Kreis Germersheim Rheinüberquerung der französischen Armee

Lingenfeld. Gemeinsam mit der 7. US-Armee landeten französische Verbände am 15. August 1944 an der französischen Mittelmeerküste und stießen – den US-Truppen folgend – die Rhone entlang nach Norden vor. Im Frühjahr 1945 hatten US-Truppen zuerst bei Remagen am 11. März, dann bei Oppenheim nördlich Worms am 29. März den Rhein überschritten und drängten die noch bestehenden Verbände der Wehrmacht auf breiter Front zurück.

Nach Einschätzung von General Charles de Gaulle hatten die Amerikaner den französischen Truppen bei der Zerschlagung des III. Reiches lediglich eine untergeordnete Rolle zugedacht. Für ihn war entscheidend, ebenfalls rechtsrheinisch zu operieren und somit die Voraussetzung für eine wesentliche französische Beteiligung am Sieg der Alliierten zu schaffen. Aufgrund des hohen Angriffstempos der US-Truppen, die bereits rechtsrheinisch nach Süden vorstießen, erteilte er Général Jean de Lattre de Tassigny den Auftrag, schnellstmöglich einen eigenen Rhein-Übergang der französischen Armee zu erzwingen, wenn nötig, gegen den Willen der Amerikaner. Général De Lattre wurde von US General Devers ein Streifen entlang des Stromes von der Reichsgrenze bis nördlich Speyer zugewiesen und er befahl Général Monsabert den Rhein in der Nacht vom 30. auf 31. März 1945 zu überqueren. Wichtig war, dass der „Westwall“ etwa auf Höhe des badischen Rheinsheim endete. Ein Übergang über den Rhein nördlich dieses Ortes versprach also weniger Widerstand durch die deutschen Verteidiger. Eine Erkundung möglicher Übergangsstellen auf der Karte ergab bis zu diesem Zeitpunkt, dass es sowohl diesseits als auch auf dem jenseitigen Ufer Altrheinarme mit dichtem Auwaldbestand gab. Der Rhein hat in diesem Abschnitt eine Breite von etwa 250 Metern. Vier Übergangsabschnitte waren festgelegt: Im Norden bei Speyer, in der Mitte bei Mechtersheim und Germersheim sowie im Süden bei Leimersheim. Der damalige Hauptmann und spätere General Rémond Perdu dokumentiert in seinem Erfahrungsbericht die Vorbereitung und Durchführung des erzwungenen Übergangs („Franchissement de vive force“) unter enormem Zeitdruck. Die Erkundung von zwei Uferabschnitten hatte folgendes Ergebnis: Der Abschnitt zwischen Lingenfeld und Mechtersheim war leicht zugänglich. Übergangsmittel konnten unter Ausnutzen des natürlichen Sichtschutzes über einen Altrheinarm herangeführt werden. Der Abschnitt bei Germersheim war dagegen offenes Gelände, was das Zuwasserbringen der Boote sowie das Einschiffen der Übergangstruppe schwierig machte. Der Ausbildungsstand der Sturmbootführer insgesamt war allenfalls ausreichend. Bei Speyer gelang die Überraschung des Gegners mit dem Einsatz von Schlauchbooten, womit erste Infanteristen unter Ausnutzung der Dunkelheit unbemerkt das badische Ufer erreichten und bis 8 Uhr mit zwei Kompanien einen kleinen Brückenkopf bilden konnten. Widerstand gab es dort auch deshalb kaum, weil die deutschen Verbände gegenüber den von Norden angreifenden US-Truppen bereits teilweise zurückgenommen waren. Dagegen kam es im mittleren Abschnitt zu erheblichen Problemen. Die deutschen Verteidiger auf dem badischen Ufer gegenüber – im Bereich des heutigen Kernkraftwerks – hatten sich in Feldstellungen zur Verteidigung eingerichtet. Flachfeuer auf das offene Gewässer mit schweren Maschinengewehren und leichten Flugabwehrkanonen im Erdkampfeinsatz sowie Steilfeuer mit Mörsern und 8,8-Geschützen sollten einen Angriff über den Rhein verhindern. Die ersten 12 Boote legten ab und mit Erreichen der Altrheinmündung wurden die Motoren angeworfen, wobei aber nur 7 ansprangen. Beim Durchqueren der Mündung eröffneten die deutschen Verteidiger auf dem badischen Ufer das Feuer. Sie wurden unterstützt durch versprengte, oder auch zurückgekehrte deutsche Soldaten, die von der „Dreiecksinsel“ an der Mündung des Lingenfelder Altrheins aus die Boote in der Flanke und von hinten beschossen. Kein Boot der ersten Welle gelangte auf das jenseitige Ufer. Nach Ausschaltung der deutschen Soldaten auf der „Dreiecksinsel“ fuhr um 14.30 Uhr die 2. Welle los. Von 9 Booten kamen 2 über den Strom. 13 Soldaten versuchten die Kampfstände der Deutschen anzugreifen und auszuschalten. Um 18.45 Uhr startete die 3. Welle mit 5 Booten, von denen 4 versenkt wurden. Von 48 Soldaten des 151. Infanterieregiments, die an dieser Stelle überhaupt auf das jenseitige Ufer gelangten, fielen 10 und 30 wurden verwundet. Das II. Bataillon dieses Regiments verlor am 31. März 1945 139 Mann (88 Gefallene und 51 Verwundete). Etwas weiter südlich waren um 3 Uhr zwar alle Boote einsatzbereit im Wasser, aber der geplante Angriffsbeginn um 5 Uhr musste um 1 Stunde verschoben werden. Die Deutschen waren durch den Lärm der Vorbereitungen alarmiert und gleichzeitig waren die Sichtverhältnisse für sie besser geworden. Der Grund für die Verschiebung: Die Infanteristen, die für die 1. Welle der Übergangstruppe vorgesehen waren, hatten einen falschen Anmarschweg genommen und befanden sich auf der „Insel Grün“. Auch an dieser Übergangsstelle sprangen einige Motoren nicht an, die Boote gerieten in heftiges Abwehrfeuer und nur 3 von 12 gestarteten Booten setzten die ersten 30 Mann über. Von 15 Booten der 2. Welle – ab 7.40 Uhr – war etwa die Hälfte an das badische Ufer gelangt. Gemäß dem Erfahrungsbericht des Hauptmannes Perdu erfolgte ab 9 Uhr ein geordneter Uferwechsel, der nach und nach Verstärkung auf das feindliche Ufer brachte. Unter Feuer konnte bis 12 Uhr ein Bataillon übergesetzt werden. Um 15 Uhr war das deutsche Feuer ausgeschaltet. Ab 17 Uhr setzten 2 weitere Bataillone über; unter ihnen befand sich Général de Lattre de Tassigny. Die Ablösung von Hauptmann Perdus Kompanie erfolgte um 24 Uhr. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte seine Einheit 6 Gefallene oder Vermisste und 14 Verwundete zu verzeichnen. Am 1. April 1945 erhielt Hauptmann Perdu den Befehl, mit dem Rest seiner Kompanie den Rhein-Übergang der 9. Kolonial-Infanteriedivision bei Leimersheim zu unterstützen. Die Kompanie verlegte ab 20 Uhr von Lingenfeld nach Leimersheim, wo sie um 22 Uhr eintraf. Obwohl beim Angriff über den Rhein am folgenden Tag insgesamt 17 Gefallene und 40 Verwundete an Verlusten zu verzeichnen waren, verlief die Operation aufgrund der zuvor gemachten Erfahrungen wesentlich reibungsloser. Im Übergangsabschnitt bei Mechtersheim gelang es nach stundenlangem Bemühen, ein Stahlseil am jenseitigen Ufer zu befestigen und diesseits auf sumpfigem Untergrund mit der Winde eines Lkws für den Einsatz einer Seilfähre zu spannen. In der Folge wurden erste Gefechts- und Führungsfahrzeuge auf das badische Ufer gebracht. Der Übergang bei Speyer erfolgte unter deutlich geringerem feindlichem Widerstand. Bereits am 31. März 1945 um 23 Uhr konnte dort mit dem Bau einer 10-Tonnen-Schwimmbrücke begonnen werden. Der erzwungene Rhein-Übergang am Osterwochenende 1945 durch die 1. Französische Armee hatte die Voraussetzung für den Angriff französischer Kampftruppen auf rechtsrheinischem Reichsgebiet geschaffen. In der Folge stießen diese Kräfte nach Süden vor, nahmen Karlsruhe und Stuttgart, wobei zu erwähnen ist, dass sich Général Montsabert auf Anweisung de Gaulles weigerte, seinem amerikanischen Vorgesetzten, General Devers, die Stadt Stuttgart zu übergeben. Bei Kriegsende waren Süd- und Vorderpfalz, das Gebiet des heutigen Baden-Württemberg sowie Teile von Vorarlberg und Tirol französisch besetzt. Die „Grande Nation“ hatte sich damit ihren Platz unter den Siegermächten unter hohen Verlusten erkämpft, zählte zu den Besatzungsmächten, hatte erheblichen Einfluss auf die Nachkriegsordnung und ist bis heute ständiges Mitglied des Weltsicherheitsrates.

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