Kaiserslautern Mutter nach den Schlägen ein Betreuungsfall

Zum zweiten Mal in dieser Woche steht seit gestern ein junger Mann vor dem Landgericht Kaiserslautern, weil er seine eigene Mutter „im Zustand der Schuldunfähigkeit“ lebensgefährlich verletzt haben soll. Wieder spielt die langjährige Drogen-Karriere des Beschuldigten eine Rolle, wieder spielte sich das Drama in einer Einwanderer-Familie ab. Erst am Dienstag war ein 42-Jähriger wegen einer ähnlichen Tat von derselben Strafkammer zur unbefristeten Einweisung in die geschlossene Psychiatrie verurteilt worden.

Um 3.53 Uhr in der Frühe ging am 17. Mai ein Notruf bei der Kaiserslauterer Polizei ein: „Jemand ist auf meinem Balkon und schlägt alles kaputt“, rief eine verängstigte Frauenstimme in gebrochenem Deutsch. Gerade noch konnte die Anruferin ihre Adresse an der Rostocker Straße durchgeben, dann waren nur noch ihre Schmerzensrufe zu hören. Kurz darauf brach der Abruf ab. Innerhalb weniger Minuten war eine Streife des Polizeipräsidiums Westpfalz vor Ort. Den Beamten bot sich, so berichteten sie gestern vor dem Landgericht, ein erschreckendes Bild: „In der Souterrain-Wohnung des Hauses lag eine offenbar schwer verletzte und bewusstlose Frau, überall auf dem Boden und an einer Schrankwand war Blut zu sehen.“ Mehr als eine halbe Stunde brauchte der herbeigerufene Notarzt, um die 54-Jährige wenigstens für den Transport ins Westpfalz-Klinikum herzurichten. „Es bestand offenbar akute Lebensgefahr“, erinnerte sich ein Polizist. Nach dem vermeintlichen Täter mussten die Einsatzkräfte nicht sehr lange suchen: Er saß im obersten Stockwerk des Treppenhauses und schien geradezu auf die Polizei zu warten. „Der Mann atmete schwer und war praktisch nicht ansprechbar“, berichtete gestern der Beamte, der den Mann schließlich festnahm. „Erst als ich den Schlagstock zog und ihn nach seinem Namen und Ausweis fragte, hat er schließlich reagiert und sich ohne weiteren Widerstand festnehmen lassen.“ Bald war den Beamten klar, dass sie es mit dem 35-jährigen Sohn des Opfers zu tun hatten. Bei den ersten Vernehmungen gab er zu, dass es offenbar in der Nacht einen Streit mit der Mutter gegeben hatte, bei der er seit einigen Monaten lebte. „Aber was genau geschehen sei, daran konnte er sich nach seinen Angaben nicht mehr erinnern“, berichtete der Vernehmungsbeamte gestern. Eine Version, die der Beschuldigte auch später vor dem Haftrichter aufrecht erhielt. Seit Mai sitzt er jetzt in Untersuchungshaft. Die Spurensicherung ergab jedoch eindeutig, dass die Frau „mit der Beschwerungsstange eines Vorhangs“ mehrfach über Kopf und Körper geschlagen wurde. Die Folgen: Schädel-Hirn-Trauma, Knochenbrüche und zahlreiche weitere Verletzungen. Und eine DNA-Analyse der Blutspuren an der Kleidung des Beschuldigten ließ keinen Zweifel an ihrer Herkunft. Sie stammten, so ein Gutachten des Landeskriminalamts, „mit äußerst hoher Wahrscheinlichkeit vom Opfer“. „Versuchter Totschlag und schwere Körperverletzung“ lautet denn auch die Anklage, die seit gestern vor der 3. Strafkammer des Landgerichts verhandelt wird. Allerdings „im Zustand der Schuldunfähigkeit“, wie der Staatsanwalt hinzufügt, denn der Beschuldigte hat eine jahrelange Drogen-Karriere mit zahlreichen Verurteilungen hinter sich. Und bereits mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie, nachdem er immer wieder gewalttätig wurde. Die Diagnose: „Bipolare Störungen gepaart mit Wahnvorstellungen.“ Am gestrigen ersten Verhandlungstag konzentrierte sich das Gericht auf die Rekonstruktion der Tat, vernahm Zeugen und verlas Ermittlungsergebnisse. Am 14. November soll ein psychiatrischer Gutachter Auskunft darüber geben, ob der Angeklagte schuldfähig ist. Auf Hinweise aus seiner Familie, die 1989 mit ihrem zehnjährigen Sohn aus Polen nach Deutschland einwanderte, kann die Strafkammer allerdings nicht hoffen: Der Vater verweigerte bereits gestern jede Aussage, will nach eigenen Worten „nichts mehr mit damals zu tun haben“. Und die Mutter ist seit ihren schweren Verletzungen ein Betreuungsfall und kann nicht mehr vernommen werden. (mibo)

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