Ludwigshafen „Das ist keine Wunschkoalition“
„Jamaika wird kommen – auch wenn’s schwierig ist“, sagt Ernst Merkel (67), Chef des knapp 800 Mitglieder zählenden CDU-Kreisverbands. Nachdem die SPD „viel zu früh“ erklärt habe, nicht für eine Regierungsbildung bereitzustehen, sei eine schwarz-gelb-grüne Koalition alternativlos. CDU/CSU, FDP und Grüne müssten sich zusammenraufen, ansonsten drohe eine Neuwahl. „Und das wäre das Schlimmste, was passieren könnte“, sagt Merkel. Die Schwesterparteien CDU und CSU müssten nun eine gemeinsame Marschrichtung festlegen und dann in die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition gehen. Es gebe dabei einige schwierige Knackpunkte. Vor allem die unterschiedlichen Positionen zwischen CSU und Grünen in der Flüchtlingspolitik seien ein Problem. Die Union stünde der FDP näher. „Aber mit einer guten Moderation ist das möglich. Und Angela Merkel ist darin eine Meisterin.“ Die Regierungsbildung in Schleswig-Holstein habe gezeigt, das ein solches Bündnis möglich ist. Generell sei eine Jamaika-Koalition für Deutschland besser als die Fortsetzung der großen Koalition, denn die Demokratie brauche eine starke Opposition. Wenn die SPD diese Rolle ausfülle, würden die extremen Ränder geschwächt. Merkel rechnet damit, dass die Verhandlungen über die neue Bundesregierung bis Dezember abgeschlossen sein werden. „Es wäre schön, wenn die Koalitionsvereinbarung dann von der CDU auf einem Parteitag diskutiert werden kann.“ Klar sei auch, dass die CSU wegen der anstehenden Landtagswahl in Bayern und ihrem schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl derzeit stark unter Druck stehe. Das mache die Verhandlungen nicht einfacher. „Aber ich bin gedämpft optimistisch.“ FDP: Die Inhalte zählen Schon am Sonntag hat Thomas Schell, Direktkandidat der FDP für die Bundestagswahl, an Jamaika gedacht. Ihn lockte nach der Rückkehr seiner Partei ins Berliner Parlament aber nicht so sehr die Aussicht, gleich in der Regierung mitzumischen. Der Fraktionschef im Ludwigshafener Stadtrat will nicht, dass seine FDP einfach so auf der Regierungsbank Platz nimmt, sondern betonte sofort: „Es kommt auf die Inhalte an. Wir dürfen nicht bedingungslos in eine Regierung gehen. Können wir die Ziele aus unserem Wahlprogramm umsetzen, sind wir dabei.“ Der 53-Jährige nennt als Knackpunkte ein Einwanderungsgesetz, den Komplex Bildung und Digitalisierung („Wir dürfen international nicht den Anschluss verlieren“) und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Bevor es aber an Gespräche mit Blick auf eine Koalition gehe, müssten sich CDU und CSU zusammenraufen. „Die verstehen sich ja im Moment gar nicht.“ Mit den Grünen kann sich Schell eine Zusammenarbeit vorstellen: „Das haben wir im Land ja auch geschafft. Da läuft es relativ ruhig, und man geht sehr zivilisiert miteinander um.“ Der FDP-Kreisverband mit seinen 110 Mitgliedern verfolge die Diskussionen gespannt. Aber Schell hat keine Zweifel, dass CDU und CSU ihren Disput bald beenden: „Das macht ,Mutti’, so erfahren und so machthungrig wie sie ist, wird sie den Horst schon bändigen.“ Kein Verständnis hat der FDP-Politiker für die SPD. Da sich die Genossen „total verweigern“, bleibe Union, FDP und Grünen „ja gar nichts anderes übrig“, als eine Jamaika-Koalition zu bilden. „Es heißt ja, erst das Land, dann die Partei. Wir sind die einzige Alternative der Kanzlerin.“ Grüne: Harte Diskussionen Mit „schwierigen und harten Diskussionen“ rechnet Hans-Uwe Daumann im knapp 90 Mitglieder zählenden Ludwigshafener Kreisverband der Grünen. „Jamaika – das ist keine Wunschkoalition, ich kenne kaum einen Grünen, der das positiv sieht“, sagt der Vorsitzende der Stadtratsfraktion, die er seit fünf Jahren führt. Sollte die Basis der Partei einem Jamaika-Bündnis dennoch zustimmen, dann nur unter der Prämisse, dass der grüne Markenkern im Koalitionspapier klar zu erkennen sei. „Unsere Handschrift muss sichtbar sein“, betont der 58-Jährige. Das Beispiel Schleswig-Holstein zeige, dass eine Jamaika-Koalition funktionieren könne, wenn sich die handelnden Personen buchstäblich grün sind. Das dortige Aushängeschild der Grünen, der stellvertretende Ministerpräsident Robert Habeck (48), sei auch bei den Ludwigshafener Grünen beliebt. Das größte Problem bei den Koalitionsverhandlungen im Bund, die nun unaufgeregt und in aller Ruhe angegangen werden sollten, sieht Daumann in der CSU. Die Seehofer-Truppe stehe wegen ihrer Verluste in Bayern enorm unter Druck und müsse nun liefern. Die Asylpolitik der Christsozialen und der Grünen seien aktuell nicht unter einen Hut zu bringen. Aber auch gegenüber der FDP gibt es laut Daumann gewichtige Vorbehalte wegen der Haltung der Liberalen zu Europa. „Das ist der nächste große Brocken.“