Kultur Südpfalz In der Mühle des Tingeltangels

Fünf Herren lassen die Hüllen fallen.
Fünf Herren lassen die Hüllen fallen.

Ja, tatsächlich saßen auch Männer im Publikum. Ein paar zumindest. Aber vor allem waren es Frauen, die das Parkett des Kammertheaters füllten und dem Abend mit kreischender Begeisterung folgten. Immerhin war schon der Titel des Stückes, das Intendant Ingmar Otto geschrieben und auch gleich inszeniert hat, glänzend geeignet, vornehmlich weibliche Kundschaft anzulocken: „Der Stripper“.

Dabei geht es in dieser „Liebeskomödie mit Sixpack“ vordergründig um eine pikante Beziehungskiste. Der gut aussehende Medizinstudent Johannes arbeitet abends in einer schrägen Männerstrip-Bude und vermarktet dort seinen exquisiten Körper. Leider hat er diesen pikanten Job seine braven Freundin Sissi nicht gestanden. Die erfährt davon erst durch ihre ausgeflippte Mutter, eine überdrehte Nymphomanin, die sich in einschlägigen Etablissements auskennt und in ihrem „Schwiegersohn“ den leckeren Stripper wiedererkennt. Was folgt, ist eine private Krise. Und als der frivole Sexschuppen vor dem Aus steht, muss das in der Not versöhnte Liebespaar eine Rettung finden. Klar, dass das gelingt. Allerdings ist „Der Stripper“ mit diesem schlichten Handlungsabriss nicht ganz beschrieben. Denn die „Liebeskomödie“ braucht unbedingt den Six- und Sexpack, um die erwünschte Prickel-Wirkung zu erzielen. Tatsächlich liegt hier das Hauptgewicht des Abends. Die kleinen Spielszenen sind nur der Vorwand für pikante, nicht immer ganz geschmackssichere Show-Acts, in denen fünf Herren mit geringen Variationen die Hüllen fallen lassen, sich die Hemden von der muskulösen Brust reißen, die Hosen mit energischem Griff entfernen, auch noch die knappen Slips entfernen und darunter noch knappere Slipchen enthüllen, bis ein gnädiger Black-out die letzte Steigerung unsichtbar macht. Dieses absehbare Muster verfehlt am Anfang seine Wirkung auf das genussfrohe Publikum nicht, aber in der mehrfachen Wiederholung nutzt es sich ab. Da hilft es nicht, wenn die Herren sich bei Kunstnebel und Farblicht mal als Fantasy-Krieger oder Matrosen, mal als Mönche oder Rapper entblößen und in immer neuen Reizkostümen (Matthias Stramm) auftreten. Es fehlt der monotonen Stripper-Revue, die auch in der stampfenden Choreographie von Patrick Nitschke wenig erotische Funken versprühte, je länger desto mehr an augenzwinkerndem Witz und Fantasie über „das eine“ hinaus. Die Musik von Frederic Weber, die sich bei aktuellen Charts, Evergreens und Ohrwürmern bedient, setzt hier und da vergnügliche Akzente und gibt den Darstellern Gelegenheit schmetternde Sangeskraft auszustellen. Wenn aber die Inszenierung versucht, etwa die Gewissensnöte des Paares tanzpantomimisch ins Bild zu setzen, kippt der Abend rasch in den Schwulst. Und die Alibi-Ausflüge in die Tagespolitik, bei denen Sex als Wundermittel für den Frieden propagiert und der miserable Zustand der Welt auf „untervögelte“ Machthaber zurückgeführt wird, kann das platte Stück vor seinen dramaturgischen Geburtsfehlern nicht retten. „Der Stripper“ mag einem banalen Spaßbedarf des Publikums entgegenkommen. Insbesondere die schauspielerischen Leistungen der Aufführung lassen Wünsche übrig. Seine Stärken hat das Ensemble aus musical-erprobten Darstellern eher in den Show-Nummern. Marius Becher als Johannes trägt den Abend ebenso wie Patrick Nitschke als zielstrebiger Chef Lou. Vera Weichel als betont solide Sissi hebt sich meist vom schrillen Talmi der Umgebung ab, Michaele Hanser als ihre Mutter trägt dagegen reichlich dick auf und kann auch als verruchte Transen-Diseuse Wanda Wonder nicht recht überzeugen. Mario Radosin schillert wandlungsfähig zwischen mehreren Effektstudien, auch Oliver Hoß tritt in unterschiedlichen Rollen auf, und Timo Melzer fügt sich als Strip-Eleve Ricky bruchlos ins Ensemble. Am Ende ist die Luft raus. „Der Stripper“, der allzu leichtfertig mit der Gaudi-Wurst nach der Speckseite der Damengunst wirft, gibt zu denken. INFO „Der Stripper“ ist im Kammertheater noch bis zum 1. Juli und vom 28. September bis 3. November immer von Mittwoch bis Samstag um 19.30 Uhr und sonntags um 18 Uhr zu sehen. Karten und Termine unter Telefon 0721 23111 sowie im Internet: www.kammertheater-karlsruhe.de.

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