Saarbrücken Eigener Mann: Saar-AfD zurzeit „keine Alternative für Deutschland“

Beim Parteitag der AfD Saarland setzte sich Carsten Becker, links am Rednerpult, im Oktober 2022 bei der Wahl des Parteivorsitze
Beim Parteitag der AfD Saarland setzte sich Carsten Becker, links am Rednerpult, im Oktober 2022 bei der Wahl des Parteivorsitzenden gegen den Bundestagsabgeordneten Christian Wirth (ganz rechts) durch. Zweiter von rechts: Josef Dörr, der die AfD Saar von 2015 bis 2022 führte.

Bei der AfD im Saarland geht’s hoch her. Eine „Trümmertruppe“ bildet den Landesvorstand. Das sagt nicht der politische Gegner, sondern ein AfD-Kreisvorsitzender. Folge der internen Keilerei: Die AfD steht bei der nächsten Wahl in Saarbrücken nicht auf dem Stimmzettel.

Wenn am 9. Juni, wie in Rheinland-Pfalz auch, im Saarland die Kommunalparlamente neu gewählt werden, dann können die Wähler die drittstärkste Partei im Saarland, die AfD, gar nicht ankreuzen. Zumindest, wenn sie den Stadtrat der Landeshauptstadt Saarbrücken und den Kreistag Saarbrücken wählen.

Rudolf Müller (72), Urgestein der AfD Saarland, macht für das Desaster den amtierenden Landesvorstand um Carsten Becker (33) verantwortlich. Müller, Kreisvorsitzender der AfD Saarbrücken, hält Becker und seine Mannen für „unfähig, den Landesverband der AfD zu führen“. Er fordert Becker und seinen Vorstand nach dieser Blamage „zum sofortigen Rücktritt “ auf, denn: „Dieses Personal ist keine Alternative für Deutschland, überhaupt nicht.“ Es handele sich um eine „Clique, die sich Posten und Geld zuschiebt“.

„Selbstgefälliger Haufen“

Auch Müllers Kollege in Homburg, Markus Loew (46), Vorsitzender der AfD Saarpfalz, lässt kein gutes Haar am Landesvorstand um Becker. Vor ein paar Wochen nannte Loew den Vorstand eine „Trümmertruppe“ und einen „selbstgefälligen Haufen“. Gegenüber der RHEINPFALZ sagt Loew am Freitag, er würde „diese Begriffe öffentlich nicht mehr verwenden“, sondern sich anders ausdrücken. Nämlich wie? Loew formuliert es dann so: „Ich sehe den Landesverband im schlechtesten Zustand, in dem er je gewesen ist.“ Seit Becker zum Landesvorsitzenden aufstieg, führe er „Kampagnen, um missliebige Leute kaltzustellen“. Vorläufiger Höhepunkt seiner Fehdepolitik sei „die Sabotage“ der AfD-Kandidatur für den Saarbrücker Stadtrat.

Und das kam so: Unter dem Vorsitz von Rudolf Müller hatte die AfD Saarbrücken eine Liste für den Stadtrat aufgestellt. Plötzlich teilte der Landesvorstand Müller mit, so schildert es dieser, dass er sich „nicht länger mit dem Titel Kreisvorsitzender schmücken“ dürfe. Er sei nämlich abgesetzt. Getreue des Landesvorstands stellten dann eine Liste mit anderen Kandidaten für den Stadtrat auf. Müller reichte dann „seine“ Liste beim Wahlamt ein und Becker „seine“ mit den ihm genehmen Kandidaten.

Nicht auf dem Stimmzettel: Weder in Saarbrücken noch im Kreis

Dem Wahlausschuss obliegt es nicht zu entscheiden, welche der konkurrierenden Listen ein und derselben Partei nun rechtmäßig und welche unrechtmäßig zustande kam. Wenn eine Partei zwei Listen einreicht, dann wird das gewertet, als läge gar keine vor. Das Ende vom Lied: Die AfD ist bei der Stadtratswahl von Saarbrücken nicht mit von der Partie.

Im Landkreis Saarbrücken, offizieller Name: Regionalverband, legte die AfD ebenfalls zwei konkurrierende Listen vor. Grund hierfür könnte sein, dass der Landesverband auch den Kreisvorsitzenden von Saarbrücken-Land, den Landtagsabgeordneten Josef Dörr (85), aus dem Amt drängen will.

Auf 20 bis 25 Prozent der Stimmen gehofft

Ergebnis auch hier: Wenn zwei sich streiten, kommt keiner zum Zug. Auf dem Stimmzettel für die Regionalversammlung wird man die AfD nicht ankreuzen können.

Für die Partei, die auf 20 bis 25 Prozent der Stimmen hoffte, ist das bitter, weil sie auf mehr als ein Dutzend Sitze verzichten muss. Es kostet zudem viel Geld, denn in Saarbrücken fallen sowohl die Sitzungs- als auch die Fraktionsgelder üppig aus. Insgesamt dürften der Partei auf diese Weise zwischen 100.000 und 200.000 Euro durch die Lappen gehen.

„Spaß gefunden an seiner Wichtigkeit“

Der AfD-Landesvorsitzende Carsten Becker wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Die Kritik an ihm und seinem Kurs wächst. Ein AfD-Kreisvorsitzender sagt: „Der hat Spaß gefunden an seiner Wichtigkeit.“ Sein Vorwurf: Becker missachte Rechtsstaatlichkeit und ignoriere auch Beschlüsse des AfD-Bundesschiedsgerichts. Damit verschrecke er bürgerliche Wähler und Parteimitglieder.

Als das Landesschiedsgericht Beschlüsse fasste, die Becker nicht passten, ließ er bei einem Parteitag im Dezember eine zweite Kammer einrichten, mit ihm genehmen Leuten, darunter Michael Elicker aus Ottweiler-Lautenbach, der bisher als Anwalt der AfD in Sachsen in Erscheinung trat. Das Bundesschiedsgericht pfiff Becker zurück und erklärte die Einrichtung der zweiten Kammer für nichtig und deren Beschlüsse ebenfalls. Becker erklärte zunächst öffentlich, das interessiere ihn nicht. Dann lenkte er doch ein und berief für März einen neuen Parteitag ein, mit dem Ziel, die zweite Kammer nun rechtskonform durchzuboxen. Da rief die AfD Saarpfalz das Bundesschiedsgericht erneut an, um den Parteitag per einstweiliger Verfügung zu verhindern. Kurz bevor das Bundesschiedsgericht diese Verfügung erlassen konnte, sagte Becker den Parteitag selbst ab. Mit der Begründung: Am Ort des Parteitags in Reinheim gebe es nicht ausreichend Parkplätze.

Dem Parteifreund die Mitgliederrechte entzogen

Seinem Parteifreund Markus Loew, Vorsitzender des Kreisverbands Saarpfalz, entzog Becker die Mitgliederrechte – „wegen wiederholter Schmähung des Landesvorstands“.

Das Drama geht also weiter.

Schon zuvor ging es bei der AfD im Saarland hoch her. Mehr dazu hier.

Sowohl im Saarpfalz-Kreis als auch im Landkreis St. Wendel schafft es die AfD auf den Stimmzettel.

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