Kaiserslautern Pflicht oder nicht Pflicht ist die Frage

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Der 17. Talk der Freunde des Pfalztheaters mobilisierte nicht nur eine große Besucherschar, sondern auch viele Repräsentanten des kulturellen Lebens wie Kulturbürgermeisterin Susanne Wimmer-Leonhardt, Kulturamtsdirektor Christoph Dammann, Kammgarn-Chef Richard Müller oder von der freien Szene JAZZ!evau-Vorsitzender Peter Glanzmann. Allein das Theaterdirektorium glänzte durch Abwesenheit. Es folgte eine zwar kontroverse, aber lebendige Diskussion zum Thema Kulturfinanzierung mit dem Titel „Was heißt hier freiwillig?“ in der voll besetzten Theater-Lounge.

Zweieinhalb Stunden diskutierten unter der Moderation von RHEINPFALZ-Kulturredakteur Fabian R. Lovisa der Görlitzer Kulturwissenschaftler Professor Matthias Vogt, der Mainzer Kulturstaatssekretär Walter Schumacher sowie die beiden haushaltspolitischen Sprecher der SPD- und CDU-Fraktionen im Landtag, Thomas Wansch und Gerd Schreiner. Zentral war im Verlauf der Diskussion, die Lovisa souverän und eloquent leitete, die Frage nach einem Kulturfördergesetz, das neben einer möglichen Neuverteilung der Lasten die Kulturfinanzierung als Pflichtaufgabe – und nicht mehr wie bislang als freiwillige kommunale Leistung – festschriebe. Führten die Diskutanten im Verlauf der oftmals tempo- und pointenreichen Ausführungen unterschiedliche Standpunkte dazu ins Feld, so sprach sich das Publikum in einer Abstimmung zum Schluss des Talks mehrheitlich für ein solches Gesetz aus. Schlagfertig, rhetorisch gewandt und mit Zahlen, Statistiken, Graphiken und historischen Grundlagen bestens vorbereitet, eröffnete Vogt die Ausführungen. Er war Wegbereiter des sächsischen Kulturraumgesetzes, das dort in der Landesverfassung verankert ist, wonach Kultur nicht mehr als freiwillige Leistung eingestuft wird, sondern als Pflicht zu sichern und zu fördern ist. Zur Finanzierung werden dabei neue Strukturen, sogenannte Kulturräume, implementiert. Sie sorgen für eine gerechtere Lastenverteilung zwischen den Kommunen. Das Fördergesetz wurde von der Enquete-Kommission des Bundestages anderen Ländern zur Nachahmung empfohlen. In schonungsloser Offenheit präzisierte Vogt den Vergleich der Kulturförderung zwischen Ländern und Städten: Mit einer Pro-Kopf-Förderung von jährlich 67 Euro gehöre Rheinland-Pfalz zu den Schlusslichtern im Länderspiegel. Sachsen bringe es etwa auf 164 Euro. Ein anderer Vergleich: Das komplette Bundesland Rheinland-Pfalz gebe weniger als die Stadt Leipzig für Kultur aus, so der Professor für Kulturpolitik und Kulturgeschichte der Hochschule Zittau/Görlitz weiter in seiner provokanten Herausforderung an Podium und Gäste. Weiter berichtete Vogt anschaulich über die historische Entwicklung in Sachsen, über das dort erkannte und angegangene Missverhältnis zwischen elitärer Förderung und Breitenarbeit. Betroffenheit löste Vogts geographische Karte aus, die die Zuwanderungsströme von Akademikerfamilien in die Bundesländer graphisch veranschaulicht: Auch hier schneidet unser Bundesland schlecht ab, 64 Prozent der befragten jungen Ärzte einer Studie der Uni Trier können sich nicht vorstellen, sich in Rheinland-Pfalz niederzulassen. Für Vogt ein Beweis der Unattraktivität des Landes und mithin seines kulturellen Angebots. Wie reagierte da der in Lautern geborene und seit 2010 als Staatssekretär im Kultusministerium fungierende Podiumsnachbar Walter Schumacher? Taktisch geschickt wich er in die Vergangenheit aus. Ausgehend von der historisch bedeutsamen Kaiserpfalz, zeichnete er ein positives Bild des Landes zwischen Rhein und Saar und sah in dem Fehlen aristokratischer Adelshäuser eine Ursache für andere Weiterentwicklungen als etwa in Sachsen: So fehle beispielsweise eine aristokratische Kunstsammlung für die Museen und Galerien. Daneben versuchte er mit der Auflistung von „Leuchttürmen“ wie Theater, Philharmonien und Museen eine Gegenargumentation zu entwickeln. In einem Gesetz zur Kultursicherung allein sah er noch keine Garantie für eine Aufstockung des Kulturbudgets. Eine Sicht, der die Kulturbürgermeisterin Susanne Wimmer-Leonhardt nicht folgen mochte. Aufgrund der Haushaltslage – Vogt bescheinigte Kaiserslautern „griechische Verhältnisse“ – und Auflagen durch die ADD hinsichtlich Deckelung des Etats sieht sie sich in der Klemme. Sie brachte es drastisch auf den Punkt: „Jetzt noch mehr an den Stellschrauben zu drehen, beinhaltet das Risiko von drohenden Schließungen.“ Der Anteil der Kulturausgaben am städtischen Haushalt belaufe sich mit rund 10 Millionen Euro auf etwa drei Prozent, in diesem Zusammenhang bezeichnete sie die Haushaltsverhandlungen als „Gnadenakt“ und plädierte vehement für eine Aufnahme der Kulturaufwendungen in den Pflichtenkanon, damit Planung und Sicherstellung von Initiativen und Institutionen gestützt würden. Das nächste Schlagwort des kommunalen Finanzausgleichs forderte die beiden finanzpolitischen Sprecher Wansch und Schreiner heraus. Sie zeigten sich allerdings in der Beurteilung der Sachlage selten einvernehmlich. Schreiner führte aus, dass er zu seiner Wiederwahl zwar eine sechssaitige Broschüre erhalten habe, allein darin jeglicher Bezug zur Kulturpolitik fehle. Ein Vergleich der Bundesländer hinsichtlich Kulturförderung sei nur bedingt möglich, so kämen Fördermittel für Kultur auch aus dem Innenministerium. Beide wollten sich darüber hinaus eher als Dienstleister verstanden wissen, die den Landeshaushalt ausgewogen zu betrachten hätten. Bei der regen Publikumsdiskussion konterte Wansch Glanzmanns Eindruck der Beliebigkeit von Kulturförderung mit der Summe von 119 Millionen Euro für Kultur. Ein Zuordnung zu den Pflichtaufgaben bedeute noch lange nicht, dass es dann auch Pflichtausgaben seien. Auch Dammann bezweifelte die Wirkung einer solchen Neubewertung, sie bringe vermutlich nichts.

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