Rheinpfalz Saach blooß: Die Erotik der Cremetorte

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In der Pfalz geht nicht nur Liebe durch den Magen.

Mit Klischees über Pfälzer Trinker und Fresser könnte man die halbe Weinstraße zupflastern, oder klischeefreier ausgedrückt: die komplette Industriestraße vor den Redaktionsräumen der RHEINPFALZ am SONNTAG in Landau. „Des bissel, was mer essen, kimmer ach trinke“, ist so eine Redensart. Wieviele Pfälzer, bitteschön, ernähren sich ausschließlich von Flüssigem? Eben. „G’schafft is glei, erscht mol gut gess’“, lautet ein weiterer Spruch (eingeschickt von Heinrich Rudolphi aus Ramstein-Miesenbach). Den teilen sich die Pfälzer mit den Saarländern. Hierbei ist der Witz: Beide Volksstämme halten sich selbstverständlich nicht für Faulenzer, sondern für echte Schaffer, wenigstens im Vergleich zum jeweils anderen Stamm. Dazu passt: „Liewer en Bauch vum Esse wie en Buckel vum Schaffe.“ Da kann er zu Fasching noch so inbrünstig „Mir sin die Trämps vun de Palz“ singen: Den Pfälzer möchten wir sehen, der im echten Leben als Nichtstuer hingestellt werden will!

Koketterie statt Wahrheit

Halten wir also fest: Bei vielen Pfälzer Weisheiten rund um Speis und Trank wird einfach nur kokettiert mit dem vorgeblichen Hang zu Faulheit oder zu Exzessen. Mit der Wahrheit hat das eher selten etwas zu tun. Anders ist das bei den Sprüchen, die wir uns für die heutige Folge vorgenommen haben: euphorische Ausrufe, die ein besonders lecker zubereitetes Gericht preisen – also das Gegenteil von: „Kocht die Alt’ Sauerkraut, isch die ganz Woch’ versaut“ (eingeschickt von Klaus Kronibus aus Enkenbach-Alsenborn). Der bekannteste lautet: „Do kennt ich mich (e)nin leje“ oder – südpfälzisch – „Do kinnt ich mich nei leche“. Hier geht’s um echtes Lob für etwas tatsächlich äußerst Schmackhaftes. Eigentlich ist der Spruch nur die pfälzische Version einer hochdeutschen Redensart. Wir werten ihn dennoch als Dialektspruch, weil er die ungemeine Sprachschöpfungskraft der Pfälzer offenbart, und das in vielen originellen Varianten. „Do kennt isch mei Bett noi mache“ zum Beispiel hebt das Sprachbild auf eine neue Ebene, wie das die Hochsprache nie könnte.

Essen als die Erotik des Alters

Reinhard Hartmann aus Kaiserslautern vermutet, die Redensart gehe auf die Essgewohnheiten der alten Römer zurück, die bei ihren „Gelagen“, wie der Name schon sagt, bei Tische lagen. Hermann Grundhöfer aus Harthausen spannt den Bogen weiter. Der Spruch bedeute, ein Gericht sei so gut, dass man sich mit ihm identifizieren oder gar eins werden möchte mit ihm – wie bei der Umarmung und der Vereinigung von Liebenden (uns kommt hier allerdings auch das Essen als die Erotik des Alters in den Sinn). Um wieder einen Gang zurückzuschalten: Man will es sich darin gemütlich machen, umgeben von all den köstlichen Speisen, die man liebt, quasi „wie ein Fisch im Wasser“, erklären „die Karin un die Elke vun de Haßlocher Sparkass“. Die beiden Mitmacherinnen der ersten Stunde haben drei Versionen des Spruchs geliefert: „Vun dem Stoff hätt ich gern en Aazuch“, „Do kinnt ich drin bade“ und „Do kinnt ich mich drin aale“. Uta Müller aus Neustadt legt nach: „Do laafen mer alle Brinnelcher (also der Speichel)“ und „Des schmeckt, wie wammer e Engelsche uff die Zung geprinselt hätt!“

„Wann norre de Buckel de Bauch wär!“

„Do kinnt ich mich neileche – un nimmi uffstehe“, lautet eine erweiterte Variante vun Peter Keller aus Landau. Er schreibt: „Genau des kummt mer in de Sinn, wonn isch an die Prinzregendetort’ denk, die wo moi Lieblingskuche isch – awwer mit acht Lage: für jeden Bezirk im Königreich Bayern eine. Sellemols.“ Hat man sich den Magen vollgeschlagen, helfen ein Schnaps – und ein pfälzischer Ausruf der leichten Verzweiflung, der in allen Teilen der Pfalz geläufig ist (eingesandt unter anderem von Klaus Ziegler aus Mehlingen und Günter Steck aus Speyer): „Wann norre de Buckel de Bauch wär!“ Dann wäre nämlich noch Platz, um einen Nachschlag unterzubringen. Und es muss gar nicht zwingend der Rücken sein. Johannes Schindler aus Ludwigshafen schreibt: „Mein Vater aus Einselthum sagte bei Hasenbraten und ,Hooriche’ mit einer guten Soße und Endiviensalat: Mer misst en gehäkelte Mache hawwe!“ Das wäre dann sozusagen ein dehnbarer Begriff. Mit einem solchen wollen wir uns auch in der nächsten Folge befassen, und zwar mit dem „Babbelwasser“ – auf Vorschlag von Susanne B. Weyrauch aus Spirkelbach. Wenn es heißt „Der/die hot Babbelwasser getrunke“ – welches Getränk ist dann gemeint? Oder anders gefragt: Wie ist der Spruch wohl entstanden und was genau bedeutet er? Schreiben Sie uns!

Mitmach-Info

Wir gehen seit dem Jahr 2002 originellen Sprüchen, Redensarten und Wörtern aus der Pfalz auf den Grund – und zwar mithilfe unserer Leser. Bitte schreiben Sie unter dem Kennwort „Saach blooß“ an: RHEINPFALZ am SONNTAG, Industriestraße 15, 76829 Landau, Fax: 06341/6495-30, E-Mail: saachblooss@rheinpfalz.de
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