Speyer 100 Jahre nach Separatisten-Attentat: Linke kritisiert „Familienerzählung“

Denkmal auf dem Friedhof: Gegenstand einer Debatte.
Denkmal auf dem Friedhof: Gegenstand einer Debatte.

Die Linke Speyer kritisiert die Form, in der die RHEINPFALZ über Positionen von Familienmitgliedern der „Wittelsbacher-Hof“-Attentäter vom 9. Januar 1924 berichtet hat.

Der Vorfall mit fünf Toten – darunter die beiden Attentäter – beschäftigt Speyer seit Jahrzehnten. Franz Hellinger und Ferdinand Wiesmann war es um die Tötung des pfälzischen Separatistenführers Franz Josef Heinz gegangen. Die politische Rechte stilisierte die Mörder zu Helden. 1932 wurde ein Denkmal zu ihren Ehren auf dem Speyerer Friedhof errichtet, das in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend kritisch gesehen wurde.

Anlass für die Berichterstattung war nun neben dem Jahrestag, dass die Erläuterung am Denkmal ergänzt werden soll, um die Tat besser einzuordnen. Einen Text dazu hat die Stadt 2019 auf den Weg gebracht und politisch absegnen lassen. Er soll in Kürze angebracht werden. Im Vorfeld ist ein Briefwechsel von einer Nichte und einer Großnichte Wiesmanns mit der Stadt bekanntgeworden, die den Entwurf als „empörend“ kritisierten.

Darüber hat die RHEINPFALZ ebenso wie über den Textentwurf selbst berichtet, in dem es unter anderem heißt: „Die Stadt Speyer distanziert sich heute von der damals erfolgten Ehrung. Sie will allerdings die dunklen Kapitel der Geschichte nicht einfach tilgen, sondern zur Auseinandersetzung mit ihnen aufrufen, nicht zuletzt als Mahnung für die Zukunft.“

Fakten vermisst

Partei und Ratsfraktion der Linken kritisieren nun, die RHEINPFALZ habe in ihrem Bericht vom 9. November einer „geschichtsalternativen Familienerzählung vollkommen unkritisch breiten Raum eingeräumt“. Der Artikel stellt die Abläufe des Attentats verkürzt dar und nenne nicht alle Fakten. Als Beispiel führen sie an, dass seinerzeit Teile der bayrischen Regierung das Attentat finanziell und logistisch unterstützt hätten „und letztendlich sogar beauftragten“.

Das Mordkommando habe aus „Faschisten der allerersten Stunde“ bestanden, die zum Teil Blut an den Händen gehabt hätten, sagen die Partei-Vertreter Floris Wittner (Stadtverband), Aurel Popescu (Fraktion) und Daniel Knäpple, Mitglied im Kulturausschuss.

Dass Hellinger-Nachfahrin Gudrun Weiß von „einem gewissen Stolz“ auf ihren Onkel spreche, sei für sie schwer nachvollziehbar. Er sei auch nicht jemand gewesen, der sich für „andere einbrachte und dafür mit dem Leben bezahlte“, wie eine zweite Verwandte im Text wiedergegeben wurde, sondern „Angehöriger eines faschistischen Killerkommandos“.

Linke spricht von „blankem Hohn“

Die Linke unterstützt den Text, der am Denkmal angebracht werden soll. Die Stadt habe bei dessen Erstellung nicht aus einer Laune oder gar einem „Zeitgeist“ heraus gehandelt, sondern das Stadtarchiv und den Kulturausschuss einbezogen. Wenn die Familie Blumen am Grabmal Hellingers niederlege, übersehe sie, „dass es immer ein politischer Akt ist, einem politisch rechten Attentäter zu gedenken“. Ihre Worte seien „blanker Hohn“ gegenüber Opfern des Nationalsozialismus, heißt es in der Stellungnahme. Lob gibt es darin für Werke von Matthias Spindler, Gerhard Gräber und Peter Kühn zur Aufarbeitung der pfälzischen Separatismus-Historie.

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