Politik Ende einer Odyssee: „Aquarius“ in Spanien

Das vor einer Woche von Malta und Italien zurückgewiesene Rettungsschiff „Aquarius“ ist gestern mit 106 Migranten an Bord im spanischen Valencia eingetroffen.

Gegen 10.30 Uhr kommt gestern Morgen endlich der rot-orange Rumpf der „Aquarius“ in Sicht. Langsam schiebt sich der 77 Meter lange Kahn mit den weißen Deckaufbauten in den Hafen Valencias, wo er an der Mole Nummer eins festmacht. Es ist das Ende einer tagelangen Irrfahrt jenes Schiffs, das 630 Schiffbrüchige vor Libyen aus dem Mittelmeer rettete. Und das dann zum Symbol einer gescheiterten europäischen Migrationspolitik wurde. Rund 250 Kilometer vor Valencia, als die spanische Insel Mallorca in Sicht kam, bricht erstmals Jubel an Bord aus. Viele recken die Arme in die Höhe. Einige tanzen, wie man auf Bildern sah, die später von den Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée an Land gefunkt wurden. Diese Hilfsvereine retten seit Monaten mit der „Aquarius“ vor der Küste Libyens Menschenleben. Aber noch nie mussten sie zehn Tage übers Mittelmeer irren, um aus dem Wasser gefischte Migranten in einen sicheren Hafen zu bringen. Vergangene Woche wurde die „Aquarius“ zum Spielball der italienischen Populisten-Regierung, welche private Rettungsschiffe aus dem zentralen Mittelmeer vertreiben will. Nachdem Italien seine Häfen sperrte, erklärte sich Spaniens neue Sozialistenregierung bereit, die Menschen in Valencia an Land gehen zu lassen. Eine Stadt der Zuflucht, die rund 1500 Kilometer und fünf lange Seereisetage vom Einsatzort der „Aquarius“ entfernt lag. Aus Sicherheitsgründen waren die 630 Geretteten vor der Fahrt nach Spanien auf drei Schiffe verteilt worden. Gegen Mittag klettern die ersten Geretteten von der „Aquarius“ herunter auf die Kaimauer. Die meisten sind Afrikaner aus den Krisen- und Armutsländern unterhalb der Sahara. Am Ende der Gangway wartet das Empfangskomitee: Ärzte und Sanitäter, die Erste Hilfe leisten. Polizisten, die Fingerabdrücke nehmen und Personalien feststellen. Rechtsanwälte, welche den Schiffbrüchigen ihre Rechte erklären. Die Anwälte müssen ihnen die bittere Wahrheit sagen: Alle Angekommenen erhalten zwar zunächst ein 45-tägiges Aufenthaltsrecht in Spanien – doch alles Weitere ist ungewiss, auch die Abschiebung ist möglich. „Sie werden so behandelt, wie alle Migranten, die bei uns eintreffen“, sagte Innenminister Fernando Grande-Marlaska. Was das konkret heißt, wird man in der Zukunft sehen. Spaniens neue Regierung hat eine menschlichere Migrationspolitik versprochen. Die Praxis in Spanien war bisher, dass nur wenige Immigranten Asyl erhielten. Weswegen viele der in Spanien Landenden es bevorzugten, sich weiter Richtung Frankreich oder auch Deutschland durchzuschlagen. Italien kündigte am Wochenende an, dass es privaten Rettungsschiffen nicht länger gestatten werde, Migranten nach Italien zu bringen. Innenminister Matteo Salvini wirft den Hilfsorganisationen vor, mit ihrer Präsenz vor der libyschen Küste die Migration anzuheizen. Die Retter lassen sich von diesen Drohungen nicht abschrecken: Man müsse „menschliche und solidarische Lösungen“ für das Migrantendrama im Mittelmeer finden, sagt in Valencia der Spanien-Chef von Ärzte ohne Grenzen, David Noguera. Die „Aquarius“ werde ihre Mission fortsetzen.

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