Rhein-Pfalz Kreis „Menschen sind fehlbar“

Um „Liebe, Ehe und Gedöns“ geht es ab heute bei den Ökumenischen Herbstgesprächen in Birkenheide. Den Anfang macht Wiltrud Ziegler. Die 58-jährige Geschichtslehrerin am Edith-Stein-Gymnasium in Speyer spricht über das Thema „Die Ehe – weltlich Geschäft und heilig Sakrament“. Warum man der Kirche dankbar sein muss, sie aber auch kritisieren darf, verrät sie im Interview.

Frau Ziegler, Sie gehen bei Ihrem Vortrag auch auf die Ehe in der Geschichte ein. Was sind die Unterschiede der Ehe heute und früher?

Damals war es eine hochpolitische Sache. Da hingen Wohl und Wehe eines Landes davon ab. Die Pfalz kann ja ein Lied davon singen, wenn Sie an die Erbfolgekriege denken. Und die Aufgabe der Frau war früher, Nachkommen zu gebären – männliche Nachkommen. Heute ist das alles entspannter. Wie wurden Ehen damals geschlossen? Die Familien haben die Partner ausgesucht. Beim Adel, wohlgemerkt. Nicht bei den „normalen“ Menschen. Wann hat sich die Kirche da eingemischt? Die Kirche hatte damit zunächst gar nichts zu tun. Wenn Sie ein Haus kaufen, brauchen Sie ja auch nicht die Kirche. Und Luther vertrat die Meinung, dass die Ehe ein weltliches Geschäft ist. Dass die Kirche Einfluss nimmt, war lange im Gespräch. Die Kleriker machten sich dann dafür stark, dass junge Leute gefragt werden, bevor sie heiraten. Sie sollten ihren Willen öffentlich bekunden mit der Konsenserklärung „Ja, ich will“ und nicht nur Objekte ihrer Familien sein. Dann müssen wir der Kirche dafür erst mal dankbar sein? Dafür schon. Sie hat den menschlichen Aspekt in die Ehe gebracht. Der Mensch wurde nicht mehr als Sache betrachtet. Wie hat sich das System weiterentwickelt? Die Idee der Eheschließung mithilfe der Kirche gab den einfachen Leuten Rechtssicherheit. Das vormals formlose Zusammensein hat einen Sinn bekommen. Irgendwann wurde es zum Brauch, dass das Paar am Morgen nach dem Vollzug der Ehe einen Dankgottesdienst besuchte. Das war aber kein Hochzeitsgottesdienst. 1139 wurde die Ehe dann zum Sakrament. Ist die Ehe überhaupt noch in? Ja. Sie schützt den schwächeren Teil der Partnerschaft, in der Regel die Frauen. Eine Frau sollte nach 20 Jahren Partnerschaft, in der Kinder erzogen wurden, nicht ohne Lebensgrundlage dastehen. Wie sehen Sie die Rolle der Kirche bei der Ehe heute? Die Ehe selbst muss das Paar mit Leben füllen. Der Segen Gottes kann da helfen, wenn die beiden Eheleute gläubig sind. Wenn sie nicht religiös sind, haben sie eine nette Feier. Warum lässt man sich heute leichter scheiden? Ganz einfach: Früher wären die Frauen, aber auch die Männer, aus jeglichem sozialen System gefallen. Wie sehen Sie die Zukunft der Ehe? Taugt sie nur noch als Steuersparmodell? Nein, das denke ich weniger. Das ist ja auch nur sinnvoll, wenn einer der Partner wesentlich mehr verdient. Eine Zukunftsprognose ist schwer abzugeben. Aber wenn man heute heiratet, sollte man es nicht aus finanziellen Gründen tun. Wie beurteilen Sie den Umgang mit Geschiedenen von Seiten der Kirche, vor allem der katholischen? Die Menschen sind fehlbar. Darauf sollte die Kirche eingehen. Es gäbe einen Weg: die Praxis, wie sie bei der Orthodoxie üblich ist. Nach der Scheidung muss ich eine gewisse Zeit warten. Dann kann ich eine Zweitehe eingehen. Das wird dann als Bußritual zelebriert. Drei Ehen sind da das Maximum. Aber das muss dann auch reichen. (Lacht) Die katholische Kirche akzeptiert diese Praxis in der alten Kirche. Das wissen die Kleriker auch. Was würden Sie der katholischen Kirche raten? Einen menschenfreundlicheren Umgang. Die Dinge funktionieren nicht perfekt auf der Erde. Jedem Mörder wird vergeben, aber wiederverheirateten Geschiedenen werden die Sakramente verweigert. Das kann für einen gläubigen Christen sehr schwer sein. Wie sieht es bei den Protestanten aus? Die evangelische Kirche hat ein ganz anderes System. Da gilt immer noch die Einstellung Martin Luthers, die ich vorhin genannt habe. Die evangelische Kirche akzeptiert die staatliche Eheschließung und gibt danach ihren Segen. Sie halten Ihren Vortrag bei den Ökumenischen Herbstgesprächen in Birkenheide. Erwarten Sie heiße Diskussionen mit den beiden Parteien im Publikum? Eher Betroffenheit. Auf beiden Seiten? Ja, weil so tief vielleicht noch niemand im Publikum in das Thema eingestiegen ist. Ich glaube, ich werde mit ein paar lieb gewonnenen Vorurteilen aufräumen. (Foto: privat)

x