Rheinpfalz „Von wegen mordsmäßige Hektik“

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Im Streit um die Frage, wer das Scheitern des Verkaufs des Flughafens Hahn im Juni zu verantworten hat, legte die Landesregierung gestern den vollständigen Briefwechsel des Innenministeriums mit der Beratungsgesellschaft KPMG vom Juli vor. KPMG wollte von der Verschwiegenheitspflicht entbunden werden, was das Ministerium abgelehnt hat.

MAINZ. Innenminister Roger Lewentz und Staatssekretär Randolf Stich (beide SPD) beteuerten gestern, es habe keinen Zeitdruck beim Verkauf des Flughafens gegeben, schon gar nicht von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Genau das Gegenteil steht in einem Brief, den KPMG am 21. Juli an die Staatskanzlei, das Innenministerium sowie an das Finanz- und das Wirtschaftsministerium geschickt hat und der Anfang der Woche bereits Wirbel verursachte. Wie berichtet, schildert KPMG darin die letzte Verhandlungsrunde mit dem damaligen Bieter, der chinesischen Shanghai Yiqian Trading Co. LTD (SYT), am 19. Mai 2016. Bei dieser Sitzung hatte SYT einen Gesellschafterwechsel angekündigt. KPMG habe Innenstaatssekretär Stich ein Aussetzen der Verhandlungen empfohlen, um die neue Gesellschafterstruktur gründlich zu prüfen. Das habe Stich abgelehnt, heißt es in dem Brief: „Er begründete dies insbesondere mit den fehlenden Handlungsalternativen und dem Hinweis auf den von Ihnen, Frau Ministerpräsidentin, bereits zuvor zum Ausdruck gebrachten Zeitdruck.“ Lewentz sagte, es habe keine Zeitvorgabe und kein „akutes Eingreifen“ der Ministerpräsidentin gegeben. Stich, der für das Land die Verhandlungen geführt hat, kommentierte die Darstellung von KPMG: „Wir wissen nicht, welche Wahrnehmung die hatten.“ Es habe überhaupt keinen Zeitdruck gegeben. „Von wegen mordsmäßige Hektik. Das war so nicht“, betonte Stich. „Wenn das noch zehn Wochen gedauert hätte, dann hätten wir zehn Wochen später unterschrieben.“ Im Antwortschreiben der Landesregierung an KPMG vom 25. Juli wird allerdings ebenfalls angedeutet, dass es an diesem 19. Mai ein enges Zeitfenster gegeben habe. „Da eine Bankbürgschaft in der verbleibenden Zeit allerdings nicht realisierbar war, wurde dieser Ansatz im Hinblick auf die ausdrücklichen Verfahrensbedingungen nicht weiter verfolgt.“ Darauf angesprochen, sagte Stich gestern: „Das sollte man nicht überbewerten.“ Auf mehrfache Nachfragen, worauf sich die „verbleibende Zeit“ beziehe, führte er einen nicht näher definierten Schriftwechsel an. Bereits am 18. Mai, also einen Tag vor dieser Verhandlungsrunde, war die 40 Seiten umfassende Kabinettsvorlage an die Ministerien geleitet worden. Ursprünglich sollte das Kabinett am 24. Mai grünes Licht für den Hahn-Verkauf geben. Nach Darstellung des Wirtschaftsministeriums hat Staatssekretärin Daniela Schmitt (FDP) in der Staatssekretärsrunde am 23. Mai beantragt, das Thema von der Tagesordnung zu nehmen. Stich sagte dazu gestern: „Es war nicht so, dass uns jemand fremdbestimmt gesagt hätte, dass wir die Entscheidung vertagen.“ Letztlich hat das Kabinett am 30. Mai dem Verkauf zugestimmt. Wenige Tage vorher hatte SYT eine Bankbestätigung per E-Mail geschickt, auf der ein Kontostand mit 27 Millionen Euro angegeben war. Von diesem Bankbeleg sagt das Innenministerium inzwischen, er sei gefälscht. Auf die Frage, ob das Ministerium zu der Zeit gewusst hat, welcher Gesellschafter das Geld bereitgestellt hatte, sagte Stich nur, das Konto sei unter dem Namen von SYT geführt worden. Die CDU-Opposition rüstet sich für die Befragung Dreyers in der von ihr beantragten Sondersitzung mehrerer Landtagsausschüsse in der nächsten Woche. Die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Christian Baldauf, Alexander Licht und der parlamentarische Geschäftsführer Martin Brandl wollen anhand einer Zeitleiste aufzeigen, wie eng die Staatskanzlei eingebunden war. Kommentar |kad

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