Donnersbergkreis Teil 17: Ein Geistesblitz von Josef Muräne

„Was willst Du hier?“ Diese Typen neben der Provo-Bar im Halbdunkel der Pirelli-Grotte nahe des Mannheimer Hauptbahnhofs wirkten alles andere als friedliebend. Da stand er nun, er, Weichmeier, allein in einer fremden Stadt. Ausgeliefert diesen Asphalt-Cowboys in schwarzem Leder. Und das alles wegen diesem dämlichen Schatzkästlein. Schatzzzzzzzz-Kästlein, wie der merkwürdige Jack Gold zu sagen pflegte. Seine Dörthe hatte ihn ja vor dieser Reise gewarnt. „Mein Schatzzzzzz. Ich suche einen Schatzzzzzz.“ Weichmeier zog das „Z“ so lange es ging. Es zischte ordentlich in den Ohren der düsteren Gestalten. Weichmeier fiel in seiner Not nichts Besseres ein, als einfach die Wahrheit zu sagen. „Er sucht einen Schatz, ach nee. Tun wir das nicht alle.“ Auf einmal fingen die Typen an zu kichern. Irgendwie fanden sie das Ganze lustig. „Komm’ Alter, hau ab.“ Das ließ sich Walter Weichmeier nicht zweimal sagen. Nix wie weg. Als er die Treppen hoch auf den Boulevard stieg, hörte er sie unten immer noch lachen. „Er sucht einen Schatz, ha-ha.“ Es schneite noch immer, fast wäre Weichmeier oben in der „Freiheit“ ausgerutscht. Und da, Wahrheit oder eine Fata Morgana? Ist das da vorne nicht ein Irish Pub? Tatsächlich, es ist einer, das „Murphy’s Jaw“. Beim Barkeeper, einem stämmigen Iren mit gebrochener Nase, bestellte er sich einen doppelten Old Hangovers Orange Dew. Im Fernsehen lief englischer Fußball. Chelsea gegen Arsenal, Premier League live. 1:0 für Arsenal stand es bereits seit der 36. Minute. Tor durch Hubert Popolski, den deutschen Nationalspieler und Großneffe von Mariusz Popolski, dem angeblichen Erfinder der Popmusik. Im zweiten Durchgang wurde es dramatisch, Weichmeier dachte an die schönen, spannenden Stunden im Sommer im „Kilkenny“, als er freudig mit Heinz Torf die WM verfolgte. Eckball für Arsenal in der 78. Minute durch Helmut Öpril, Peter Meeresbagger steigt hoch und wuchtet den Ball mit dem Kopf zum 0:2 ins Netz. „Big fucking German“, singen die Arsenal-Fans begeistert. „We have a big fucking German“. Dann ein Geistesblitz von Chelseas Star-Trainer Josef Muräne. Er wechselt Andy Schäufele ein, den Jungen, der in Mannheims Nachbarschaft beim Lumbehofener SC das Fußballspielen gelernt hatte. Doppelschlag von Schäufele in den letzten drei Minuten. 2:2. Weichmeier gefiel’s. Was für ein Abend, auch ohne Schatz. Am 14. Februar tritt die C-Jugend vom Lumbehofener SC zum Freundschaftsspiel beim FVFJ von Donnersmarck in Göllheim an. Das hatte Weichmeier im Lokalsport von Rabea Litts Blatt gelesen. „Da gehe ich hin“, dachte er sich. Frühstück im Fallenhügler Hof. Nach dem Fehlschlag auf der Schatzsuche gestern Nacht in der Pirelli-Grotte nahm sich Weichmeier fest vor, noch vor seiner Rückreise in die Kleine Residenz auf Mozarts Spuren zu wandeln. Vielleicht geschah doch noch ein Wunder in Sachen Kästlein. Er besuchte die Gedenktafel am Schloss, die Schlosskirche, das Palais Bretzenheim in A 2, den Schillerplatz, die Sternwarte in A 4, 6, das Reiss-Museum, die Untere Pfarrkirche, die Konkordienkirche, das Gebäude in M 1, 10, wo Fridolin, der Vater von Aloysia Weber, lebte. Nichts. Gar nichts. Kein Schatz, kein Kästlein, rein gar nichts. 13.08 Uhr. Unpünktlich fuhr der Zug am Hauptbahnhof ab. In Oggersheim legte Weichmeier einen zweistündigen Aufenthalt ein. Er besuchte das Schillermuseum, das Haus, in dem Friedrich Schiller unter dem Decknamen Dr. Schmidt im Gasthaus Viehhof 1782 für sieben Wochen auf der Flucht vor der kurfürstlichen Obrigkeit untergetaucht war. Wenn schon Mozart, dann auch Schiller. Das nächste Mal wird er dort auch die Druckerei besuchen, wo Rabea Litts Lokalblatt gedruckt wird. Umsteigen in Worms, Fahrt bis Alzey. Dort freute er sich auf die Fahrt im super-nagelneuen „Flachs“-Zug und zuvor auf einen Besuch im nächsten Irish Pub, im „Druid’s Table“, gegenüber vom Bahnhof. „Irgendwann“, dachte sich Weichmeier, „werde ich mal ein Buch schreiben. Den Namen habe ich schon: WIPUGOG.“ „Weichmeiers Irish Pub Guide of Germany!“ Kein Flachs, die Fahrt mit dem „Flachs“-Zug fiel ins Wasser. Der Betreiber hat vorerst die „Notbremse“ gezogen, wie der Donnersberger Rundblick letzten Mittwoch berichtete. Dafür holte sich Weichmeier im Druid’s Table einen „normalsterblichen Kaffee Toogoo“ (O-Ton Christian Wieland 2002 im Café Amadé), nahm den Becher mit in einen gemütlichen Dieselbus mit netter Fahrerin und gondelte gelassen über die Dörfer nach Hause. Kurz nach 17 Uhr. Endlich zurück. „Ehrlich, ich freue mich auf meine Dörthe.“ Vorher wollte Weichmeier unbedingt seinem Freund Heinz Torf noch die dramatischen Erlebnisse in Mannheim erzählen. Doch leider, leider öffnet der sein Lokal erst um 19 Uhr. „Um 17 Uhr wäre es besser“, murmelte Weichmeier vor sich hin und genoss dafür – Schatz beiseite – zur Feier des Tages mit „Sappo“ einen wohlriechenden, persischen Lupinenkaffee im „Café Nelson Mandela“.

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