Kreis Kaiserslautern „Gemeinsam sind wir stärker“

Das Industriegebiet Nord von Siegelbach aus gesehen: Die Erweiterung des ursprünglichen Areals war ein interkommunales Projekt,
Das Industriegebiet Nord von Siegelbach aus gesehen: Die Erweiterung des ursprünglichen Areals war ein interkommunales Projekt, bei dem Stadt, Verbandsgemeinde Weilerbach und Ortsgemeinde Rodenbach einen Kooperationsvertrag geschlossen hatten.

Was ist noch möglich in Sachen Industrie-, Gewerbe- und Konversionsflächen in der Region? Das wollten Stadt und Landkreis Kaiserslautern mit einer gemeinsamen Potenzialstudie herausfinden, die unter Federführung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFK) erarbeitet wurde. Darüber und über die Entwicklung bei den Industrie- und Gewerbegebieten sprach Sabrina Zeiter mit Landrat Ralf Leßmeister und WFK-Geschäftsführer Philip Pongratz.

Wie sieht es derzeit aus in den Industrie- und Gewerbegebieten, können Ansiedlungswünsche noch erfüllt werden? Pongratz:

Es wird eng. In den Gewerbegebieten können nur teilweise noch Angebote unterbreitet werden. Das Areal Am Froschpfuhl in Bruchmühlbach-Miesau mit über drei Hektar ist zum Beispiel komplett verkauft, so gut wie alle Flächen sind auch im zehn Hektar großen Dienstleistungs- und Gewerbepark Hochspeyer weg. Im Ramstein-Miesenbacher Bereich Am Wasserturm gibt es dagegen noch Flächen, und im Gewerbepark Sembach können wir vereinzelt noch kleinere Flächen anbieten. Nicht jeder Betrieb darf aber in ein Gewerbegebiet. Das hängt auch von den Auswirkungen auf die Umwelt ab, etwa von Lärmemissionen. Wird eine Firma rund um die Uhr von Lastwagen angefahren, muss sie ins Industriegebiet, das weiter von einer Wohnbebauung entfernt liegt. Bei den Industriegebieten ist die Situation schon dramatischer als bei den Gewerbegebieten: Weder im Industriezentrum Westrich in Ramstein-Miesenbach noch im Industriegebiet Nord sind noch größere Flächen ab sechs, sieben Hektar frei. Im Hühnerbusch, der auf Rodenbacher Gemarkung gelegenen Erweiterungsfläche des IG Nord, sind die Flächen kleiner, bis maximal 1,4 Hektar. Lediglich im dritten Industrieareal im Kreis, in Sembach, sind jetzt noch rund 13 Hektar frei geworden – aber nur weil eine Reservierung zurückgezogen wurde. Leßmeister: Und genau wegen dieses Bedarfs wurde die Potenzialstudie in Auftrag gegeben. Umso wichtiger war es dabei, eine interkommunale Analyse zu machen. Denn wenn Stadt und Kreis nicht beim Industriegebiet Nord zusammengearbeitet hätten, hätte man das in Bezug auf Fläche und Größe nicht wie in der heutigen Form hinbekommen. Ist die Nachfrage nach Flächen in den vergangenen Jahren größer geworden? Pongratz: Der Wirtschaftsaufschwung ist auch in der Region angekommen. Im Kreis gibt es rund 25.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, einige tausend Arbeitnehmer sind in den drei großen Industriegebieten tätig. Wir merken vor allem, dass Logistikfirmen verstärkt nach Flächen nachfragen, die aus dem Rhein-Main-Neckar-Gebiet stammen. Nachfragen von Investoren, die Flächen erwerben und darauf für künftige Interessenten auf Vorrat bauen wollen, hatten wir vor Jahren zudem noch gar nicht. Leßmeister: Das liegt auch daran, dass wir eine hervorragende Angebotsstruktur vorweisen können, etwa der Kaufpreis pro Quadratmeter, die Breitband- und infrastrukturelle Anbindung. Über die WFK achten wir bei potenziellen Neuansiedlungen darauf, dass möglichst viele Arbeitsplätze entstehen. Ein Logistiker, der viel Fläche beansprucht, aber nur drei Staplerfahrer braucht, ist da nicht sehr attraktiv. Produzierendes Gewerbe hier anzusiedeln, ist jedoch nicht so einfach. Woran liegt das? Pongratz: Das ist in der ganzen Bundesrepublik schwierig. Das Lohnniveau in Deutschland ist im internationalen Vergleich recht hoch, das produzierende Gewerbe muss sich in einer globalisierten Welt gegen Bewerber aus China oder anderen Ländern durchsetzen. Die Wachstumsraten stagnieren oft. In den Industriegebieten im Landkreis handelt es sich deswegen häufig um Umsiedlungen, Erweiterungsvorhaben: Bereits bestehende Firmen wollen expandieren, stoßen aber an ihrem bisherigen Standort an ihre Grenzen und brauchen eine neue Fläche. Wo neue Reserveflächen entstehen könnten, war eine der Fragen, die in der Studie eine Rolle spielten. Die Empfehlung lautet: Neue Flächen sollten bei schon bestehenden Standorten entstehen, also etwa im Umfeld des Industriegebiets Nord. Was halten Sie davon? Pongratz: Wir haben ja eine optimale Verteilung der Industriegebiete. Im Osten gibt es den Gewerbepark Sembach, im Westen das Industriezentrum Westrich und dazwischen das Industriegebiet Nord. Im südlichen Landkreis sind wegen der Topographie große Industriestandorte mit 15 Hektar Fläche einfach nicht möglich. Neue Areale im Umfeld von schon bestehenden Industrie- und Gewerbearealen zu erschließen, ist umweltverträglicher und auch kostengünstiger. Infrastruktur wie Internet oder Wasser- und Abwasserkanäle ist schließlich schon vorhanden. Wir haben nun alle drei Fortentwicklungen im Blick. Wenn wir das Thema jetzt angehen, stünden idealerweise in circa drei Jahren neue Flächen zur Bebauung zur Verfügung. Generell hat die Studie auch untersucht, wo am schnellsten etwas umgesetzt werden könnte, was aber nicht heißen muss, dass ganz neue Industriegebiete ausgeschlossen sein müssen. Leßmeister: Die Studie ist ein Vorschlag, der erst operativ umgesetzt werden muss. In ihr wurden drei große Cluster hervorgehoben, bei denen man die besten Chancen für neue Standorte sieht. Das heißt aber nicht, dass nicht auch weitere Industrie- und Gewerbeflächen in die Umsetzung gehen können. Entscheidend ist zunächst, die erforderlichen Flächen schnell zu realisieren. Die Studie dient der Planungsgemeinschaft Westpfalz als Planungsgrundlage, die sich nun in der Folge um die Fortschreibung des Regionalen Raumordnungsplans kümmert. Die Flächen sollen damit möglichst restriktionsfrei erschlossen werden können. Das heißt, dass bereits im Rahmen der Studie unter Beteiligung von Experten und Fachbehörden eine Restriktionsanalyse und Eignungsbewertung vorgenommen wurde, um zukünftig aufwendige Zielabweichungsverfahren zu vermeiden. Im Zuge der Studie wurde auch ein Konversionskataster erstellt. Versprechen Sie sich denn Flächenreserven durch frei werdendes militärisches Gebiet? Leßmeister: Das ist wohl eher ein mittel- bis langfristiges Ziel. Da die betreffenden Flächen meist jahrzehntelang der kommunalen Planung entzogen waren, gestaltet sich die Willensbildung über eine neue zivile Nutzung oft schwierig und dauert häufig mehrere Jahre. Pongratz: Schnelle Erfolge sind nicht zu erwarten. Die Verhandlungen mit den Amerikanern sind da nicht abschätzbar. Gleichwohl war ja schon die militärische Konversion des Sembacher Gewerbegebietes erfolgreich. Wie sieht es nun mit der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gebietskörperschaften aus – sollte sie gestärkt werden? Leßmeister: Ja, auf jeden Fall! Mit der gemeinsamen Wirtschaftsförderungsgesellschaft haben Stadt und Landkreis eine sehr gut funktionierende interkommunale Organisationsform, die auch weitergehende Planungs- und Koordinationsaufgaben in diesem Zusammenhang übernehmen könnte. Pongratz: Die WFK gibt es seit über 20 Jahren, alles klappt sehr gut. Die Zusammenarbeit beim IG Nord, wo ein zusammenhängender Standort auf Stadt- und Kreisgebiet entstanden ist, war sozusagen ein Versuchsballon, ein Startschuss: Erstmals wurde solch ein Projekt gemeinsam gestemmt und vermarktet. Die Zusammenarbeit war hervorragend, so wurden Erschließungsmaßnahmen und Bauarbeiten zum Großteil gemeinsam durchgeführt. Leßmeister: Solche Projekte sind absolut sinnvoll. Wenn ein Gebiet über administrative Grenzen hinweg als Ganzes vermarktet wird, hat man eine ganz andere Verhandlungsposition. Diese Beispiele zeigen im Übrigen, wie man interkommunal hervorragend kooperieren kann – sozusagen ein schlagkräftiges Argument gegen auferlegte Zwangsfusionen und aus meiner Sicht die wesentlich bessere Alternative für Reformgedanken. Pongratz: Gemeinsam sind wir stärker.

Haben die Potenzialstudie zu den Industrie- und Gewerbegebieten im Blick: Philip Pongratz, Geschäftsführer der Wirtschaftsförder
Haben die Potenzialstudie zu den Industrie- und Gewerbegebieten im Blick: Philip Pongratz, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (links), und Landrat Ralf Leßmeister.
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