Kaiserslautern Große Harmonie

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Die Pfälzische Sezession ist 70 Jahre alt geworden und feiert ihr Jubiläum mit einer großen Geburtstags-Ausstellung in den Räumen von Städtischer Galerie und Kunstverein im Kulturzentrum Flachgasse in Speyer. In großzügig aufgelockerten Hängung paradieren 82 Arbeiten von 23 Sezessionsmitgliedern und vier Gästen.

70 Jahre sind ein rüstiges Alter. Obwohl das mit dem Gründungsdatum 1945 so nicht ganz stimmt, denn eigentlich kam die Gruppe erst im Mai 1946 zustande. In seinem kurzen geschichtlichen Abriss im Ausstellungskatalog spricht der langjährige Vorsitzende Eberhard Linke denn auch ganz korrekt eher vom Jubiläum einer Zeugung als von einer Geburt. Das Wort Sezession bot sich an, nicht im Sinne von Opposition und Abspaltung, sondern als Signal für den anstehenden Neuanfang nach zwölf Jahren künstlerischer Unterdrückung, Verfolgung und Gängelung. Bedeutende Künstler wie Hans Purrmann, HAP Grieshaber, Gustav Seitz oder Emy Roeder (damals die einzige Frau), waren früh mit dabei. Ein verpflichtendes Programm gab es nicht, nur vom Impressionismus wollte man partout nichts mehr wissen, was zum kuriosen Ausschluss ausgerechnet von Gründungsmitglied Otto Dill führte. So streng würde man mit den Kollegen heute nicht mehr verfahren. Trotzdem muss man konstatieren, dass die Pfälzische Sezession über die Jahre und wechselnde Mitgliedschaften hinweg immer ein eher kleiner Club geblieben ist – auch die aktuell 26 aktiven Mitglieder machen keine Massenveranstaltung. „Hauptkriterien sind die Kontinuität der Arbeit und die Authentizität von Künstler und Werk“, schreibt Eberhard Linke. Klingt ein wenig altertümlich, reicht aber aus, um auch unter diesen Prämissen eine gute Figur zu machen. Die 82 ausgestellten Arbeiten verteilen sich auf die klassischen Disziplinen Malerei, Skulptur, Grafik und Fotografie. Die Auswahl haben die beteiligten Künstler selbst getroffen – und dem Betrachter eine kleine Überraschung beschert, denn die Ausstellung vermittelt trotz aller Unterschiede in Temperament und Haltung ein fast harmonisches Bild. Was wohl auch damit zu tun hat, dass konzeptuelle Positionen, neue Medien und selbst konkrete Kunst durch Abwesenheit glänzen, was wiederum den Altersdurchschnitt der Pfälzer Sezessionisten nicht senkt; wenn die jüngste Ausstellende, die als Gast geladene Papierschneiderin Dorthe Goeden, als Geburtsdatum 1975 angibt, kann von Jugendwahn im Verein nicht die Rede sein. Zu Recht mit einer kleinen Ausstellung in der Ausstellung geehrt hat man Eberhard Linke, der seit zwei Jahren im Rollstuhl sitzen muss und trotz dieses Handicaps in diesem Jahr kleine Terrakotten von beispielhafter innerer Kraft und Konzentration geschaffen hat; „Flucht“ und „Wandern mit Rädern“ sind die Titel dieser den Meister lobenden Arbeiten. Von den Altgedienten das Bewährte: Da treffen wir Klaus Heinrich Keller mit einem großen blauen, Figürliches und Abstraktes vermählenden Bild („Im Rad“, 2014), Hermann Th. Junckers nie endenden informellen Furor, Bernd Kastenholz mit skurrilen Weibergeschichten („Frauentag“, „Wiesenlauf“, „Blütenkönigin“, alle 2014) ,Otfried C. Culmann mit fantastisch verspielten Paris-Bildern von 2013 („La Madeleine“; „Pantheon“, „Sacré Coeur“), Karl-Heinz Deutschs raffiniert geknüpfte Terrakotta-Schlingen, die klassisch-zuchtvollen „Faust“-Illustrationen von Edgar Blum und Werner Korb, der sich für großformatige Zeichnungen entschieden hat. Viel zum positiven Eindruck beitragen dürfte die großzügige, auf passende Abstände und Nachbarschaften Wert legende Inszenierung der Arbeiten. Thomas Duttenhöfer („Daphne“ in Eisen und als Collage) und Christiane Maethers entspannt in lichter Farbigkeit posierende weibliche „Windstille“ (2015) vertragen sich prächtig, ebenso sind Stefan Forlers lichte Rundstahl-Arbeit, Thomas Brenners inszenierte Fotos zum Thema „Krieg und Frieden“ (2014/15) und die strengen Radierungen von Alfonso Mannella ein Trio, dass sich sehen lassen kann. Dass Jochen Frisch für seine beiden „Apokalyptischen Köpfe“ eine ganze Wand bekam, ist von der Sache her mehr als nur richtig; die großformatigen Zeichnungen auf Leinwand aus diesem Jahr brauchen sowohl Abstand als auch Platz, um ihren komplizierten Verstrickungen optisch folgen zu können. Kapriziös im Wortsinn ist die lebensgroße „Ziege“ von Anne-Marie Kuprat – sieht aus wie aus Ästchen zusammengebastelt, ist aber aus solider Bronze. Carmen Stahlschmidts hermenartige „Kuh“ mit vergoldeten Hörnern irritiert schon ein bisschen. Und was kann man von Achim Ribbecks aus hellem Lindenholz gefertigten „Twins“ (Zwillinge, 2014) besseres sagen, als dass sie ein rechtes Kunststück sind? Dass Gast Heiko Börners „Linde“ überschriebenen Lindenholz-Arbeiten das exakte, nämlich abstrakte Gegenbild dazu abgeben, Johannes Gervés düsteres Wetterbild („Weatherreport“, 2015) ein Hingucker ist, und Peter Haese mit seiner dicken, fetten „Serena im Glück“ malerisch ebenso den Vogel abschießt wie Michael Fieseler mit seinen auf kleine Ovale gebannten „Höhlenforschern“. Und: Vergessen wir nicht die Malerinnen, Nikola Jaensch mit ihren verrätselten „Zimmerreisen“, Heike Negenborns auf porentiefe Genauigkeit setzende Landschaften, die quälend genauen Porträts von Susanne Ritter, Juliane Gottwalds brennend illuminierte Tulpenbilder und Elke Schobers beunruhigendes „Trümmerfeld“ aus diesem Jahr! Zum Finale der Ausstellung sollen zugunsten von Deutschkursen für Flüchtlinge von Sezessions-Künstlern gestiftete Arbeiten vorwiegend aus dem graphischen Bereich versteigert werden. Am 1. November also wird der Speyerer Oberbürgermeister Hansjörg Eger als Auktionator den Hammer schwingen; für interessante Angebote ist schon jetzt gesorgt. Die Ausstellung „70 Jahre Pfälzische Sezession“; Kulturhof Flachsgasse, Speyer; bis 1. November; geöffnet donnerstags bis sonntags, 11 bis 18 Uhr. Versteigerung: 1. November, 16 Uhr.

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