unweit vorüber. Doch was hat es mit der Inschrift auf sich?

Tatsächlich wurde hier bei Straßenarbeiten im Jahr 1902 in einer Felsspalte ein Biberkopf entdeckt. Der Fund war damals offenkundig eine kleine Sensation. Denn eigentlich galt der Biber seit 1840 in unserer Region für ausgestorben. Gejagt wurde das Tier zuvor nicht nur wegen seines Pelzes: Auch dass die katholische Kirche den im Wasser lebenden Biber zu den Fischen zählte und dadurch zur probaten Speise für die Fastenzeit deklarierte, hatte dazu geführt, dass der große Nager im 19. Jahrhundert europaweit fast ausgerottet war. Offenbleiben muss indes die Frage, ob es sich bei dem 1902 gefundenen Biberkopf um ein historisches Körperteil handelte oder ob das dazugehörige Tier kurz zuvor eingewandert war.

Im Wald bei Wilgartswiesen: ehemalige Wolfsgrube.
Im Wald bei Wilgartswiesen: ehemalige Wolfsgrube.

Nicht minder interessant sind in diesem Zusammenhang jene Rittersteine, die auf Wolfsgruben verweisen: Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts fing man Wölfe in brunnenschachtartigen Fallen, die man mit Reisig bedeckte. Meist diente ein Schaf als Köder, der angelockte Wolf fiel in die Grube, kam nicht mehr heraus, wurde erlegt. Bei Wilgartswiesen stößt man auf die einzige erhaltene Wolfsgrube der Pfalz, auch zu ihr weist ein Ritterstein den Weg.

Hilfsmittel für Ritterstein-Sucher

Die Zeugnisse dieser steinernen Geschichtsschreibung aufzuspüren, ist heutzutage nicht immer einfach. Denn seit der Aufstellung der ersten Rittersteine wurde das Wanderwegekonzept im Pfälzerwald schon mehrfach verändert. Manche Rittersteine liegen nun an ausrangierten Strecken, andere an stark befahrenen Landstraßen, und einige – der Rattenfels bei Burgruine Diemerstein zum Beispiel – an Stellen, wo kein erkennbarer Weg hinführt. Wer sich auf die Suche nach Rittersteinen begibt, ist daher gut beraten, auf eine Wander-App zurückzugreifen. Sehr zu empfehlen ist in diesem Fall die von Outdooractive. Für historische Hintergrundinformationen zu Rittersteinen kann man die Webseite „Kulturlandschaft digital“ konsultieren; hier sind 149 Rittersteine ausführlich dokumentiert. Ein Verzeichnis sämtlicher Rittersteine gibt es außerdem auf Komoot sowie beim Pfälzerwald-Verein selbst.

Leicht zu übersehen: Der Ritterstein im Diemersteintal markiert eine Quelle, die nur sporadisch Wasser führt . Daher der Name „H
Leicht zu übersehen: Der Ritterstein im Diemersteintal markiert eine Quelle, die nur sporadisch Wasser führt . Daher der Name »Hungerbrunnen«.
Ritterstein Nr. 42 bei Bindersbach: 1904 ließ Forstamtsassessor Heinrich Cramer den schönen Weg zwischen der Trifels-Burgengrupp
Ritterstein Nr. 42 bei Bindersbach: 1904 ließ Forstamtsassessor Heinrich Cramer den schönen Weg zwischen der Trifels-Burgengruppe und der Madenburg bahnen.
Steht versteckt an der Straße, die zur Burgruine Lindelbrunn führt: War Ritterstein Nr. 26 ehedem ein Bildstock unter einer Eich
Steht versteckt an der Straße, die zur Burgruine Lindelbrunn führt: War Ritterstein Nr. 26 ehedem ein Bildstock unter einer Eiche?
Hinweis und Phänomen: 1927 legte der Pfälzerwaldverein diesen Pfad bei Vorderweidenthal an.
Hinweis und Phänomen: 1927 legte der Pfälzerwaldverein diesen Pfad bei Vorderweidenthal an.
Dadurch wurde ein großartiges Wanderziel im Wasgau erschlossen: das Felsmassiv Rödelstein.
Dadurch wurde ein großartiges Wanderziel im Wasgau erschlossen: das Felsmassiv Rödelstein.
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