Rheinpfalz Sozialgeräusch, sozialer Kitt

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Hahaha. Hihihihihihihi. Kicher. Prösterchen. Kling klang. Ach ja. Ach so. Wie toll. Uhuhuhuhu. Uiuiuiui. Echt? Wahnsinn! Toll! Hihihi. Hahaha. Hihihihihihihi. Kicher. Prösterchen. Kling klang. Mimimi. Mama unterhält sich prächtig auf der Party. Papa steht im Eck und trinkt. Mit den anderen Männern. Schweigend.

Gemütliches Schwatzen ist eine Kunst, die verloren geht, fürchten Experten. Aber Small Talk ist wichtig für Gesellschaften und muss nicht oberflächlich sein.

Small Talk hat kein gutes Image: oberflächliches Geplapper, nichtssagende Gespräche, die nur der Karriere dienen oder dazu da sind, um Sozialgeräusche zu produzieren. Nicht nur Introvertierte empfinden den belanglosen Plausch als anstrengend. Das ist laut Forschern des niederländischen Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik nicht verwunderlich: „Unterhaltungen sind womöglich eine der anspruchsvollsten kognitiven Aufgaben in unserem Alltag.“ Ratgeber haben haufenweise Tipps, wie man Small Talk mühelos praktiziert. Warum die überhaupt nötig sind, dafür hat Dieter Zittlau eine Erklärung. „Die Leute sind es auf der Beziehungsebene nicht mehr gewohnt, zu kommunizieren“, meint der Düsseldorfer Hochschuldozent für Psychologie und Kommunikation. Trotz des fehlenden Tiefgangs hat der Schwatz mit Unbekannten aber seinen Sinn. Kontakte und Gespräche sind das soziale Schmiermittel einer Gesellschaft und können der Beginn einer Bekanntschaft sein, aus der später mehr wird.

Schwatzen für das Wohlbefinden

„Quantität und Qualität sozialer Beziehungen beeinflussen das psychische und physische Wohlbefinden“, sagt Jana Nikitin, die am Psychologischen Institut der Universität Zürich zum sozialen Verhalten jüngerer und älterer Menschen forscht. Es gebe sogar einen Zusammenhang zur Sterblichkeit. „Soziale Beziehungen knüpfen und aufrechterhalten zu können, ist daher der zentrale Faktor erfolgreicher Entwicklung über die gesamte Lebensspanne.“ Dass Unterhaltungen mit Fremden sogar glücklich machen, haben Psychologen von den Universitäten Columbia und Cambridge herausgefunden: Demnach waren Versuchsteilnehmer, die gebeten wurden, im Zug mit anderen Gespräche zu führen, anschließend viel zufriedener als die Menschen, die still und ohne Kontakt zur Arbeit fuhren. Im richtigen Leben sieht es aber anders aus: Hier beschränkt sich Small Talk meist nur auf das Arbeitsumfeld. Beobachtet man die Menschen im Zug oder Bus und draußen, hat man den Eindruck, dass Plaudereien zwischen Fremden immer seltener stattfinden. Vor allem die heranwachsende Generation redet kaum noch. Sie textet lieber.

Es wird immer weniger telefoniert

Einer Studie des britischen Office of Communication zufolge greift die Smartphone-Generation selten und ungern zum Telefonhörer: Nur 3 Prozent der gesamten Kommunikation der heute 12- bis 15-Jährigen findet noch über Anrufe statt. Ein Small Talk aber ist wie ein Telefonat Kommunikation in Echtzeit. Wenn diese Generation die Möglichkeit, persönliche Konversation zu üben, nicht mehr hat, könnte das beim Einstieg ins Berufsleben problematisch werden – schließlich geht es dort nicht ohne das Miteinander. Was den Small Talk mitunter so unbeliebt macht, ist die Angst, das Falsche zu sagen oder den anderen ungewollt zu beleidigen. Die typische Situation ist fast jedem vertraut: Der Raum ist voller Menschen, alle unterhalten sich, doch die eigene Zunge ist schwer wie Blei. Nervös tippelt man auf der Stelle oder bewegt sich ziellos im Raum, am liebsten ohne Augenkontakt. Schweiß steigt hoch und die Finger krampfen sich ums Glas. Warum ist der Small Talk für den einen so unerträglich und für andere eine Leichtigkeit? Fest steht, dass extrovertierten Menschen das Zugehen auf andere leichter fällt. Aber die Kommunikationsprofis sind sich einig: Smalltalk ist für jeden erlernbar. Wie alles Soziale sei Small Talk Übungssache. „Und üben können wir überall dort, wo es sich lohnt, die Atmosphäre aufzulockern“, sagt Kommunikationsexperte Zittlau. Denn wer in unverfänglichen Situationen übt, – also beim Zahnarzt, im Taxi oder mit den Nachbarn – ist für den Ernstfall gewappnet. Der Ernstfall tritt dann oft in unbekannter gesellschaftlicher Runde ein. „Setzen Sie ein Lächeln auf und fragen Sie, woher Ihr Gegenüber den Gastgeber kennt. Oder ob er das erste Mal hier ist. Jetzt müssen Sie nur noch sagen, wie es bei Ihnen aussieht – also aus welchem Grund Sie da sind. Dann stellen Sie sich vor“, rät der Kommunikationspsychologe Frank Naumann in seinem Buch „Die Kunst des Small Talks“. Eine Schwierigkeit freilich gibt es: „Man muss beim Small Talk in kürzester Zeit die emotionale Befindlichkeit des Gegenübers erfassen“, meint Zittlau. Nicht ohne Grund zählt die Fähigkeit zum Small Talk zur sogenannten emotionalen Intelligenz.

Offene Fragen 

Wie es dem anderen geht, lässt sich nach Ansicht der Kommunikationsprofis durch aufmerksames Zuhören und Beobachten herausfinden. Auch sollten vor allem offene Fragen gestellt werden, auf die man nicht nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten kann. Und es ist gut, heikle Themen – zum Beispiel Politik, Religion oder Geld – erst einmal zu vermeiden. Vor allem falsch ist, dass nur derjenige am interessantesten ist, der die meiste Redezeit für sich beansprucht. Auch die Körpersprache spielt eine große Rolle und muss kontrolliert werden. Sie verrät oft mehr, als einem lieb ist: Stehe ich aufrecht da? Eine zusammengeknickte Haltung signalisiert keine Offenheit. Ist mein Händedruck kräftig und meine Stimme überzeugend? Schließlich soll auch beim Angesprochenen Interesse geweckt werden. Schaue ich meinem Gegenüber interessiert in die Augen? Denn es nützt nichts, dass ich eine Frage stelle und dann in eine andere Richtung blicke. Schlussendlich muss die kleine Konversation auch nicht oberflächlich oder langweilig sein. Bietet sie doch für beide Gesprächspartner immer die Gelegenheit, Neues zu lernen. „Sprich mit den Leuten über das, was sie verstehen: mit dem Jäger über die Jagd, mit dem Fischer über den Fischfang, mit dem Winzer über den Wein. Das gibt immer ein gutes Gespräch“, wusste schon der deutsche Lyriker Friedrich Georg Jünger.

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