Rheinland-Pfalz Kandel: Messerstecher hat Ex-Freundin gedroht

15-Jähriger schweigt gegenüber Ermittlern – Vertreter der Landesregierung beraten über Konsequenzen nach Kandeler Bluttat

«KANDEL/MAINZ.» Täter und Opfer der Bluttat von Kandel kannten sich: Nachdem das 15-jährige Mädchen seine Beziehung zu ihm abgebrochen hatte, wurde sie von dem gleichaltrigen Flüchtling aus Afghanistan immer wieder bedrängt, teilten die Ermittler gestern mit. In Mainz sind Vertreter der Landesregierung wegen des Falles zu einer Krisensitzung zusammengetreten. Der Jugendliche habe nach der Trennung mehrfach versucht, über soziale Netzwerke und auch telefonisch mit der 15-Jährigen Kontakt aufzunehmen, informierte der Ludwigshafener Polizeivizepräsident Eberhard Weber bei einer Pressekonferenz in Ludwigshafen. Auch habe er ihr gedroht, er wolle sie „abpassen“.

Eltern stellten Strafanzeige

Die Eltern des späteren Opfers haben bereits am 15. Dezember bei der Polizei Strafanzeige wegen Beleidigung, Nötigung, Bedrohung und Verletzung persönlicher Rechte gegen den Afghanen erstattet. Die Polizei wies den jungen Mann am 17. Dezember mit einer „Gefährderansprache“ telefonisch und am 18. Dezember persönlich an, sich entsprechend zu verhalten. „In der Regel fruchtet dies“, sagte Weber. Dem jungen Mann seien sein Verhalten deutlich gemacht und strafrechtliche Konsequenzen aufgezeigt worden. Einer Vorladung ist er laut Weber jedoch nicht nachgekommen. Deshalb hätten Polizisten ihn am Mittwochmorgen in Neustadt aufgesucht und ihm die Vorladung ausgehändigt.

 Tatwaffe: ein Küchenmesser

Am Nachmittag des Tattages sei er nach Kandel gefahren und habe eher zufällig seine Ex-Freundin getroffen, die mit zwei jungen Männern ähnlichen Alters unterwegs war. Nach einem kurzen Gespräch sei der 15-Jährige der Gruppe bis in den dm-Drogeriemarkt gefolgt. Dort hat es nach Angaben des Leiters der Ermittlungsgruppe, Dieter Lippold, einen kurzen Wortwechsel gegeben, dann habe der mutmaßliche Täter mehrmals auf sein Opfer eingestochen. Das sei von mehreren Zeugen beobachtet worden. Die mutmaßliche Tatwaffe, ein Küchenmesser mit 20 Zentimeter langer Klinge, wurde sichergestellt. Die beiden Begleiter und andere Beteiligte hätten den Afghanen nach der Tat festgehalten, bis die Polizei eintraf. Das habe er widerstandslos über sich ergehen lassen. Ebenso habe er sich widerstandslos vom Tatort wegbringen lassen. Gegen den 15-Jährigen, den die Staatsanwaltschaft für strafmündig hält, erließ ein Richter Haftbefehl wegen Totschlags. Die Ermittler wollen nun prüfen, ob auch Mord als Vorwurf infrage kommt. Die Höchststrafe liegt in beiden Fällen wegen des anzuwendenden Jugendstrafrechts bei zehn Jahren.

Trotz Reanimation gestorben

Die Leitende Oberstaatsanwältin Angelika Möhlig sagte, dass der Täter von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht habe. Obwohl der 15-Jährigen Erste Hilfe geleistet und sie reanimiert worden war, sei sie im Krankenhaus den schweren Verletzungen erlegen.

In Neustadter Wohngruppe untergebracht

Rund 100 unbegleitete minderjährige Jugendliche wurden im Landkreis Germersheim aufgenommen. Der 15-Jährige wechselte nach Auskunft der Kreisverwaltung Germersheim im September 2017 in die betreute Jugend-Wohngruppe eines freien Trägers nach Neustadt. „In dieser WG leben vier Jugendliche, die von drei Bezugserziehern versorgt und pädagogisch betreut werden“, so die Kreisverwaltung Germersheim. Jeder Jugendliche werde neben dem Schulbesuch mit mindestens zehn Stunden direkt betreut und es bestehe rund um die Uhr eine telefonische Rufbereitschaft.

Hohe Betreuungsdichte

„Aufgrund der Selbstständigkeit (zum Beispiel Umgang mit Geld, Selbstversorgung, Schulbesuch) wurde ein Wechsel in eine betreute Wohngemeinschaft angestrebt“, so die Kreisverwaltung weiter. Die WG biete einen wesentlich kleineren, altersgerechten Rahmen (nur vier Plätze) mit einer hohen Betreuungsdichte. Sie sei als mittelfristige adäquate Hilfeform als notwendig und geeignet eingerichtet worden.

Sondersitzung in Mainz

In der Landespolitik hat der Fall der getöteten 15-Jährigen am Donnerstag zu einer Sondersitzung der Regierung geführt. Zweieinhalb Stunden saßen Vertreter des Innenministeriums, des Integrations- und Familienministeriums, des Bildungsministeriums und nach Informationen der RHEINPFALZ auch der Staatskanzlei am Nachmittag zusammen. Anschließend hieß es in einer Erklärung, die Ministerien hätten die „Ereignisse in Kandel im Fokus“. Sie hätten sich einen Überblick über die Vorgänge verschafft. „Vor dem Hintergrund der weiteren Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft wird die Landesregierung bewerten, welche Konsequenzen unter Umständen aus diesen Erkenntnissen zu ziehen sind.“ Bereits zuvor hatten Innenminister Roger Lewentz (SPD) und Integrations- und Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) ihre Betroffenheit ausgedrückt. „Unsere Gedanken und die Anteilnahme der Landesregierung gelten der Familie und den Freunden des Opfers.“ Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion , Martin Brandl, drückte der Familie sein Mitgefühl aus. Ferner sagte er, er vertraue der Arbeit der Justiz. „Sollten sich aus den Ermittlungen Anhaltspunkte für weitere Konsequenzen ergeben, erwarten wir, dass diese zeitnah umgesetzt werden.“ Weitere Reaktionen kamen von der AfD-Fraktion. „Rheinland-Pfalz ist eben nicht sicher“, hieß es in einer Mitteilung von Fraktionschef Uwe Junge. Er kündigte Berichtsanträge in mehreren Fachausschüssen des Landtages an.  Info Hier geht es zum Überblick der Berichterstattung über den Fall.

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