Politik Intensivmediziner: „Infektionssturm im Körper“

Professor Dr. Stefan Hofer ist Chefarzt der Klinik für Anästhesie-, Intensiv-, Notfallmedizin und Schmerztherapie.
Professor Dr. Stefan Hofer ist Chefarzt der Klinik für Anästhesie-, Intensiv-, Notfallmedizin und Schmerztherapie.

Der Zustand von Covid-19-Patienten verschlechtert sich teilweise rasend schnell. Stefan Hofer, Chefarzt am Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern, rechnet mit dem Schlimmsten.

Herr Professor Hofer, die Todesrate ist in Deutschland noch relativ gering im Vergleich mit anderen Ländern. Kommt das bei uns noch?
Nun, ich bin kein Orakel. Wir haben ein paar andere Grundvoraussetzungen, die andere Länder nicht haben. Die Zahl kann keiner so richtig erklären. Das deutsche Krankenhaussystem ist ein sehr gut vorbereitetes System mit allen technischen Aspekten. Die Qualität ist weit höher als in anderen Ländern. Die Anzahl der Intensivbetten ist ebenfalls weit höher. Und dann kommt vielleicht noch der Zeitaspekt hinzu. Wir liegen ein paar Tage vor anderen Ländern und hatten ein bisschen mehr Zeit, um uns mit entsprechenden Maßnahmen vorzubereiten. Das sind aber alles Erklärungsversuche, wir wissen letztendlich nicht, wohin die Reise geht. Wir rechnen mit dem Schlimmsten.

Die Krankenhäuser sind aufgefordert worden, ihre intensivmedizinischen Kapazitäten zu erhöhen. Worin bestehen die Schwierigkeiten?
Wir haben Akutmaßnahmen getroffen und sind jederzeit bereit, Covid-19-Patienten intensivmedizinisch zu betreuen. Dann ging es darum, wie viele Beatmungsgeräte wir mobilisieren können. Und jetzt kommen wir an das große Problem, der Nachschub ist vollkommen abgeschnitten. Ich hätte gerne weitere 15 Beatmungsgeräte. Da sind wir massiv unterwegs und hoffen auf frühzeitige Lieferungen. Wir lassen nichts unversucht. Insgesamt warten hier gute 40 Intensivbehandlungsplätze und dementsprechend können wir dem Virus schon einiges entgegenstellen.

Es wurde in den vergangenen Tagen gemeldet, dass auch Jüngere beatmet werden müssen oder auf der Intensivstation liegen. Wie ist da ihre Einschätzung?
Anfangs haben wir alle gesagt, es trifft die Alten mit Vorerkrankungen und die Jungen sind geschützt. Nein, das ist nicht so. Es gibt die Fälle, wo junge Menschen innerhalb von Stunden verfallen und von einem gesunden Zustand hin zu einer Beatmungspflichtigkeit kommen. Das ist nicht der Großteil der Patienten, aber das Virus macht auch vor jungen Menschen nicht halt.

Wie lange liegen Covid-19-Patienten durchschnittlich auf der Intensivstation?
Das ist ein großes Problem, das sind Verläufe, die mindestens 14 bis 20 Tage beatmet werden. Das ist das italienische Problem. Dort haben am Anfang die älteren Patienten die Intensivbetten belegt, die dann nicht nach einer Woche wieder vom Beatmungsschlauch befreit waren, sondern noch die zweite und dritte Woche beatmet werden mussten. Dadurch konnte die zweite und dritte Welle nicht aufgefangen werden.

Hat die Behandlung einen typischen Ablauf?
Wenn man es einfach sagt, therapieren wir eigentlich eine Sepsis, also Blutvergiftung. Das heißt, ein schweres infektiologisches Krankheitsbild, das sich in der Lunge befindet und zu einer generellen Entzündung des Körpers führt. Wir haben besondere Beatmungsformen, wir ernähren die Patienten, wir schauen, dass sie entsprechend schlafen können, keine Schmerzen haben und wir versuchen, mit verschiedenen Medikamenten über diese schwere Infektion hinwegzukommen.

Warum wird das Herz-Kreislaufsystem so sehr belastet?
Das ist ein Infektionssturm, der durch den Körper geht, und diesen Infektionssturm müssen wir irgendwie durchbrechen und dann verhindern, dass Zweitinfektionen durch Bakterien oder Pilze noch weitere Schäden im Körper anrichten.

Auf welche Symptome sollte man als Betroffener achten?
Meiner Familie rate ich, so wie wir es auch hier im Klinikum machen, und das rate ich auch der Bevölkerung: Fangt an, Fieber zu messen morgens und abends. Fieber ist das häufigste Symptom. Wenn die Patienten bei uns liegen, haben wir bestimmte klinische Parameter, die wir abfragen. Wie aufmerksam und wach ist der Patient? Wie schnell atmet der Patient? Wie verhält sich der Blutdruck? Wenn diese Werte zwei Mal positiv sind und der Patient beginnt zu verfallen, muss er auf die Intensivstation. Meist können wir mit den Patienten noch gut reden und erklären, was kommt, und dann bricht dieses ganze System innerhalb von einer guten halben Stunde zusammen und sie werden dann invasiv beatmet.

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Professor Dr. Stefan Hofer ist Chefarzt der Klinik für Anästhesie-, Intensiv-, Notfallmedizin und Schmerztherapie.
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