Kommentar Das Dialekt-Paradox: Pfälzisch ist gleichzeitig „in“ und „out“

Unverkennbar: die Pfälzer Richtungsangaben.
Unverkennbar: die Pfälzer Richtungsangaben.

Auch in 20, 30 Jahren wird noch Pälzisch gebabbelt werden. Aber von wie vielen Menschen, steht auf einem anderen Blatt. Die Indizien, wo die Reise hingeht, sind widersprüchlich.

Vor vier Jahren haben laut einer Studie des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache 43 Prozent der Deutschen von sich gesagt, sie beherrschten einen Dialekt, 57 Prozent verneinten die Frage. Die gute Nachricht: In der südlichen Hälfte Deutschlands – vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, aber auch in Rheinland-Pfalz – liegt die Dialekt-Quote deutlich höher als im Norden. Die weniger gute Botschaft: Um den Dialektnachwuchs ist es schlecht bestellt.

Die Universität Tübingen und die Eva Mayr-Stihl Stiftung haben im vergangenen Jahr für Baden-Württemberg ermittelt, dass nur noch 11 bis 15 Prozent der Erst- und Zweitklässer im Ländle Dialekt sprechen. Als Hauptgründe für den Rückgang werden in allen Studien die wachsende Mobilität der Menschen angegeben, aber auch ideologische Gründe: also im Wesentlichen das schlechte Image des Dialekts als angebliche Sprache der weniger Gebildeten. Was die Forschung ebenfalls sagt – dass sprachliche Abweichungen etwas ganz Normales sind und dass mit Dialekt und Hochsprache aufgewachsene Kinder sich in der Schule leichter tun, Fremdsprachen zu lernen –, diese Erkenntnisse setzen sich in vielen Familien nicht durch.

Erstaunlicherweise gibt es auch gegenläufige Trends. Im Internet scheint der Dialekt zu boomen – auch der pfälzische. Es gibt Gruppen auf Facebook wie „Isch babbel Pälzisch“ mit 25.000 Mitgliedern, und wer einen originellen Zugang findet wie Hirruiy Mossazghi aus Mainz auf Instagram als @Pfalz.fluencer, der hat viele Follower. Der Comedian Bülent Ceylan ist mit Pfälzisch bundesweit erfolgreich, auch in der Gastronomie und im Tourismus ist Pfälzisch „in“, zumindest in schriftlicher Form: Schilder wie „Wann’s Licht brennt, isch uff“ oder „Wanner mied sinn, huggen eich grad“ gelten ebenso als cool wie Speisekarten, in denen „Lewwerworscht“ oder „Hooriche“ angeboten werden. Ein Pfälzer Hotel verspricht, „annerscht“ zu sein, eine Sparkasse in der Pfalz bewirbt Produkte mit dem Schlagwort „Dehäm“. Ob das nachhaltige Phänomene sind oder Gags, die am Ende verpuffen werden?

Was dem Dialekt mit größerer Wahrscheinlichkeit die Zukunft sichern würde, wäre, immer wieder miteinander zu „babble“ und zu „dischbediere“, statt einfach brav immer mehr hochdeutsch zu reden und zu streiten. Einfach dran denken: Das hilft im Zweifel auch dem Nachwuchs. De goldich Krott genauso wie de Freckling un de Kafruse.

Alla dann.

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