Kreis Kaiserslautern Eingekreist:

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Als ich am vorigen Sonntag zur Arbeit im Redaktionsbüro erschien, setzte mich die Kollegin über eine geheimnisvolle Nachricht der Ersten Kreisbeigeordneten Gudrun Heß-Schmidt in Kenntnis. Die aus der Elefantengemeinde Enkenbach-Alsenborn stammende Politikerin, die im Vorjahr von einer Wespe drangsaliert worden war, informierte über das ungewöhnliche Auftreten einer „seltenen und sehr großen Geierschildkröte“ in Rodenbach, die „zirka einen Meter lang und 80 Kilo schwer“ sei. „Ich habe sie“, so ließ die Beigeordnete ihre Entscheidungskompetenz in Schildkrötenfragen aller Art anklingen, „sicherstellen lassen“. Kurz darauf tauchte besagtes Reptil auch in einer Pressemitteilung des Lauterer Polizeipräsidiums auf. Dort allerdings wurden die Maße des „größeren Tiers“ mit „circa 50 bis 70 Zentimetern Durchmesser“ angegeben. Aufgrund dieser beiden Verlautbarungen verfertigte die Kollegin eine Meldung, die in der Montagsausgabe der RHEINPFALZ erschien und sofort in diversen Internet-Foren ausführlichst erörtert wurde. Eine Kreisbeigeordnete, eine RHEINPFALZ-Redakteurin, eine unter weiblicher Leitung stehende Polizeipressestelle, mittendrin ich armer, gänzlich schildkrötenunerfahrener Mann. Allerdings drang der Vorfall erst wieder zu mir durch, als sich eine der mitteilungsfreudigsten Internet-Nutzerinnen zu Wort meldete. Die Weilerbacher Bürgermeisterin Anja Pfeiffer teilte mit, dass es ein männlicher Schildkröt namens „Horst“ sei, der da von Rodenbach in den Lauterer Zoo verbracht worden war. Auch seien die Körpermaße des Kriechtiers weniger ehrfurchtgebietend als berichtet, was die Frau Bürgermeisterin auf unverlässliche Zentimeter-Schätzungen von Menschenmännern zurückführte. Es war allerdings ein Mann, der im Siegelbacher Zoo die exakten Maße des Fundtiers feststellte. Demnach ist der Panzer des − jetzt als Schnappschildkröte identifizierten − Wechselblüters 40 Zentimeter lang, bei Addition von Kopf und Schwanz „höchstens 80 Zentimeter“. Seit Dienstag hält sich das Tier im Reptilium Landau auf, wo seine Daten mit 1,10 Meter und 18 Kilo veraktet sind. Aber wie dem auch sei, der „Horst“ hat uns wohl einen ganz schönen Schildkrötenbären aufgebunden. Wie der wunderbare Michael Ende, der in seinem Buch von „Jim Knopf und Lukas, dem Lokomotivführer“ einen „Scheinriesen“ namens Turtur auftreten lässt. Dieser wirkt aus der Ferne groß und bedrohlich. Aber je näher er kommt, desto deutlicher wird seine Winzigkeit − und seine im Grunde liebenswerte, hilfsbereite und rücksichtsvolle Wesensart. Aber bleiben wir noch ein wenig bei den Kommunal-Kriegerinnen und Argumentations-Amazonen. Gudrun Heß-Schmidt gehört nicht zu den Enkelinnen von Penthesilea, Hyppolite und Otere. Bei der Lektüre missliebiger RHEINPFALZ-Beiträge beispielsweise setzt sie eher auf Talleyrand’sche Geheimdiplomatie und Mittelsmann-Beschwerden. Schon eher lässt sich Anja Pfeiffer als berittene Bogenschützin vorstellen, obwohl sie bedarfsweise auch wirkungsvoll das zirpende Unschuldslämmlein gibt. Barbara Schommer, die Ortsbürgermeisterin von Martinshöhe, weiß gleichfalls die komplette Klaviatur kommunalpolitischer Klimm- und Konterzüge zu bedienen. Von hascherlzart bis hammerhart kann sie alle Attribute des Weiblichen ausspielen, wenn es darum geht, für Martinshöhe, die SPD und/oder die Verbandsgemeinde Bruchmühlbach-Miesau zu kämpfen. Wie einst die Amazonen-Königin Thalestris gegen Alexander den Großen focht, wagte die bravouröse Barbara sogar Widerstand gegen den allmächtigen Verbandsbürgermeister Werner Holz − ein denkwürdiges, unvergessliches Tête-à-tête zweier zu allem entschlossener Parteigenossen mit wenig genossenschaftlichen Zielen. Momentan ist sie mit der Vorbereitung des Martinshöher Dorffests befasst. Aber ums Haar wäre die Veranstaltung ausgefallen, weil Orts- und Verbandsgemeinde mit dem Musikverein um den Verbleib eines „Stuhlwagens“ − vulgo: Sackkarre − stritten. Die VG zitierte den Verein sogar vor Gericht, zog ihre Anzeige dann aber zurück. Vermutlich wie Myrina, die eine Amazonentruppe auf Expedition nach Lybien führte, durchsuchte Barbara Schommer die unerforschten Gegenden von Martinshöhe, um der verschwundenen Sackkarre habhaft zu werden. Ach, wäre ich doch dabei gewesen! Genug der Mythologie. Kehren wir zurück in eine Wirklichkeit, so komplex und wirr, grausam und unmenschlich, gewalttätig und katastrophengeschüttelt, dass wir es kaum noch in Worte fassen können. In jeder Ecke der Welt brennt und schießt es, Sintflut und Feuerregen, Leid und Hunger allenthalben. Der Mensch ist endgültig des Menschen Wolf geworden. Wo er nicht seinesgleichen quält, tut er seiner Umwelt so lange Gewalt an, bis sie mit aller Wucht zurückschlägt. Wenn wir über Krieg und Flucht, Massenmord und Hungersnot, Unterdrückung und Intoleranz, Naturkatastrophen und Unglücksfälle reden, verbietet sich jedwede Ironie von selbst. Als anno 1780 die deutsch-römische Kaiserin Maria Theresia starb, rief ihr mein wunderbarer und gottesfürchtiger Kollege Matthias Claudius folgende Zeilen nach: „Sie machte Frieden! Das ist mein Gedicht./ War ihres Volkes Lust und ihres Volkes Segen,/ Und ging getrost und voller Zuversicht/ Dem Tod als ihrem Freund entgegen./ Ein Welt-Erob’rer kann das nicht.“ Deshalb ein aufrichtiges, tief empfundenes Wort des Respekts, der Bewunderung und der Sympathie für alle, die sich um einen kleinen Beitrag wider das Böse in der Welt bemühen. Weil es heute vorrangig um Frauen ging, möchte ich Ihren Blick auf die landeskirchliche Gruppe „Frauen wagen Frieden“ lenken. Sie beteiligt sich an der Menschenkette, die heute Nachmittag zwischen Kindsbach und Ramstein gegen Krieg und Gewalt demonstriert. Diesen Frauen schicke ich heute einen besonderen Gruß. Möge ihnen, möge allen Kämpfer(inne)n für den Frieden ein baldiger und dauerhafter Erfolg beschieden sein!

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