Kaiserslautern „Der Südwesten ist Pionierregion“

Für vier Tage , von 2. bis 5. April, darf sich die Universität Landau als Mittelpunkt der internationalen historischen Forschung zur Reformationszeit fühlen. Im Vorfeld hat sich RHEINPFALZ-Redakteurin Dagmar Gilcher mit dem Organisator Ulrich A. Wien vom Institut für Evangelische Theologie in Landau unterhalten,

Wollen Sie Wittenberg Konkurrenz machen – als Lutherstadt Landau?

Die Idee zu der Forschungstagung habe ich schon lange. Die Idee nämlich, dass der Südwesten eine Pionierregion für die Reformation darstellt. Und das sollte sich dann nicht wieder auf die landläufig bekannten Zentren Straßburg, Basel, Heidelberg beschränken. Ich habe mir gedacht, es sollte doch möglich sein, die gesamte Region in den Blick zu nehmen und die unterschiedlichen Facetten, die die Reformationszeit in der „Großregion“ vom Bodensee bis Mainz hat, zu präsentieren. Weil diese Region, in Teilen jedenfalls, als Pionierregion zu beschreiben ist. Zum Beispiel mit der Ebernburg, jenem Ort, der noch vor der Einführung des Abendmahls in beiderlei Gestalt in Wittenberg dies dort in der Burgkapelle erlebt hat. In beiderlei Gestalt? Das heißt: mit Brot und Wein. Der Wein war ja für die mittelalterlichen Christen nicht ausgeteilt worden. Das war ja die entscheidende Idee von Luther, der sagte, die mittelalterliche Kirche hat bestimmte Praktiken eingeführt, die nicht biblisch sind. Die Abendmahl-Frage ist ja sehr kompliziert, wenn dann auch noch die Calvin-Auffassung dazukommt, also ein eindeutig theologischer Aspekt. Welche Themenschwerpunkte haben Sie für die Tagung gesetzt? Geht es da nur um theologische Fragen? Es geht vorwiegend gar nicht um die theologischen Fragen. Die bleiben im Hintergrund, und das habe ich mit dem Titel zu verdeutlichen versucht: „Kirche und Politik am Oberrhein im 16. Jahrhundert – Reformation und Macht im Südwesten des Reiches“. Es geht darum, in welcher Weise reformatorische Ideen in der Gesellschaft gewirkt haben. Und das ist wiederum ein ganz wichtiger Punkt für den deutschen Südwesten, wo eben die Städte diejenigen Orte gewesen sind, an denen es eine humanistisch gebildete Bürgerschaft gab, die die reformatorischen Ideen über die verteilten Flugschriften wahrgenommen und dann auch gleich umgesetzt hat – wie zum Beispiel Landau. Denn in Landau gab es den meines Wissens ersten deutschsprachigen evangelischen Katechismus überhaupt – noch bevor Luther einen Katechismus geschrieben hat. Behaupten das nicht andere auch? Der nächste, den ich kenne, ist von Johannes Brenz. Und Luther kommt erst 1529. Landau 1526 ist jedenfalls ganz früh, ein ganz klares Signal für die Rezeption reformatorischer Ideen in den Städten hier im Südwesten. Welche Orte in der Pfalz wären da noch zu nennen? Speyer, Zweibrücken, und wieder die Ebernburg. Nachdem Franz von Säckingen unter die Räder zu geraten drohte, sind die Hauspriester () von dort weggegangen. Martin Bucer ist über Weißenburg nach Straßburg und dort der berühmte Reformator geworden. Johann Schwebel ist nach Zweibrücken. Die Ebernburg ist also schon ein Punkt, von dem ein Netzwerk ausging. Bis Basel und weiter. Der ganze Südwesten also. Die Referenten, die Sie eingeladen haben, kommen sogar von wesentlich weiter her? Ich habe versucht, die ganze Bandbreite der Forschungslage zu berücksichtigen und führende Forscher nach Landau zu holen. Vor zwei Jahren habe ich schon begonnen, die Leute einzuladen. Dabei bin ich teilweise weit gefahren, um einen Referenten persönlich zu überzeugen. Es freut mich, dass auch die Verbindung mit der Universität Tübingen geklappt hat und mit dem Reformationshistoriker Volker Leppin von dort ein Top-Wissenschaftler zugesagt hat. Sie haben noch weitere Partner? Der Historische Verein der Pfalz, der auch der Hauptveranstalter ist. Es war unsere Chance, dass der Historische Verein seit 2008 jährlich eine Forschungstagung durchführt, die jeweils unterschiedlichste Aspekte aufgreift. Und das möglichst nicht zu irgendwelchen Jubiläen, sondern zu Forschungsdesideraten. Und genau das gilt, auch wenn es keiner glauben will, für die Reformationszeit im Südwesten. Vor allem, was die Interdependenzen, die Querverbindungen, angeht. Aus welchen Gründen reichspolitischer, lokaler oder regionaler Natur haben die politisch nicht besonders mächtigen Territorialstaaten, Bistümer und Städte hier am Oberrhein auf diesen Umwandlungsprozess der Reformation reagiert – und wie? Nicht wieder zu fragen „Wie war es in der Pfalz?“, „Wie war es in Baden?“, sondern zu fragen: „Wie war es im Reich und in der Kurpfalz gleichzeitig, dazu noch mit dem Bistum Straßburg und den elsässischen Städten? Und wie hat Württemberg reagiert mit seiner Dépendance in Mömpelgard? Oder die Frage nach der außenpolitischen Relevanz. Immerhin gingen letztlich aufgrund des Eingreifens der Protestanten die drei lothringischen Bistümer Metz, Toul und Verdun dem Heiligen Römischen Reich verloren. Ein bisschen Jubiläum ist aber schon dabei? Es läuft ja alles auf 2017 hin? Sicher ist im Hintergrund die Lutherdekade ein wichtiger Aufhänger, das diesjährige Jahresthema ist ja „Reformation und Politik“. Das Ziel ist aber vor allem, die wichtige Rolle des Südwestens in der Reformationszeit in ihrer Gesamtheit hochwertig zu präsentieren. Hochwertig bedeutet aber nicht, dass die Wissenschaftler unter sich bleiben, sondern die Vorträge sind offen für alle? Ja, von der ersten bis zur letzten Minute zugänglich für alle Interessierten. Es gibt schon sehr viele Anmeldungen, aber es ist noch Platz da. Es gibt auch eine Exkursion, nach Bad Bergzabern und Wissembourg. Warum dorthin? Nun, es liegt regional günstig. Vor allem aber: Die Zweibrücker Herzöge sind in den 1580er-Jahren vom lutherischen zum reformierten Glauben gewechselt, das Schloss in Bergzabern war Witwensitz der Herzogsmutter. Die fürstliche Landstadt Bergzabern bietet also eine Varianz der Reformation mit Blick auf den Calvinismus. Während das Interessante an Weißenburg ist, dass dort durch das Stift St. Pierre-et-Paul ein katholischer Machtfaktor mit einer Bürgerschaft um die Vorherrschaft rang und die Einführung der Reformation unterstützt wurde von Martin Bucer. Die Fülle von Stoff lässt nicht einen, sondern mehrere Tagungsbände vermuten? Die Autoren haben eine klare Seitenbegrenzung. Es wird also einen zwar gewichtigen, aber nur einen einzigen Tagungsband geben. (Foto: Archiv)

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