Rheinpfalz Kandidatur für Stadtrat: 100-Jährige wird Medienstar

Lisel Heise war Stammgast im Thielwoog-Bad in Kirchheimbolanden, das 2011 seine Pforten geschlossen hat. Jetzt wagt die 100-Jähr
Lisel Heise war Stammgast im Thielwoog-Bad in Kirchheimbolanden, das 2011 seine Pforten geschlossen hat. Jetzt wagt die 100-Jährige nochmals den Sprung ins kalte Wasser – und will in die Politik gehen.

Sie ist gerade 100 Jahre alt geworden, und kandidiert jetzt für den Stadtrat in Kirchheimbolanden. Aktuell scharen sich zahlreiche Medien um Lisel Heise. Die Kirchheimbolanderin setzt sich für das Freibad ein, in dem sie bis zur Schließung 2011 regelmäßig ihre Runden zog.

„Die dpa war heute früh da, RTL kommt am Donnerstag. Sat 1 will erst im April, das ist näher an der Wahl dran.“ Sind wir in eine Wahlkampf-Zentrale geraten? Nicht doch. Holger Heise zitiert lediglich aus dem Terminkalender seiner Mutter. Lisel Heise kandidiert indes nicht für ein irre hohes Amt, sondern für den Kirchheimbolander Stadtrat, und das noch auf Platz 20 der Vereinsliste „Wir für Kibo“. Aber sie ist eben 100 geworden, sie ist wortgewandt, phänomenal fit, und sie hat eine klare Mission, die „Freibad für Kibo“ heißt. Das zusammen macht sie gerade zum Medienstar.

Lisel Heise tut also dieser Tage gut daran, ihre „Dates“ mit Journalisten, Fotografen und Kameraleuten nicht aus den Augen zu verlieren. Vorsorglich hat Sohn Holger sie auch noch mit dickem neongelbem Signalstift markiert. Er und Thomas Bock, der Vorsitzende von „Wir für Kibo“, versuchen überdies, den medialen Dauerbeschuss etwas zu entzerren, um der alten Dame zuviel Anstrengung zu ersparen. Und Lisel Heise? Ist amüsiert darüber! „Das macht so viel Spaß! Ich brauch ja nix zu schaffe, ich brauch doch bloß zu schwätze.“

Dass der politische Verein „Wir für Kibo“ um Thomas Bock die Seniorin auf seine Liste gesetzt hat, kommt einem Paukenschlag gleich. Denn damit dürfte der vermutlich ältesten Kandidatin im Bundesland und ihrer kleinen Gruppierung weitere Publicity sicher sein. Nun ist Listenplatz 20 zwar keine aussichtsreiche Position, um am 26. Mai den Sprung ins Ratsgremium zu schaffen. Doch dass Heise so weit unten nicht verharren, sondern fleißig Kreuze sammeln wird, darauf kann man wohl wetten. Wegen des für viele noch immer schmerzhaften Freibad-Verlustes im Jahr 2011.

SWR, Bild, RTL und, und, und

Heises um Generationen jüngeren Interviewer scheinen entzückt. Das SWR-Fernsehen, das den Rundfunkkollegen von SWR 4 folgte und ihren nimmermüden Einsatz für ein Freibad nebst heiter-wehmütigen Erinnerungen an den alten Thielwoog ins Zentrum rückte, sei mittags um eins mit dem Dreh fertig gewesen. „Und wissen Sie, wann sie gegangen sind? Um drei!“ Soviel gab es danach noch zu schwätzen über Gott und die Welt. Die Ausstrahlung in der Landesschau sei sogar um einen Tag verschoben worden, weil dann eine längere Sendezeit zur Verfügung gestanden hätte. „Wirklich gelungen“ lautete denn auch das einhellige Urteil all derer, die im Haus Heise zum Fernsehgucken am vergangenen Freitag versammelt waren.

Die Bild-Zeitung hatte sich, offenkundig nach der Morgen-Lektüre des RHEINPFALZ-Beitrags an Lisel Heises 100. Geburtstag, unverzüglich zur Recherche nach Kirchheimbolanden begeben. Unangemeldet, dafür versöhnlich mit Blumen klingelten Autor und Fotograf an der Haustür. Lisel Heise nahm’s mit Humor: „Es war ja Tag der offenen Tür bei mir. Und es war gerade niemand anderes da.“ Die größte „Sensation“ des Tages, das Gesangsständchen von 500 Schülern der Realschule plus, hatte das Boulevardblatt zwar verpasst, dafür einen krönenden Moment im Bild eingefangen: Lisel Heise mit „Happy birthday“-Diadem. Und der Stadtratskandidatin investigativ außer ihrem großen Thema Freibad noch zwei weitere politische Sehnsuchts-Ziele entlockt: nämlich einen Stadtkern ohne Autos und eine Disco „für die jungen Hüpfer“. „Geschennt“ hätte sie in ihrem Leben ja oft genug über die Zeitung mit den Großbuchstaben, aber die zwei Abgesandten waren ihr sympathisch, muss sie zugeben: „Wir hatten gute Gespräche.“

Als sie am Montag mit Fotograf und Textautor der größten deutschen Nachrichtenagentur dpa zusammentraf, spielte das Freibad mal keine so große Rolle. „Wird ja auch langweilig“, hat Lisel Heise dafür vollstes Verständnis. Stattdessen konnte sie, die Ur-Kerchemerin, mit einer Führung durch die Altstadt punkten und ist nun gespannt, was die beiden draus machen. Mit dem „Redaktions-Netzwerk Deutschland“ hatte sich zudem ein weiterer großer Dienstleister im Medienbereich zum Telefoninterview angekündigt, der regionale Tageszeitungen beliefert. Auch dieser Termin natürlich mit Signalstift dick markiert im Kalender. „Du musst unbedingt ans Telefon gehen, wenn es um 12 klingelt, so ist es ausgemacht“, schärft der Sohn der Mutter nochmals ein. Um mit einem nicht wirklich ernst gemeinten Stöhnen hinzuzufügen: „Als hätt’ man nix anderes zu tun, als zu schauen, dass kein Termin untergeht. Aber sie hat ja solchen Spaß dran.“

Und wieder soll gefilmt werden: RTL plant für sein Magazin „Life – Menschen, Momente, Geschichten“ einen Beitrag über die Hundertjährige, die in den Stadtrat will. Danach, so sieht es zumindest im Moment aus, ist erst mal Sendepause bis April, wenn Sat 1 die frühere Lehrerin in Szene setzen will – als womöglich älteste Stadtratskandidatin bundesweit.

Auch auf Russisch und Kroatisch

Übrigens schaffte es Lisel Heise auch in weniger bekannte, ja, in echte Nischen-Kanäle der Medien-Branche: Dass das Internet-Portal „Nordbayern“ der Nürnberger Zeitungen unter der Rubrik „Kurios“ auf den Einstieg einer Hundertjährigen in die Kommunalpolitik verweist – geschenkt! Ein Leserkommentar bescheinigt Lisel Heise „Frauenpower pur“. Auf zwei weiteren Internet-Portalen kann man sich den Inhalt von Kurzmeldungen über die Kirchheimbolanderin nur einigermaßen zusammenreimen, denn der „Rusverlag“ und das „Fenix-Magazin“ bedienen ihre an Deutschland interessierten „User“ auf Russisch beziehungsweise Kroatisch. Aber eines verstehen wir voll und ganz: Lisel Heise, 100, Kirchheimbolanden, ist nicht nur bundesweit bekannt, sie ist auch international geworden. Und Kirchheimbolanden ein bisschen mit ihr.

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