Donnersbergkreis Reichlich spät – und doch gerade recht?

FDP-Mann Gerhard Holstein enthielt sich als Einziger der Stimme, als ein Antrag der SPD, der auf eine Veränderung in der Sozialgesetzgebung des Bundes und gegen drastische Mittelkürzungen bei der Arbeit mit Langzeitarbeitslosen zielte, am Mittwochabend im Stadtrat zur Abstimmung stand. Wohl kaum, weil der Stein des Anstoßes zu Zeiten der CDU-/FDP-Koalition geworfen worden war. Und bestimmt nicht, weil Holstein der Sache selbst nicht hätte zustimmen können. Sondern deshalb, weil er den Geruch einer „Profilierung für die Wahl“ im Stadtrat wahrzunehmen glaubte. Falsch lag Holstein damit vielleicht nicht. Auch seine Ratskollegen Ulrike Ettinger (Grüne), Thomas Edinger (CDU) und Thomas Bock (parteilos) fanden den Zeitpunkt wenige Wochen vor der Kommunalwahl etwas anrüchig. Nicht so SPD-Fraktionschef Wolfgang Hupp, der den Antrag mit Bitte um ein Votum des Stadtrates vortrug: Der SPD-Ortsverein habe eben jetzt, im März, beim Besuch des Sozialvereins „Brücke“ in Kirchheimbolanden von den konkreten Auswirkungen dieser Mittelkürzungen des Bundes und der Gesetzesänderung erfahren und gehe daher jetzt auch dagegen vor. Beiläufig bemerkt: Über diese Mittelkürzungen und deren Auswirkungen auf den Donnersbergkreis und damit auch auf die „Brücke“ hatte die RHEINPFALZ schon im Frühjahr 2011 berichtet, 2012 hatte sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Gustav Herzog persönlich bei der Sozialinitiative in der Marnheimer Straße ein Bild davon gemacht. Seit jenem Jahr greift die kritisierte Änderung der Sozialgesetzgebung, die einen starken Einschnitt bei der Vorbereitung von Langzeitarbeitslosen auf den ersten Arbeitsmarkt bedeutet. Sie besagt: „Erwerbsfähige Leistungsberechtigte dürfen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht länger als insgesamt 24 Monate in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden.“ In Einrichtungen wie die „Brücke“ zum Beispiel. Das heißt, dass seither deutlich weniger Langzeitarbeitslose qualifiziert und beschäftigt werden können, zahlreiche Ein-Euro-Jobs vor Ort weggefallen sind. Denn fanden Arbeitslose trotz allen Bemühens doch keine reguläre Arbeit, konnte die „Brücke“ viele von ihnen zumindest in eine sinnvolle Beschäftigung vermitteln. So waren die Ein-Euro-Jobber außer bei vielfältigen Tätigkeiten in der eigenen Einrichtung auch für Kommunen – etwa im Kirchheimbolander Bauhof –, eine wertvolle Unterstützung. Bei der „Brücke“ haben die Änderungen letztlich dazu geführt, wie Hupp vortrug, dass statt wie in früheren Jahren für 70 Frauen und Männer aktuell nur noch Arbeitsgelegenheiten für 20 Personen vorgehalten werden. Die Zahl der Festangestellten bei der „Brücke“, so hat der SPD-Ortsverein von Einrichtungsleiterin Rita Eisenhut erfuhr, reduzierte sich von acht auf drei Personen. Doch es gibt noch eine wichtige soziale Komponente, die der SPD-Antrag betont: „Für das Selbstwertgefühl der Menschen, für den Zusammenhalt und die Solidarität innerhalb unserer Gesellschaft ist eine solche Beschäftigung unerlässlich“, schreibt die SPD-Stadtratsfraktion. Sie fordert daher in ihrem vom Stadtrat fast einstimmig gebilligten Antrag, der Bundestag möge diese Zuweisungsbegrenzung aufheben. Gerichtet ist die Forderung an das nun von SPD-Frau Andrea Nahles geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Vielleicht erhöht dieser Umstand ja die Chance auf einen gesetzgeberischen Sinneswandel und käme deshalb zwar spät, aber doch zur rechten Zeit. Im Interesse der Betroffenen kann man es nur wünschen. Und es, was den Zeitpunkt des SPD-Vorstoßes angeht, mit Stadtrats-Urgestein Rüdiger Schauß halten: „Lieber spät wie gar net.“

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