Bad Dürkheim Mehr Demokratie, mehr Arbeit

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Mehr Transparenz hat die Landesregierung den Kommunen verordnet. Seit Juli gilt: Vorgaben für Bürgerbegehren sind vereinfacht, Sitzungen von Räten und Ausschüssen müssen überwiegend öffentlich und Gemeindehaushalte vor ihrer Verabschiedung einsehbar sein. Die Bürger scheinen bisher wenig Interesse an den neuen Möglichkeiten zu zeigen, wie Kommunalpolitiker bei einer Umfrage berichten.

„Der Bürger hat nun mehr Möglichkeiten, es ist seine Entscheidung, ob er die nutzt“, sagt Heidi Langensiepen (FDP). Langensiepen ist Mitglied des Kreistags und Beigeordnete der Stadt Bad Dürkheim. Sie hat in vielen Jahren Kommunalpolitik die Erfahrung gemacht, dass das Interesse an öffentlichen Sitzungen „gering bis gar nicht vorhanden ist“. Ausnahmen gebe es nur, wenn es um Themen geht, die Einzelne persönlich betreffen. Das neue Gesetz biete Bürgern verstärkt die Möglichkeit „die Personen, die er gewählt hat, in Aktion zu erleben und so auch bewusster Wahlentscheidungen zu treffen“. Langensiepen weiß, dass einige Mitglieder von Räten glauben, nicht so frei sprechen zu können, wenn Sitzungen öffentlich sind. „Das hat den Vorteil, dass dann nicht mehr so viel geschwafelt wird“, sagt Langensiepen. Ein Nachteil sei dagegen, dass insgesamt „mehr geredet wird, wenn Öffentlichkeit da ist“. Langensiepen kritisiert, dass der Gesetzgeber in dem Gesetz viele Punkte nicht ausreichend konkretisiert habe. Arnold Nagel, FWG-Vertreter im Kreistag, im Verbandsgemeinderat und im Stadtrat Wachenheim, geht das Gesetz zur verstärkten Beteiligung der Bürger nicht weit genug. Er fordert, dass alle Sitzungen der Gremien öffentlich übertragen werden. „Das wäre Transparenz“, so Nagel. Er erinnert daran, dass ein entsprechender Antrag der FWG im Verbandsgemeinde- und Stadtrat abgelehnt wurde. Nagel ist überzeugt, dass das Interesse der Bürger an Sitzungen von Gremien steigen würde, wenn diese übertragen würden. „Für die Bürger ist es dann einfacher, sich zu informieren“, so Nagel. Wenn die Bürger durch Übertragungen die Möglichkeit hätten, „sich über einen längeren Zeitraum ein Bild davon zu machen, was einzelne Politiker tun und leisten“ würde sich das auf Wahlergebnisse auswirken, ist Nagel überzeugt. Und die Bürger würden merken, „wenn Politiker Schaufensterreden halten“, so Nagel. „Mehr Transparenz im kommunalen Leben ist gut, was mich aber ärgert ist, dass das Land den Kommunen diese Vorgabe macht, aber sich selbst nicht um mehr Transparenz bemüht“, sagt Erhard Freunscht (CDU), Mitglied im Verbandsgemeinderat Freinsheim und Beigeordneter in Weisenheim am Berg sowie ehemaliger Beigeordneter des Kreises. Auch Freunscht weiß aus langjähriger Erfahrung, dass bei den meisten Sitzungen der Gremien kaum ein Zuschauer da ist. Wenn Öffentlichkeit anwesend sei, würden mehr „Schaufensterreden“ gehalten. Es bestehe die Gefahr, dass das zunehme. Grundsätzlich sei Transparenz positiv, doch ob alles, was in dem neuen Gesetz vorgegeben ist, sinnvoll sei, müsse sich in der Praxis zeigen, so Freunscht. Wichtig sei, dass Themen, bei denen es um persönliche Daten geht, weiterhin nichtöffentlich behandelt werden. Generell müsse man überlegen, ob Ausschusssitzungen überhaupt noch notwendig seien. Bisher sind laut Freunscht dort überwiegend Themen nichtöffentlich vorberaten worden, die anschließend öffentlich im Rat besprochen wurden. Zweimal das gleiche Thema öffentlich zu behandeln, sei eigentlich nicht erforderlich, sagt Freunscht. Das Gesetz sei „eine Riesenchance für eine weitere demokratische Entwicklung“, sagt Matthias Weber (FWG), Bürgermeister der Stadt Freinsheim und Mitglied im Verbandsgemeinderat Freinsheim. „Mehr Demokratie tut uns gut, es bedeutet aber auch mehr Arbeit“, sagt Weber. Das gelte sowohl für die Mitglieder der Gremien, wie auch für die Bürger. Die Bürger koste es Zeit, „wenn sie sich informieren und schauen wollen, was die Ratsmitglieder machen“. Und die Mitglieder der Gremien müssten sich „besser vorbereiten und könnten nicht mehr so frei und ungeschützt vor sich hinplappern“. Er weiß aus Erfahrung, „dass Bürger sich nur für Themen interessieren, die sie persönlich betreffen“. Die Bürger müssten über das neue Gesetz noch besser informiert werden, dann würden vielleicht mehr in Sitzungen kommen, hofft Weber. Eine Sitzung des Festausschusses des Rates der Stadt Freinsheim sei recht gut besucht gewesen. Da die Besucher Diskussionsbedarf gehabt hätten, habe er nach dem Ende der Sitzung ein Gespräch angeboten, berichtet Weber. „Öffentlichkeit ist notwendig und grundsätzlich in Ordnung“, sagt Helmut Rentz (SPD), Ellerstadter Bürgermeister, der auch auf langjährige Erfahrung als früheres Mitglied des Verbandsgemeinderats Wachenheim und Beigeordneter der Verbandsgemeinde zurückblicken kann. Doch sei die Umsetzung des Gesetzes kompliziert und umständlich. Als ein Beispiel nennt Rentz die Vergabe von Aufträgen. Die müssten öffentlich vergeben werden, doch über die Firmen, die sich um einen Auftrag beworben haben, dürfe öffentlich nicht geredet werden. Problematisch sei es auch mit Ortsbesichtigungen durch Bauausschüsse, die müssten eigentlich nichtöffentlich sein und danach müsste dann öffentlich über den Anlass für die Ortsbesichtigung gesprochen werden. Auch Rentz weiß, dass das Interesse der Bürger an Sitzungen nicht groß ist, hat aber festgestellt, dass zu öffentlichen Sitzungen des Bauausschusses durchaus Zuhörer kommen. „Es kommt niemand zu Sitzungen, mit Ausnahme, wenn es um den Wurstmarkt geht oder um Themen, die die Leute persönlich betreffen“, sagt Barbara Hoffmann (Grüne), Beigeordnete der Stadt Bad Dürkheim. Grundsätzlich sei Öffentlichkeit zwar positiv, doch manches sehe sie auch kritisch, so Hoffmann. So sei sie der Meinung, „dass Themen, wo es Empfindlichkeiten gibt, erst einmal ohne Öffentlichkeit besprochen werden sollen“. Seit der Gesetzesänderung würden „kritische Punkte, die früher offen ausgesprochen wurden, nach der Sitzung diskutiert“, verrät Hoffmann. „Der Besucherandrang zu Sitzungen ist nicht wirklich hoch und ich glaube nicht, dass aufgrund des Gesetzes mehr Zuhörer kommen“, sagt Michael Bähr (CDU), Erster Beigeordneter in Weisenheim am Sand. Bähr befürchtet, dass bei manchen Themen, „die bisher sachlich besprochen wurden“, dies nicht mehr der Fall sein wird, „weil einige Ratsmitglieder die Öffentlichkeit zur Selbstdarstellung“ nutzen könnten. Er habe sich mit dem Gesetz noch nicht befasst, gesteht Christian Muly (SPD), Fraktionschef im Freinsheimer Stadtrat. Generell sei Transparenz „natürlich gut“. „Wir freuen uns immer, wenn Besucher da sind“, sagt Muly. Oft sei das nicht der Fall. Wenn Öffentlichkeit bei Sitzungen anwesend ist, würden sich die Räte förmlicher verhalten.|ann

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