Politik Kommentar zu Trump: Das Fass ist übergelaufen

Seit 2017 US-Präsident: Donald Trump.
Seit 2017 US-Präsident: Donald Trump. Foto: REUTERS

Nun also doch: Die US-Demokraten bereiten offiziell ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump vor. Ein längst überfälliger Schritt! Und doch kann er ihre Wahlchancen 2020 gefährden.

Es ist der vorläufige Höhepunkt der an Loopings und Rasanz so reichen Achterbahn-Präsidentschaft von Donald Trump. Weil er offenbar Druck auf den ukrainischen Präsidenten ausübte, damit dieser etwas tut, das Trump im Wahlkampf hilft, kommt nun ein Amtsenthebungsverfahren auf den US-Präsidenten zu. Ein historischer Vorgang, hat es doch erst zwei solche Impeachments in der Geschichte der Vereinigten Staaten gegeben.

Beide - gegen die Präsidenten Andrew Johnson und Bill Clinton - scheiterten. Und auch in diesem Fall - so es denn überhaupt zur formalen Anklage im Repräsentantenhaus kommt - stehen die Chancen des Amtsinhabers gut, dass er davonkommt. Im für die Verurteilung zuständigen Senat haben Trumps Republikaner die Mehrheit.

Aber noch vor wenigen Tagen schien auch das, was nun von den US-Demokraten beschlossen wurde, unwahrscheinlich. Deren Führerin im US-Kongress, Speaker Nancy Pelosi, war gegen ein Impeachment. Zu polarisierend. Zu schmerzhaft für eine ohnehin zerrissene Nation, in der die beiden politischen Lager einander unversöhnlich gegenüberstehen.

Aber das Fass ist endgültig übergelaufen.

Da waren die illegalen Schweigegeld-Zahlungen an ein Porno-Sternchen. Da waren die zumindest fragwürdigen Steuerpraktiken Trumps und seine Weigerung, seine Steuererklärungen offenzulegen. Da waren mehr als 5000 dokumentierte Lügen, nicht wenige davon im Zusammenhang mit der Russland-Ermittlung, die immerhin zutage brachte, dass Trump nach Kräften die Justiz behinderte. Dutzende Personen aus seinem unmittelbaren Umfeld sind angeklagt und zum Teil auch schon verurteilt worden. Und auch er wäre längst von einem Staatsanwalt belangt worden - wenn, ja wenn er nicht als Präsident Immunität vor jeglicher Strafverfolgung genießen würde.

Trump berauscht sich an seiner Macht

In der Ukraine-Affäre hat Trump nicht nur Druck auf Kiew gemacht, er hat vor allem den Kongress missachtet, indem er vom Kongress bewilligte Gelder einfror und dem Parlament bisher Informationen vorenthält, die ihm rechtlich zustehen. Die große Mehrheit der Demokraten im Kongress ist daher überzeugt, dass sie gar keine andere Wahl mehr haben. Und ja: Ein Amtsenthebungsverfahren gegen diesen Präsidenten, der nur das eigene Wohl verfolgt und sich an seiner Macht berauscht, ist überfällig. Die US-Verfassung sieht ausdrücklich vor, dass das Parlament, der Kongress, einen Präsidenten richtet, der „hohe Verbrechen und Vergehen“ begangen hat. Und das trifft längst auf Donald Trump zu.

Was heißt das politisch, was bedeutet das für den bereits auf Hochtouren laufenden Vorwahlkampf, bei dem es um die Kandidaturen 2020 fürs Weiße Haus geht?

Die nun eingeleiteten Ermittlungen geben den US-Demokraten eine Chance, Trump endlich zu jagen. Bisher haben sie es nicht vermocht. Die Russland-Ermittlung ist verpufft. Auch weil Sonderermittler Robert Mueller sich weigerte, politische Schlüsse zu empfehlen. Ferner weil das Justizministerium für den Chef im Weißen Haus den Fall meisterlich entschärfte. Am Ende aber überlebte Trump, weil er in seiner bisherigen Amtszeit die Koordinaten des Systems verschoben hat. Die Regeln des Anstands und die Achtung der Gesetze hat er weitgehend außer Kraft gesetzt.

Viele Amerikaner hassen „die in Washington“

Er konnte das so, weil sich jahrzehntelang ein Hass aufgestaut hatte in weiten Teilen der Bevölkerung: auf die da oben in Washington. Trump war - und er ist ihr Mann. Er hat viel weniger erreicht für seine Wähler, als er vorgibt, aber sie vertrauen weiter darauf, dass er für sie kämpft.

Am Dienstag erschien Trump bei der UN-Vollversammlung seltsam gedämpft, fast depressiv. Merkt er, dass er es zu weit getrieben hat? Hat er noch die Kraft, das zu tun, was ihn bisher immer gerettet hat? Nämlich zu leugnen oder zu verdunkeln und dann mit aller Macht zurückzuschlagen, auch zu lügen, bis niemand mehr weiß, was oben und unten ist. Ein Impeachment ist genau die Art Nahkampf, die er liebt, die er kann. Er gegen die anderen. Und in der Ukraine-Affäre hat er längst begonnen, seine Version zu spinnen: Nicht er, sondern Joe Biden ist der Böse, hat doch dessen Sohn in der korrupten Ukraine Geschäfte gemacht.

Da die Amerikaner medial in Paralleluniversen leben, kann es gut sein, dass Trump seine Wähler bei der Stange hält. Es wird nun noch schmutziger, das ist sicher. Debatten über Ideen zur Krankenversicherung werden erstmal in den Hintergrund treten. Es ist nur noch die eine Frage, die Amerika und damit die Welt umtreibt: Ist Donald Trump ein Verbrecher und muss weg?

x