Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz: Rechtschreibung von Grundschülern unter Bundesschnitt

In der Grundschule soll der Grundstock für selbstständiges Lernen und eine positive Arbeitshaltung gelegt werden, sagt das rhein
In der Grundschule soll der Grundstock für selbstständiges Lernen und eine positive Arbeitshaltung gelegt werden, sagt das rheinland-pfälzische Bildungsministerium.

„Reperatur“ statt „Reparatur“, „orginal“ statt „original“, „wiederspiegeln“ statt „widerspiegeln“ – diese drei Beispiele gehören zu den häufigsten Rechtschreibfehlern. In Baden-Württemberg bekommen Schüler künftig bei Klassenarbeiten eine schlechtere Note, wenn sie viele solcher Fehler machen. Rheinland-Pfalz will sein Bewertungssystem jedoch nicht verschärfen.

In Baden-Württemberg gibt es erst Ende Juli Ferien. Deshalb verschwand der Vorstoß der Stuttgarter Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) nicht unbemerkt im Sommerloch, sondern wird jetzt eifrig diskutiert: Nach dem Willen von Eisenmann sollen Rechtschreibfehler in Klassenarbeiten auch jenseits des Faches Deutsch mit einem Notenabzug geahndet werden. Also beispielsweise in Biologie, Mathematik oder Erdkunde, ausgenommen sind aber die „modernen Fremdsprachen“. Rechtschreibung sei eine elementare Kulturtechnik und gehöre wie Lesen und Rechnen zu den Schlüsselqualifikationen, sagt die Ministerin. Gelten soll die neue Regelung ab der fünften Klasse. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Baden-Württemberg lehnt die Neuerung indes ab. „Das ist für mich populistisch und führt in keiner Weise dazu, Qualität schulischer Leistung zu fördern“, sagt GEW-Landeschefin Doro Moritz. „Wenn wir Schülerinnen und Schüler haben, die eine besondere Stärke in einem Fach haben, wird diese durch solche Vorgaben nivelliert.“ Es könne nicht sein, dass ein Schüler, der fachlich exzellent in Biologie ist, seine Leistung wegen der Ahndung von Rechtschreibfehlern nicht erbringen kann, meint Moritz: Die meisten Schüler machten Rechtschreibfehler nicht aus Faulheit, sondern weil sie es nicht besser könnten.

Rheinland-Pfalz schlechter als der Bundesschnitt

Doch das ist offenbar genau das Problem. Eine Grundschul-Studie des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) aus dem Jahr 2016 zeigt, dass bundesweit 22,1 Prozent der Schüler der vierten Klasse die Mindestanforderung in Orthografie nicht erreichen. In Rheinland-Pfalz sind es mit 23,4 Prozent sogar noch etwas mehr Grundschüler, die mit der Rechtschreibung große Probleme haben. Die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende des Philologenverbandes, Cornelia Schwartz (Speyer), sagt: „Problematisch ist, dass wir zunehmend auch am Gymnasium Schülerinnen und Schüler haben, die keine flüssige Handschrift oder sichere Rechtschreibung beherrschen.“ Die Einschätzung, dass sich das Problem verschärft, wird von den IQB-Ergebnissen gestützt. Das Institut, das eine wissenschaftliche Einrichtung der Bundesländer ist, testet alle fünf Jahre den Lernstand der Grundschüler in Deutschland. Der Vergleich zu der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2011 zeigt, dass die Grundschüler in Rechtschreibung inzwischen deutlich schlechter geworden sind – um knapp acht Prozentpunkte.

"Wir planen nichts"

Eigentlich wäre dies auch für Rheinland-Pfalz ein Grund nun gegenzusteuern, wie man dies in Baden-Württemberg tun will. Denn Konsequenzen müssen Schüler in Rheinland-Pfalz bei Rechtschreibfehlern bisher nur im Fach Deutsch fürchten. Hier sieht die aktuelle Verwaltungsvorschrift des Mainzer Bildungsministeriums vor, dass ab der Klassenstufe 7 bei „besonders schwachen Rechtschreib- und Zeichensetzungsleistungen“ die Note bei schriftlichen Arbeiten „um höchstens eine Notenstufe“ herabgesetzt werden kann. Solche Notenabzüge soll es in Baden-Württemberg künftig auch in anderen Fächern geben. Nicht jedoch in Rheinland-Pfalz: „Wir planen nichts in dieser Hinsicht“, sagt eine Sprecherin des Mainzer Bildungsministeriums. Etwas anders sieht es – zumindest auf dem Papier – beim schriftlichen Abitur in Rheinland-Pfalz aus. Dafür macht eine weitere Verwaltungsvorschrift des Mainzer Bildungsministeriums die Vorgabe, dass „schwerwiegende und gehäufte Verstöße gegen die sprachliche Richtigkeit“ zu einem Abzug von ein bis zwei Punkten führen – und zwar nicht nur in Deutsch, sondern auch in anderen Fächern. Das ist eine eher moderate Sanktion – denn erst drei Punkte machen eine ganze Notenstufe aus.

Wann ist ein Fehler schwerwiegend?

Doch ob bei gehäuften Rechschreibfehlern im Abitur die Lehrer tatsächlich immer ein bis zwei Punkte abziehen, ist zweifelhaft. „Dies fällt uns als Lehrkräften nicht leicht, da wir unseren Schülerinnen und Schüler ja nicht in erster Linie eine saubere und flüssige Handschrift oder Grundzüge der Rechtschreibung beibringen sollen“, sagt Philologenverbands-Landesvorsitzende Cornelia Schwartz. Denn eigentlich sollten Handschrift und Rechtschreibung „das Rüstzeug sein, mit dem unsere Schülerinnen und Schüler zu uns kommen, und wir sollten darauf aufbauen können und das bewerten, was wir ihnen darüber hinaus vermittelt haben“. Der Philologenverband vertritt die Belange der Gymnasiallehrer. Aus deren Sicht, so sagt Schwartz, wäre die systematische Vermittlung einer sicheren Rechtschreibung von Anfang der Schulkarriere an notwendig. Dass dies nicht überall in ausreichendem Maße gelingt, zeigen die Erhebungen des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen. Aber was sind letztlich „schwerwiegende und gehäufte Rechtschreibfehler“, die in Baden-Württemberg künftig bei der Bewertung geahndet werden können? „Wenn ein Schüler ,dass’ und ,das’ verwechselt oder ein Komma vergisst, wird es keinen Notenabzug geben, sagt die Sprecherin des Stuttgarter Kultusministeriums Christine Sattler. Aber wenn ein Text von vorne bis hinten voller Fehler sei, so dass er kaum noch zu lesen sei, dann könne die Neuregelung zur Anwendung kommen.

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