Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz: Landes-CDU sieht hausärztliche Versorgung „akut gefährdet“

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Fehlen in Rheinland Pfalz demnächst die Hausärzte? Das befürchtet die CDU-Opposition im Landtag. Das Gesundheitsministerium sieht hingegen keinen Grund zur Sorge. Ganz anders der Zweibrücker Mediziner und CDU-Landtagsabgeordnete Christoph Gensch: Er fürchtet eine Versorgungskrise und wirft der Landesregierung vor, das Ausmaß des Problems zu verschleiern.

Es klingt alles so schön: Probleme gebe es so gut wie keine. Eine ärztliche Unterversorgung bestehe weder noch drohe sie. Außerdem habe die Landesregierung seit Jahren die Sicherung der ärztlichen Versorgung im Blick. Schon seit 2007 existiere ein „Masterplan zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung“ und zudem fördere das Land seit 2011 Hausärzte, die sich in Rheinland-Pfalz niederlassen wollen. Alles eitel Sonnenschein also? So lesen sich zumindest die Ausführungen des rheinland-pfälzischen Gesundheitsministeriums zu diesem Thema.

Hausärzte überaltert

Christoph Gensch (CDU) bewertet die Sachlage anders. Der Landtagsabgeordneter ist selbst Arzt. Er sieht die medizinische Versorgung in Rheinland-Pfalz zunehmend bedroht. Gerade im Bereich der Hausärzte stehe eine Versorgungskrise bevor. Der Zweibrücker beruft sich dabei auf offizielle Daten der Landesregierung. Im vergangenen November beantwortete die nämlich eine Große Anfrage der CDU-Landtagsfraktion zu dem Thema Ärzteversorgung. An einigen Stellen verwies die Regierung allerdings auf den Datenschutz und verweigerte nähere Angaben. Dazu später mehr. Wer jedoch die Angaben genau analysiert, findet heraus, dass die rheinland-pfälzischen Hausärzte nahezu flächendeckend (siehe Grafik) überaltert sind. Mit Ausnahme von Ludwigshafen und einigen Landstrichen im Norden sind mehr als 30 Prozent von ihnen über 60 Jahre.

CDU-Abgeordneter Gensch: „Landesregierung verschleiert"

Zieht man Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) hinzu, zeichnet sich ein noch deutlicheres Bild. Demzufolge sind 17,5 Prozent der Hausärzte zwischen 60 und 64 Jahren, knapp 20 Prozent sogar älter als 65 Jahre. Zum Stichtag 30. Juni 2017 waren in Rheinland-Pfalz demzufolge bereits 37,3 Prozent der Hausärzte über 60 Jahre alt. Ob darunter beispielsweise auch über 70-Jährige sind, ist unklar. Gensch sagt: „Die Landesregierung verschleiert das Ausmaß des Problems, obwohl einzelne Regionen bereits akut gefährdet sind.“ Dem CDU-Mann zufolge zeichnet sich diese Entwicklung schon länger ab. In der Tat warnte der Präsident der Landesärztekammer bereits 2002 im Deutschen Ärzteblatt vor der Entwicklung in einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz mit seinen dünn besiedelten Regionen. Die Besetzung freier Arztstellen werde nahezu unmöglich. Die Landesärztekammer stimmte 2005 einen ähnlichen Ton an. Sie wies schon damals in einer Pressemitteilung auf das Problem einer drohenden Versorgungslücke hin. Gensch wirft der Landesregierung nun vor, nicht angemessen reagiert zu haben. Den Masterplan, den die damalige Gesundheitsministerin und heutige Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) 2007 vorgestellt hatte, stellt Gensch in Frage. Er habe das Problem weder lösen noch entscheidende Verbesserungen der Situation bewirken können.

Regierung verweigert Angaben 

Zurück zu den Medizinern. In der Antwort auf die Große Anfrage verweigert die Regierung detaillierte Angaben zur Alterssituation bei den Hausärzten. Die Verantwortlichen berufen sich dabei auf den Datenschutz. Allerdings wirkt dieses Argument seltsam. So stellte der Datenschutz nämlich in der vorherigen Legislaturperiode noch kein Hindernis dar. Im September 2015 fragte der Südpfälzer Abgeordnete Martin Brandl (CDU) nach der Situation der Hausärzte im Kreis Germersheim. Daraufhin erhielt er eine genaue Aufschlüsselung, wie alt die damals praktizierenden Hausärzte waren. Die RHEINPFALZ hat sich bezüglich der Datenschutzfrage an das Mainzer Büro des Landesbeauftragten für Datenschutz gewandt und wollte wissen, welche Datenschutzbestimmungen währenddessen in Kraft getreten sind, die eine detaillierte Antwort nicht mehr erlauben. Die Antwort aus dem Büro des Datenschutzbeauftragten ist eindeutig. Es gebe seit der Beantwortung der Kleinen Anfrage von 2015 keine neuen Datenschutzgesetze. Das Gesundheitsministerium könne daher die Angaben durchaus detaillierter aufbereiten als das in der Antwort auf die Große Anfrage geschehen sei. Das Ministerium verweist auf die KV, die entscheide, welche Daten veröffentlicht werden. Aus den Angaben ließen sich Rückschlüsse auf einzelne Ärzte ziehen. Nicht jeder möchte sein Alter veröffentlicht haben. Das war auch 2015 nicht der Fall, aber immerhin konnte da noch die Altersstruktur dargestellt werden. Es ging nie um einzelne Mediziner, sondern immer um die Anzahl von Ärzten in einer bestimmten Region, wie etwa einem Kreis oder einer kreisfreien Stadt.

Mehr Studienplätze für Humanmedizin gefordert

Gensch vermutet, dass die landesweiten Mittelwerte verschleiern, dass in einzelnen Gebieten bereits bis zur Hälfte aller Hausärzte über 60 Jahre alt seien. Weil das Gesundheitsministerium konkrete Zahlen verweigere, könne die CDU-Opposition regionale und kommunale Brennpunkte, in denen die Situation besonders brenzlig sei und Versorgungsengpässe unmittelbar bevorstehen, nicht erkennen. „Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier ein Problem unter den Teppich gekehrt werden soll“, sagt Gensch. Er fordert nun die Landesregierung dazu auf, nicht nur die Daten vorzulegen, sondern „endlich geeignete Maßnahmen zur Sicherung der ärztlichen Versorgung in Rheinland-Pfalz zu ergreifen“. Konkret spricht er sich etwa dafür aus, die Arbeit des Lehrstuhls für Allgemeinmedizin an der Mainzer Universität zu evaluieren. Es müsse gewährleistet sein, dass die Angebote ausreichen und der Lehrstuhl sein Ziel erfülle, mehr Studierende für die Allgemeinmedizin zu gewinnen. Außerdem müsse das Förderprogramm des Landes zur medizinischen Versorgung neu konzipiert werden. Der Masterplan von 2007 solle ebenfalls überarbeitet werden. Zuvor solle überprüft werden, was er tatsächlich bewirkt habe. Gensch spricht sich für Stipendienprogramme für Studierende aus, die sich verpflichten, nach der Facharztweiterbildung in Rheinland-Pfalz vertragsärztlich tätig zu werden oder als Hausarzt insbesondere im ländlichen Raum zu arbeiten. Außerdem müsse die Landesregierung mehr Studienplätze für Humanmedizin anbieten, um junge Menschen als Nachwuchsärzte zu gewinnen. Das Niveau der ärztlichen Versorgung werde sich mit den heutigen Kapazitäten nicht aufrechterhalten lassen. In der Erhöhung der Studienplatzzahlen liege ein Schlüssel für die Sicherung der ärztlichen Versorgung. 

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Chr. Gensch
Chr. Gensch
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