Kaiserslautern Vivaldi auf der Klais-Orgel

Ein interessantes Orgelkonzert gab am Mittwoch auf der historischen Denkmalorgel der Marienkirche (Klais-Orgel von 1905) der dort wirkende Regionalkantor: Siegmar Junker stellte zunächst eigene Kompositionen vor, nachdem er sich bereits bei früheren Aufführungen auch improvisatorisch profiliert hatte. Er besitzt ein Faible für in Vergessenheit geratene Raritäten auf, ergänzt durch eine dankbare Orchester-Adaption für Orgel.

Junkers eigene Kompositionen der Gattungen wie Intrada, Toccata wirken wie barocke Reminiszenzen, aber mit eigener origineller Strukturfüllung, eben aus dem Blickwinkel unserer Zeit. In weiteren Gattungen wie Cantabile oder Fanfare zeigt er die fundierte interpretatorische Auseinandersetzung mit dem romantischen Charakter- oder Fantasiestück, das er aber nicht nur nachempfindet, sondern mit einer zeitgenössischen Klangsprache versieht. Wer Klangbeispiele des Barockzeitalters ins Konzertprogramm einbaut, setzt meistens auf die großen „Bs“ wie Nicolaus Bruhns oder Dietrich Buxtehude der norddeutsch-dänischen Orgelschule sowie die Familie Bach und aus der Romantik Johannes Brahms. Junker bleibt zwar im Alphabet ebenfalls bei B hängen, findet aber mit Georg Böhm eine Rarität. Böhms Präludium und Fuge C-Dur, seine ausgewählte Partita und sein Variationszyklus belegen ihn allerdings als einen hervorragenden Repräsentanten dieser Gattungen, wie Junker mit Akribie und Esprit seiner durchdachten und schlüssigen Gestaltung stringent herausarbeitet. Entscheidender als die Frage nach der Werkauswahl erscheint der Aspekt der Werktreue, der Authentizität und der Entwicklung aus der inneren Struktur der Kompositionen heraus. In diesem Sinn gelangen Junker bei der sehr durchsichtig und nie verschleiert wirkenden Gestaltung klar strukturierte, nach formalen Abschnitten deutlich gegliederte Vorträge in bestechender spielerischer Präzision und klarer Diktion. Alles erklang natürlich fließend und auf einen großen Spannungsbogen hinzielend. Dies gilt bei Böhm für das kunstvoll ausgearbeitete Stimmengewebe der Fuge im Wechselspiel der deutlichen Einsätze der Antagonisten (Stimmen) wie Dux und Comes. Ebenso überzeugte aber auch sein beherzt wirkender gestalterischer Zugriff und bei den Variationen die seltene Präzision bis ins kleinste motivische Detail. Das war ein filigranes Ineinandergreifen von Stimmen, treffend artikuliert und charakterisiert. Dass sich vor allem spätromantische Klangbeispiele französischer Provenienz auf der klangprächtigen Klais-Orgel adäquat darstellen lassen, ist hinreichend erprobt. Bei César Franck, Alexandre Guilmant sowie Charles-Marie Widor können typische Klangfarben zelebriert werden. Junker entschied sich mit der Pastorale von Franck für ein Kleinod an pastoser, verinnerlichter, in seinem beseelten Vortrag schier entrückter Stimmung. Und dann als wirkungsvoller Kontrast für dessen emphatisch auftrumpfendes „Pièce heroique“ - und wies auch hier seine stilistische und spieltechnische Kompetenz in allen Belangen beeindruckend nach. Junker weiß aber auch um die spezielle Problematik, dass Orgelmusik oft als „Musica riservata“ für Kenner und Liebhaber elitär empfunden wird; daher baut er populäre Adaptionen ein: So ein Orchester-Concerto von Antonio Vivaldi, das dessen Zeitgenosse Johann Gottfried Walther für die Orgel bearbeitet hatte. Eine immense interpretatorische Herausforderung für den Organisten, diesen Widerstreit zwischen Soli und Tutti mit verschiedenen Klangfarben der nachgeahmten Instrumente anschaulich darzustellen. Dennoch schien es kein Kraftakt, sondern im eigentlichen Sinn des Wortes eine anmutige Spielerei von Motiven und thematischen Gedanken zu sein. Leicht und elegant kam dieser „Vivaldi“ daher.

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