Donnersbergkreis Albtraum statt Wunderland

Alice (Hannah Böhl, vorne) fällt nach einem Sturz von der Leiter ins Koma und erlebt in diesem Zustand eine dämonische, erschrec
Alice (Hannah Böhl, vorne) fällt nach einem Sturz von der Leiter ins Koma und erlebt in diesem Zustand eine dämonische, erschreckende Welt.

Eine Alice, die Jugendsprache spricht, ein aus sechs Persönlichkeiten bestehendes Kaninchen und zwei Synchronschwimmer in einem Tränensee – seit zwei Wochen probt das Wormser Nachwuchsensemble Nibelungenhorde an seinem neuen Stück. Durch die eigene Interpretation der Jugendlichen wurde Lewis Carrolls Stück „Alice im Wunderland“ zu „Wer zum Teufel ist Alice?“. Am Mittwoch, 17. Juli, wird es um 20 Uhr im Lincoln-Theater aufgeführt.

Ein Albtraum. So erscheint Alice (Hannah Böhl) die dämonische Welt, die sie nach einem Sturz von der Leiter im Koma erlebt. Und die unförmigen Gestalten, die ihr dort begegnen, machen es ihr nicht einfacher. Vielmehr wird auch Alice mit der Zeit verrückt. In den überspitzten Figuren ist von den Darstellern fast nichts mehr zu erkennen. Angelehnt an Jacques Lecoqs Bouffon-Figuren sollen die Jugendlichen durch die Auspolsterungen ihrer Kostüme an Narren erinnern. Diese spezielle Art der Kleidung und die weiße Schminke in den Gesichtern soll die Illusion der Dämonen in Alices Kopf stärken. Vor 13 Jahren rief Astrid Perl-Haag die Ferienveranstaltung für jugendliche Amateurschauspieler im Kulturprogramm der Nibelungen-Festspiele ins Leben. Der Schatz der Nibelungen, der Nibelungenhort, habe sie bei der Namensgebung inspiriert, sagt Perl-Haag. Seit 2006 können Jugendliche aus Worms und Umgebung ab 14 Jahren mit Trainern lernen, wie man vor Publikum selbstbewusst auftritt und das Lampenfieber überwindet. Grammatik der Füße Richard Weber ist bei „Wer zum Teufel ist Alice?“ für die Choreografie zuständig. Jannis Spengler kümmert sich um das Suzuki-Körpertraining, das auch „Grammatik der Füße“ genannt wird. Es geht auf den japanischen Regisseur Tadashi Suzuki zurück, der diese dynamische Gruppenübung in den 1980er-Jahren für seine Schauspieler entwickelt hatte. Josh Maccoy ist für Gesang und Songwriting verantwortlich, Johanna Graen kümmert sich um das Sprech- und Stimmtraining der Jugendlichen. „Habe Mut zur Hässlichkeit“, antwortet Marika Fürst auf die Frage, was sie bei der Nibelungenhorde gelernt hat. Die 24-Jährige spielt die Rote Königin. Regisseur Uwe John ist seit der Gründung der Jugendgruppe dabei. Das Thema des Stücks haben sich die Jugendlichen in diesem Jahr selbst ausgesucht. John gibt dem Ganzen lediglich einen Rahmen vor. Dazu ließ er sich auch von Szenen aus zwölf anderen Stücken inspirieren. Den letzten Schliff verleihen dem Stück die Jugendlichen selbst. Sie haben unter anderem das Ende geschrieben. Während der Proben wurde viel improvisiert und an den Szenen gefeilt. Wie beim Zaubertrank, der Alice in einem Kaffeebecher serviert wird. Den hatte eine Darstellerin auf die Bühne geschmuggelt. Nach allgemeinem Gelächter wurde der ironisch gemeinte Vorschlag angenommen. Die Situation zeigt anschaulich die Arbeitsweise der Gruppe: Durch das Zusammenspiel von Trainern, Regisseur, Gruppenleitung und den Jugendlichen entsteht mit der Zeit das fertige Stück. „Es macht genauso große Freude, mit den Jugendlichen zu arbeiten wie mit Profis“, betont Regisseur Uwe John. Lust, sich selbst zu erfahren Qussai Zahraa, ein syrischer Flüchtling, ist schon im vierten Jahr dabei. Der 21-Jährige berichtet, dass er durch das Theater nicht nur seine Deutschkenntnisse verbessert, sondern auch gelernt hat, seine Gedanken besser zu kontrollieren. „Dafür opfere ich gerne meine Ferien“, sagt Lucie Belan begeistert, die mit elf Jahren das jüngste Mitglied der Horde ist. Belan wurde von Gesanglehrer Josh Maccoy empfohlen. Der Besuch der Medienprobe der Nibelungen-Festspiele am Mittwochabend war für viele der Jugendlichen ein Höhepunkt der Veranstaltung. Wer bei der Horde mitmachen wolle, benötige nur „Lust darauf, sich selbst zu erfahren und zu entdecken – mehr nicht“, meint Perl-Haag. Termin „Wer zum Teufel ist Alice?“ ist am Mittwoch, 17. Juli, 20 Uhr im Lincoln-Theater Worms zu sehen. Einlass ist ab 19 Uhr. Tickets kosten zehn Euro an der Abendkasse.

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