Kaiserslautern Betze-Geflüster: Die Dänen sind schuld

Eigentlich sind die Dänen schuld daran, dass Matthias Gehring sich an jedem Spieltag verwandelt. Zwei Stunden braucht er, bis er so aussieht, wie ihn die Fans kennen und er zum FCK-Gesicht wird, mit dem Logo über Augen, Stirn und Mund. Angefangen hat alles in den 80er Jahren, als Gehring Student in Hannover war. 1988, als in Deutschland EM war, war er mit seinem WG-Mitbewohner am Abend vor dem Spiel gegen die Dänen in den Kneipen unterwegs, mit Karten fürs Niedersachsenstadion in der Tasche. Und dann hat er sie getroffen, die dänischen Fans, bunt, schrill, verrückt, auffällig, laut, aber lustig und friedlich. Ihre Art und ihr Auftreten hat ihn fasziniert. „Das war zu der Zeit neu in der Bundesliga“, erzählt der Fußballfan von seinen neuen Freunden mit dem roten Kopf und dem weißen Kreuz im Gesicht. „Wir haben uns für den nächsten Tag verabredet.“ Über Nacht sei dann die Idee entstanden, sich Schminke zu besorgen und für das Spiel „solidarisch zu erklären“. Als die EM vorbei war, dachte der FCK-Fan darüber nach, ob das auch mit dem Logo seines Vereins funktionieren würde. 1988 feierte das FCK-Gesicht Premiere. „Das war gegen die Stuttgarter Kickers“, erinnert sich Gehring, der seit Ende der 90er Jahre zu fast allen Spielen Farbe bekennt. Inzwischen hat er den Gesichtsschmuck professionalisiert, arbeitet mit Theaterfarbe, Wattestäbchen und Pinsel. Um die 100 Euro gibt er pro Saison für das Logo in seinem Gesicht aus. „Alles in allem, mit Kopf rasieren und Haut vorbehandeln dauert das vor jedem Spiel zwei Stunden.“ Bei den Heimspielen schminkt er sich für gewöhnlich daheim in Ludwigshafen. Bei Auswärtsspielen kann’s schon mal komplizierter werden und abenteuerlicher. „Wenn’s mit Übernachtung ist, mache ich das im Hotelzimmer, sonst fahre ich früher los und schminke mich im Auto, auf einem Parkplatz, in Hamburg auf dem Bahnhofsklo oder in freier Natur. Meine extremsten Feinde sind starker Dauerregen oder extreme Hitze, aber vom Bahnhof hochlaufen zum Stadion bei Nieselregen, macht nichts. Da perlt das Wasser ab.“ Entsprechend schwierig wird es, die Farbe wieder abzubekommen. Doch Gehring hat Routine. Ab in die Dusche, Duschgel drauf, rubbeln, in zehn Minuten ist alles ab. Nachteil seiner „Verkleidung“, er kann, wenn’s bei Auswärtsspielen brenzlig wird, nicht einfach den Schal unter der Jacke verstecken. Kopf einziehen ist nicht. „In Berlin hatte ich schon mal Angst, aber passiert ist nie was, auch in Rostock oder Dresden nicht. Man darf da mit gegnerischen Fans nicht auf Konfrontationskurs gehen“, lautet das Rezept des Vorsitzenden der Queer Devils, des schwul-lesbischen FCK-Fanclubs, der im vergangenen Jahr eine Idee hatte. Er war bei der Icebucket-Challenge im Internet nominiert worden, mit der Aufmerksamkeit für die Nervenkrankheit ALS erregt werden sollte. Doch er konnte die gestellte Aufgabe – Eimer mit Eiswürfeln über den Kopf stülpen – nicht erfüllen. „Ich lag mit Sommergrippe im Bett, da wäre das mit dem Eis nicht gut gekommen.“ Gehring wollte aber nicht kneifen, nominierte kurzerhand die ganze FCK-Familie und rief eine Spendenaktion ins Leben: Er bittet seitdem all die vielen Fans, die ein Selfie oder ein Foto von ihm machen wollen, was zu spenden. „Mindestens einen Euro.“ 797 Euro hat er inzwischen zusammen, längst mehr als die 50, die er der ALS-Stiftung geben wollte. Jetzt will er weitermachen , bis er 34 Spieltage voll hat und das Geld an die Aktion Betze-Engel stiften. Zehnmal sammelt er noch. Heute steht er vor dem Spiel wieder in der Fanhalle Nord beim Pizzastand und bietet ein Bild mit dem Gesicht, das jeder FCK-Fan kennt.

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