Rhein-Pfalz Kreis „Begegnungen sind mein Lebenselixier“

Jawoll: Peter Kern bei der Podiumsdiskussion vor der Wahl 2010.
Jawoll: Peter Kern bei der Podiumsdiskussion vor der Wahl 2010.

«Limburgerhof.» Wenn Peter Kern einlädt, dann mit Stil. Der Gast im Bürgermeisterbüro bekommt einen Sitzplatz mit Blick auf Limburgerhof. In Wiener Kaffeehausporzellan wird Kaffee serviert, und seine Frau Claudia hat einen leckeren Käsekuchen gebacken. Für das letzte Interview in seiner Amtszeit darf der Rahmen schon ein bisschen festlich sein. Bei Kaffee und Kuchen wird also geplaudert, zurückbesonnen, werden alte Geschichten herausgekramt und bisweilen philosophiert. Herr Dr. Kern, es wird gerne erzählt, Sie hätten im Bombenkrater das Schwimmen gelernt. Stimmt das eigentlich? Ja, das stimmt. Im Bombenkrater am Böhlgraben war das. Wo liegt denn der Böhlgraben? Hinter dem heutigen Siedlerheim, dem damaligen Behelfsheim der BASF, in das wir im Dezember 1945 eingezogen sind. Der Böhlgraben lag hinter dem Haus und zog sich entlang der Bahnlinie. Das Gebiet da draußen war für uns Kinder ein Paradies. Es war für uns das, was für Kinder heute vielleicht ein Matschspielplatz ist. Wir waren barfuß unterwegs. Wir haben Stichlinge gefangen und Schmetterlinge gejagt. Eine herrliche Kindheit! Die auch religiös geprägt war? Mein Vater war in Friesenheim Obermessdiener. Meine Mutter kam aus Dannstadt und war evangelisch. Unterschiedliche Konfessionen haben und dann heiraten wollen – das war damals gar nicht so einfach. Aktiv zur Kirchenarbeit bin ich durch Pfarrer Otto Franz gekommen. Er hat mich angesprochen, ob ich nicht Kindergottesdienste und Jugendgruppen leiten wolle. Und er hat gefragt, ob ich nicht Orgel spielen könnte. Und so entwickelten sich meine Ämter immer weiter. Inzwischen bin ich seit 30 Jahren ordiniert. Das heißt, Sie dürfen Gottesdienst halten und predigen? Ja, das stimmt. Ich taufe, traue und beerdige auch. Wäre nicht Pfarrer ein guter Beruf für Sie gewesen? Ach ... ich hätte so vieles gerne gemacht. Ich wäre zum Beispiel auch gerne Förster geworden. Aber auch das Handwerk des Schreiners hat mich immer fasziniert. Ich habe deshalb auch lange in einem Sägewerk gearbeitet. Ich habe schon immer mehrere Dinge nebeneinander gemacht. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass ich Dingen auf den Grund gehen, sie tiefer erfahren möchte. Mir kommt es auf die ganzheitliche Sicht an, auf Sinntiefe. Als Bürgermeister war Ihnen stets die Seelsorge und das direkte Gespräch mit den Bürgern ein großes Anliegen. Sie haben die Besuche zu Geburtstagen und diamantenen Hochzeiten stets sehr ernst genommen. Gehören sie zu den wichtigsten Aufgaben eines Bürgermeisters? Für mich sind die Begegnungen mit Menschen Lebenselixier. Ganz besonders gerne treffe ich auf Kinder. Es ist so schön, ihre unverstellte Sicht auf die Welt zu beobachten. Die Neugier auf die Welt – ohne ein Visier. Ihre Begeisterung ist für mich ansteckend. Wenn ich auf ältere Leute treffe, interessiert mich besonders, wie sie ihr Leben gemeistert und wie sie vielleicht trotz mancher Schicksalschläge ihren Lebensmut bewahrt haben. Als Bürgermeister lernt man überhaupt viele Menschen kennen, auch bekannte Persönlichkeiten. Ich durfte zum Beispiel mal den Pianisten Justus Frantz treffen. Die Eindrücke, die ich in all den vielen Gesprächen gesammelt habe, sind eine Riesenbereicherung. Und das ist das, was bleibt. Sie waren 16 Jahre lang Bürgermeister, wie hat sich das Amt in dieser Zeit geändert? Heute ist mehr Transparenz gefordert. Wir als Verwaltung müssen mehr kommunizieren. Bürgermeister sein, ist kein hoheitliches Geschäft mehr. Der Bürgermeister ist eine Integrationsfigur – aber eigentlich war er das schon immer. Herr Dr. Kern, warum SPD und nicht CDU? Die SPD hat eine große Geschichte! Eine Geschichte der Befreiung – zum Beispiel der Frauen. Es ist eine Geschichte mit sozialen Zielen, die immer noch aktuell sind. Zur CDU kann ich sagen, dass sie hier in Limburgerhof mit Dekan Johannes Finck ebenfalls eine hervorragende Geschichte hat. Meine Mutter war in der CDU-Altenhilfe aktiv. Ich bin da also von beiden Seiten geprägt. Was meine Arbeit anbelangt, wollte ich sie auch deshalb nie unter parteipolitische Gesichtspunkte stellen. Ich wollte Brücken bauen. Und ich glaube, dass mir das auch gelungen ist. Verschiedene politische Perspektiven sind wichtig, die muss es geben, um den richtigen Weg zu finden. Aber in der Sorge um die Dinge des Lebens sind doch alle Menschen gleich. Werden Sie sich eigentlich weiter politisch engagieren? Im kommenden Jahr sind schließlich Kommunalwahlen ... Nein. Ich werde nicht mehr im Gemeinderat mitmischen. Das machen andere. Ich werde mich einfach freuen, wenn die Gemeinde Limburgerhof weiter gedeiht. Aber Sie werden in Limburgerhof präsent bleiben? Aber ja! Ich werde jetzt als Bürgermeister von vielen Leuten angehalten und wir sprechen über Limburgerhof, Gott und die Welt. Und diese Begegnungen wird es weiter geben, auch wenn ich nicht mehr im Amt bin. Vielleicht werden sie dann auch entspannter sein. Außerdem werde ich mein Klavierspiel verbessern wollen, ich werde mein Orgelspiel wieder aktivieren, mein Buch – „Streifzüge durch Limburgerhof“ – fertig schreiben. Und ich werde mein Prädikantenamt weiterführen. Ein Kindermusical werde ich zu Ende komponieren. Dass Sie mal den Lehrerberuf gegen das Bürgermeisteramt eingetauscht haben, ist eigentlich kaum zu glauben. (lacht). Auch die Zeit als Lehrer und später als Rektor einer Schule war toll und erfüllt. Das stimmt absolut. Die Welt ist so schön. Und diese Welt den Kindern zu zeigen, das finde ich spannend. Sie so ins Denken zu bringen – zum Sinn des Lebens. Was ist denn der Sinn des Lebens? Wenn man sagen kann, dass es sich gelohnt hat, zu leben. Zu erkennen, was andere mir geben oder gegeben haben. Das Leben ist mehr als chronologische Zeit, und da ist es schön zu erkennen, dass man Teil eines Großen und Ganzen ist. Zurück zum Hier und Jetzt: Was bedeutet Limburgerhof für Sie? Was ist Heimat? Limburgerhof verbinde ich in diesen Monaten mit den Kornfeldern um die Gemeinde herum und ihren Farben des Sommers. Heimat ist, ein Umfeld zu haben, in dem ich mich frei und unverstellt bewegen kann. Limburgerhof ist Limburgerhof? Eine Fusion mit Neuhofen haben Sie sich jedenfalls nie vorstellen können. Das stimmt so nicht. Neuhofen ist ein schönes Dorf, und ich habe einige Freunde dort. Es ist nur so, dass Neuhofen ein gewachsenes Dorf mit einer jahrhundertealten Geschichte ist. Limburgerhof ist ein Zehntel so alt. Die Strukturunterschiede sind zu groß, um daraus eine Gemeinde zu machen. Außerdem glaube ich nicht, dass sich diese Fusionen finanziell auswirken. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen so viel Politik gemacht worden – an der Oberfläche und unter der Oberfläche –, dass es mir die Sache gründlich verleidet hat. Michael Elster hat Ihnen damals vorgeworfen, den Bürgerentscheid manipuliert zu haben. Hat Sie das genervt? Es hat nicht gestimmt. Ich habe meine Meinung gesagt. Er auch. Ich war übrigens von der Gemeindeordnung her gefordert, eine Position abzugeben. Wie sehr hat der streitbare Geist des ehemaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden Ihre Arbeit beeinflusst? Ich habe von seinen Gedanken auch profitiert. Einige Streitfälle haben mich niedergeschlagen. Geschichte wird jedoch vorwärts erlebt und rückwärts verstanden. Ich sitze heute vor Ihnen und habe viel hinter mir lassen können. Ich bin freier geworden. Bürgermeister sein ist anstrengend. Welche Krisen hatten Sie in den 16 Jahren zu bewältigen? Im Wesentlichen sind da drei Punkte zu nennen: der Kampf, damit die Südspange nicht durch Limburgerhof gebaut wird. Der Kauf des Rathauses, für das wir eine hohe Miete zu zahlen hatten – die Verhandlungen waren zäh. Und die Neugestaltung der Jahnstraße, über die ich mich jetzt aber sehr freue. Und was ist mit dem Knatsch mit Ihrem Büroleiter Uwe Zürker, den Sie zu Anfang Ihrer zweiten Amtszeit gerne auf einen anderen Posten gesetzt hätten? Auch das war eine Krise. Die haben wir beide menschlich überwunden. Was waren die Höhepunkte in 16 Jahren Amtszeit? Die Neujahrsempfänge. Die Neujahrsempfänge? Ja! Sie sind spannend und immer gerammelt voll. Wir versuchen immer, dass das Programm einen Spannungsbogen hat, halten dabei aber auch an traditionellen Punkten fest. Die Schornsteinfeger kommen, die Heiligen Drei Könige sind da, die Purzelgarde tritt auf. Bei meiner Rede stelle ich aktuelle Themen in den Mittelpunkt. Und ich zeige immer Bilder des gerade abgelaufenen Jahres untermalt mit Musik aus dem „Glöckner von Notre Dame“. Das wirkt immer total klasse. Besonders Spaß hat mir die Begleitung am Klavier gemacht, zum Beispiel von Volker Bengl oder Silvia Körner, Gattin von Landrat Clemens Körner. Andere Bürgermeister würden an dieser Stelle erzählen, was sie alles auf den Weg gebracht und gebaut haben ... Bauen gehört dazu. Sicher. Aber Gebäude sind nur Hüllen. Es kommt darauf an, was sich drinnen abspielt. Wie beim Neujahrsempfang im Kultursaal? Genau, wenn die Bürger einer Gemeinde zusammenkommen und sagen: Es war einfach wieder schön heute. Was werden Sie im Ruhestand nicht vermissen? Den durchlöcherten Terminplan. Um 8 Uhr einen Termin zu haben, um 10 Uhr wieder, dann um 15 Uhr und samstags um 18 Uhr ... Was wird Ihnen ab morgen fehlen? Nichts. Das Amt ist erfüllt. Ich schließe ab und beginne einen neuen Lebensabschnitt. Ich habe so viele Erinnerungen im Kopf und im Herzen. Mir wird es an nichts fehlen. Was machen Sie an Ihrem ersten freien Tag? Meine Frau hat mir eine Reise geschenkt, da begeben wir uns auf die Spuren von Pater Alfred Delp. Wir fahren an den Chiemsee. Dort hat er an glücklichen Tagen bei einem Bauern gelebt und ist segeln gegangen. Oder er hat die Kampenwand bestiegen. Diesen Tagen Delps wollen wir nachspüren. Delp hat dort seine Gedanken niedergeschrieben – über den Sinn des Lebens.

Dorfansichten: Für Peter Kern gibt es kaum ein schöneres Bild von Limburgerhof und seiner Umgebung als die gold-gelben Kornfelde
Dorfansichten: Für Peter Kern gibt es kaum ein schöneres Bild von Limburgerhof und seiner Umgebung als die gold-gelben Kornfelder im Sommer.
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