Kaiserslautern Ohne Punkt und ohne Komma

400 Besucher schüttelten sich am Donnerstagabend im Kasino der Kammgarn vor Lachen und rangen nach Luft. Denn der junge Kabarettist, Comedian und Musiker Tobias Mann aus Mainz bombardierte sie über zweieinhalb Stunden lang mit Witzen, sparte aber auch nicht in seinem Programm „Verrückt in die Zukunft“ mit Kritik an der Politik.

Dieser Comedian muss als Schüler einmal der Schrecken aller Lehrer gewesen sein. Hyperaktiv wirbelt er auf der Bühne herum, sinkt vor seinen Anhängern effektvoll auf die Knie, schüttelt sein Haupt mit der Marco-Reus-Frisur in choreographierter Ekstase und springt in berechnender Verzückung über die Bühnenbretter. Er quasselt ohne Punkt und ohne Komma. Seine Kalauer steigen wie kleine Leuchtraketen im Sekundentakt in die Höhe, so dass man gar nicht nachkommt mit dem Denken, weil dann schon die nächste Pointe eingeschlagen hat wie ein Blitz. Vor allem wenn er über Angela Merkel spricht, kann er sich in Rage reden. Und beim Hörer wechseln Verblüffung und Erleuchtung, Täuschung und Einsicht wie bei einem Vexierbild. Da die Grundfesten des Glaubens erschüttert seien („Ich denke nicht an Religion, sondern an den ADAC“), bräuchten wir Leuchttürme. „Und dieser Leuchtturm ist die Kanzlerin“, sagt er. „Wer hat sie eigentlich gewählt?“, fragt er das Publikum. Keiner meldet sich. „Sehen Sie! Sie ist ein Phänomen. Warum wählt man sie überhaupt?“ Das sei wie mit der Zigarette, erklärt er. Jeder wisse: Rauchen sei ungesund, und doch könne man es nicht lassen. Merkel habe ein todsicheres System entwickelt: „Mit Erfolgen schmückt sie sich, bei Misserfolgen schickt sie ihren Regierungssprecher Steffen Seibert.“ Der sehe so schlecht aus, der sei ganz „ausgemerkelt“. Schon Nietzsche habe gewusst: „Wenn man lange Zeit in den Abgrund starrt, starrt der Abgrund irgendwann zurück.“ Alle hätten sie Angst vor der Dame. Dabei ringt er verzweifelt mit den Händen und geht in die Luft wie ein HB-Männchen. Was die da oben veranstalteten, habe mit Politik nichts mehr zu tun, „das ist Verkaufswerbung“, ruft Tobias Mann. „Die hauen so Dinger raus, und wir fallen drauf rein!“ Nicht um Kompetenz sei es bei der Vergabe der Ministerposten gegangen, Seehofer, der mit Sieben-Meilen-Stiefeln wie ein Riese daherstapfe, von der Leyen („Eine familienfreundliche Armee, das klingt ja wie Prostitution im Vatikan.“), Dobrindt – alle produzierten sie lediglich heiße Luft. Hundert Tage Große Koalition: nichts passiert. „Mindestlohn – planlos, Energiewende, Datenschutz – planlos.“ Alle kriegen sie ihr Fett weg, Friedrich wie Steinbrück. Wir müssten wieder verrückte Gedanken kreieren, meint der studierte Wirtschaftswissenschaftler. „Wo wären wir, wenn wir in der Vergangenheit alles für verrückt erklärt hätten? Wenn Lilienthals Frau gerufen hätte: Otto, komm da runter!“ Der einzige Lebensbereich, in dem alles Verrückte noch bis zum Ende durchgezogen werde, sei die Finanzindustrie. „Da hab’ ich eine Idee“, sagt der 37-Jährige. „Man müsste den Managern ihre Gehälter in Kleingeld ausbezahlen. Und das müssten sie noch selber abholen.“ Die EU vergleicht er mit der Elb-Philharmonie: „Keine Idee, aber scheiße umgesetzt.“ Auch an den Amerikanern und der EU lässt er im Zusammenhang mit der Krimkrise kein gutes Haar. „Wie viel Überwachung muss sein, dass wir Freiheit haben?“, fragt er sich und meint: „Ich bin froh, dass wir da in England und den USA Spezialisten haben.“ Die Möglichkeit, Opfer eines Terroranschlags zu werden, sei bei uns geringer, als in Berlin von Merkels Dienstwagen überfahren zu werden. Auch im Erfinden von diabolisch guten Wortspielen ist Mann ein Genie. So liefert er für die Bestechung in Bayern die euphemistische Bezeichnung „monetäre Entscheidungsbeschuldigung“. Mann ist aber auch ein genialer Musiker und Sänger, spielt göttlich Klavier und fulminant Gitarre, die er mit der Loop-Station zu orchestralem Sound aufladen kann. „Lassen Sie Ihren Ideen freien Lauf!“, ruft er zum Schluss den Besuchern zu. Ovationen der Begeisterung.

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