Kaiserslautern Bruckner für lange Arme

Ein technisch engagierter Pascal Rogé am Klavier, das Nationaltheater-Orchester mit abwechslungsreichem Spiel und als Höhepunkt: Bertrand de Billy am Pult. Beim vierten Akademiekonzert im Rosengarten Mannheim war das Dirigat des Franzosen inspirierend und wunderbar anzusehen. Das Programm mit Bruckner und Saint-Saëns forderte unterdessen Höchstes von allen Interpreten.

Bei Anton Bruckners Sinfonien musste sich das Orchester in ständige plötzliche Klangwechsel hineindenken, beim Klavierkonzert Nr. 2 von Camille Saint-Saëns wurde dem Solisten große technische Virtuosität abverlangt. Fürs Publikum gab es unterdessen Konfetti. Über Reihe 15, Parkett Mitte regnete – wohl unbeabsichtigt – der eine oder andere einzelne Glitzer-Schnipsel von der Decke herunter. Doch von diesem vor-fasnachtlichen kuriosen Detail bekamen die überzeugend spielenden Musiker auf der Bühne nichts mit. Pianist Pascal Rogé gestaltete die Solo-Partie bei Saint-Saëns mit variablem Anschlag, spielte im wahrsten Sinne des Wortes nah am Instrument. In gebückter Haltung, den Blick tief und fest in die Tasten geheftet, ging er eine konzentrierte Verbindung mit dem Flügel ein. Es schien, als würde er jeden Ton auf der Klaviatur suchen – wusste aber natürlich nach über 40-jähriger Bühnenerfahrung sehr genau, was er tat. Sein inniger Kontakt mit dem Instrument kam zwar den Details einiger besonders komplizierter Passagen zugute, zeigte sich im Zusammenspiel mit dem Orchester aber nicht nur positiv. Vielleicht fehlte an einigen Stellen der direkte Blickkontakt mit Bertrand de Billy am Pult – jedenfalls wirkten die tänzerischen Abschnitte im zweiten Satz nicht gänzlich leicht und präzise auf das Orchester abgestimmt. In den freien Solo-Teilen hätte Rogé hingegen das Spiel sogar noch etwas eigenwilliger gestalten und freier auskosten können. Trotzdem, und wegen des überzeugenden Gesamteindrucks, zeigte sich das Publikum beeindruckt von dem hohen technischen Können des Franzosen. Sein Landsmann am Dirigentenpult machte Bruckners 6. Sinfonie auch zu einem Seh-Genuss. Mit de Billy haben die Konzertveranstalter einen Glücksgriff getan. Bekannt wurde er vor allem durch seine Zeit als Chefdirigent des Radio-Symphonieorchesters Wien (2002-2010). Ihm beim Dirigieren zuzusehen, hat etwas beinahe Meditatives. Hätte der Mann noch längere Arme, würde er wohl das gesamte Orchester umfassen – so geschmeidig und groß sind die Bögen, die er in die Luft zeichnet. Anton Bruckner ist der ewig Zweifelnde, der all seine Sinfonien mehrfach revidierte, einige zu Lebzeiten nicht mehr selbst hörte. Bei seinen Orchesterwerken weiß man nie, was hinter der nächsten Ecke, zwei Takte weiter, wartet. Die Kunst des Dirigenten ist es, Übergänge zu gestalten, die es in der Partitur gar nicht gibt, weil bei Bruckner alles abrupt daher kommt. Im zweiten Satz der Sechsten feuerte de Billy das Blech an. Das schmetterte und blieb dennoch klangschön. Die Musiker reagierten stets gern und genau auf seine Anweisungen. So auch die Streicher, als sie wunderbar die langsamen Anstiege zu den musikalischen Höhepunkten umsetzten. Im Adagio spielten sie mit spannungsgeladener Allmählichkeit, holten immer wieder noch einmal aus, um sich dann weiter zu steigern. So klingen ein Orchester und Dirigent in gelungener Verbindung. Daher: Auch aus den Musikerreihen Applaus für den Maestro.

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