Kaiserslautern Wider den tierischen Ernst

Was war nur los am Samstag im SWR-Studio?! Pleiten, Pech und Pannen am laufenden Band. Vergleichbar mit Loriots Sketch als Bühnenarbeiter, der Hummeln jagt und dabei die Initialzündung für Rimsky-Korsakovs „Hummelflug “ gibt, sorgte hier eine Putzfrau für ähnlichen Wirbel und Aufregung. Dementsprechend waren die trotz tropischer Temperaturen überaus vielen Kinder aus dem Häuschen und die DRP (Deutsche Radio Philharmonie) in ihrem Element.

Das als scheinbares Wunschkonzert – in Wirklichkeit stand die Vortragsfolge fest – deklarierte Familienkonzert hätte eines von vielen mit Höhenflügen eines Orchesters ohne Bauchlandung werden können. Doch es war wie verhext: Der Moderator Frank Schulz wurde die lästige, übereifrige Putzfrau (Annette Bieker) einfach nicht los. Sie fegte wie ein Wirbelwind durch die Reihen und wirbelte mächtig Staub auf, tanzte, sang und diskutierte endlos. Dabei trat sie auf im Erscheinungsbild der klassischen Hausfrau der 70er Jahre – da ließ „es Hilde Becker“ mit Dauerwelle und Kittelschürze aus der bekannten TV-Serie grüßen. Die Krönung war, dass sie beim Can-Can von Jacques Offenbach noch ein Rad schlug. Spätestens an dieser Stelle war jedem klar, dass sich hier ein Multitalent, keine biedere Putzfrau ins Kinder- und Familienkonzert „verirrt“ hat: Bieker studierte Theaterwissenschaften, erhielt eine Ausbildung im Bereich Schauspiel/Pantomime und Körpertheater sowie Gesang an der Folkwang Hochschule Essen. Sie arbeitet als Regisseurin und Schauspielerin und hat viel Erfahrung im Genre Kindertheater. Das kam bei diesen gelungenen Sketchen auf Anhieb rüber. Zusammen mit Frank Schulz, der hier moderierte, gründete Bieker das Musiktheater-Kontra-Punkt. Das gemeinsame Konzept für das Konzert im SWR-Studio war also schlüssig und lockerte die Vortragsfolge auf. Da wurden die DRP und ihr Gastdirigent Wouter Padberg fast schon zu Statisten „degradiert“. Und somit scheinbar der Sinn eines Konzertes auf den Kopf gestellt. Und doch war ausgerechnet dieses Konzert eines von jenen, die den sensationellen künstlerischen Aufschwung des Orchesters mit am nachdrücklichsten demonstrieren. Erfolge bei klassischen Sinfoniekonzerten hat und hatte das 2007 fusionierte Orchester zuhauf: Doch jetzt sorgte die DRP mit der überzeugenden Mischung aus Bizet, Vivaldi und Johann Strauß (Walzer-Ausschnitte und Polkas) und der sprunghaften und collagehaft spielerischen Vielseitigkeit für Furore. Man spürte, dass hier jetzt auch die leichte Muse nicht (mehr) auf die sprichwörtliche leichte Schulter genommen wird: Alles erklang akkurat, gestochen klar ausgearbeitet und stringent umgesetzt. Selbst die hoch spezialisierten Strauß-Orchester vermitteln nicht mehr an Walzerseligkeit und an geigerischer Brillanz bei den Schnellpolkas als die am Samstag bestens disponierte DRP. Aber auch das Orchester wollte sich dem komödiantischen Aspekt der Veranstaltung nicht entziehen: Eine Solopassage aus Vivaldis Konzertzyklus „Vier Jahreszeiten“ wurde von zwei Geigern gleichzeitig in moderner Arbeitsteilung ausgeführt: Einer streicht, der andere greift, und zusätzlich wird noch ein Regenschirm gehalten. Passend dazu wurde vom Orchester noch die furiose Schnellpolka „Unter Donner und Blitz“ gespielt. Und siehe da: Im Studio schien es zu tropfen. Pädagogisch geschickt ist immer das Einbeziehen von Kindern. Ein mutiges Mädchen durfte unter Anleitung von Frank Schulz das Becken schlagen, und die anderen Kinder im Takt mitklatschen. Eine weitere Gaudi wider den tierischen Ernst. Natürlich musste an dieser Stelle auch die Putzfrau ihren Teil beitragen und das ist sogar wörtlich zu verstehen: Beim Stichwort Becken brachte sie ein Waschbecken auf die Bühne – was selbst die Kleinsten entrüstete. Einer meinte: „Die muss noch viel lernen.“

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