Kolumnen Kolumne: Bimbo heißt jetzt Wapiti

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Die Kinder sollen ja viel lesen, und das ist ohne Zweifel eine gute Sache, die auch Erwachsenen nicht schadet. Damit sich die Kleinen nicht nur die Supermarkt-Kinderschundheftchen mit aufgepapptem Gimmick („Dein Wendy-Handy im coolen Horse-Style“) reinziehen, empfehlen die Schulen zuweilen angemessene Jugendschriften mit lehrreichem Inhalt. Und wenn dann das Kind mit dem Abobestellzettel im Ranzen heimkommt, möchte man ihm sein Verlangen nach dem regelmäßigen Bezug einer Kinderzeitschrift nicht abschlagen. Es soll ja lesen. Wenn die abonnierte Kinderzeitschrift dann „Bimbo“ heißt, kommt man allerdings ins Grübeln. Bimbo. Ich ging bislang davon aus, dass man das – zu Recht – nicht mal sagen darf. Dass sich eine Kinderzeitschrift über Tiere und Natur so nennt, darf ruhigen Gewissens als überraschend bezeichnet werden.

100 Prozent rassistisch und abwertend

Nun könnte man sagen, wieso denn, ist doch nur ein Wort, ein Name, ein Begriff, ein Titel und außerdem eine Stadt in der Zentralafrikanischen Republik! Was gibt’s denn daran nun schon wieder auszusetzen?! Nun, es gibt daran auszusetzen, dass Bimbo ja nicht nur ein Wort ist, sondern ein Schimpfwort. Ein 100 Prozent rassistischer und abwertender Begriff für Menschen mit dunkler Hautfarbe. Eine glasklare Beleidigung, im O-Ton zu hören beispielsweise in Fußballstadien, wenn der ansonsten gefeierte Kickerstar mit nigerianischen Wurzeln den Elfmeter versemmelt.

Flexibel einsetzbar

„Stop!“ ruft da der Anglophone und weist darauf hin, dass Bimbo nicht nur Dunkelhäutige herabwürdigt. Denn im englischen Sprachraum werden auch attraktive, aber im Auge des Betrachters dumme und lasterhafte Frauen Bimbo genannt. Dunkelhäutigkeit ist hier keine Voraussetzung, sie können auch weiß sein. Danke für den Hinweis. Das fügt dem Begriff Bimbo noch mal eine ganz andere Note hinzu. Er ist also nicht nur rassistisch, sondern auch noch sexistisch und somit recht flexibel einsetzbar.

Keine Kinderzeitschrift „Nigger“

Warum also heißt eine Kinderzeitschrift „Bimbo“? Es nennt ja auch keiner ein Kindermagazin „Nigger“ oder „Dumme Schlampe“. Da wäre was los. Dem Sailer-Verlag, der „Bimbo“ herausbringt“, ist das nun offenbar auch aufgefallen. Er hat das Heft umbenannt in „Wapiti“. „Bimbos Themenwelten gehören einfach zu Sailer. Nur der Name, der fühlte sich irgendwann nicht mehr richtig an. Mit unserem neuen Titel Wapiti fühlen wir uns rundum wohl. Und zeigen auf den ersten Blick, dass wir für den Schutz bedrohter Tierarten stehen. Aus Bimbo wird Wapiti“, informiert Sailer seine junge Leserschaft.

Der Wohlfühl-Faktor

Warum der Verlag sich mit dem Titel Bimbo nicht mehr so wohl gefühlt hat, wird nicht erklärt. Tut ja nichts zur Sache. Was jetzt aus dem titelgebenden blauen Elefanten Bimbo wird, offenbar schon. Bimbo ist laut Sailer zum Planet der blauen Elefanten gereist, wo er sich „in die entzückende Bimbolina“ verliebt hat, bei der er jetzt für immer bleiben möchte. Seinen Job übergibt Bimbo an Pit, der alles stehen und liegen lässt und mit dem Raumschiff zur Erde düst. Ja, gut, das klingt einleuchtend und lässt keine Fragen offen.

Das Geweih-Dilemma

Doch, eine vielleicht. Wieso ist Pit auch ein blauer Elefant und kein Wapiti? Ach, was soll’s, das sind Nebensächlichkeiten, hier geht’s um die Liebe zu Umwelt und Natur. Bimbo heißt jetzt Wapiti, basta, fragt nicht so viel, ihr Gören, und die Wapitis haben ihre eigenen Sorgen. Die männlichen vor allem. Denn die stehen vor einem Dilemma. Wenn sie ein großes Geweih haben wollen, um damit entzückenden Wapiti-Kühen zu imponieren, müssen sie das alte Geweih möglichst schnell abwerfen. Dann sind sie aber für eine Weile schutzlos, weil unbewaffnet, den Angriffen von Fressfeinden ausgeliefert. Paarung oder Überleben, das ist bei den Wapiti-Bullen also die Frage. Auch wenn sich die Geweih-Sache für sie irgendwie nicht mehr richtig anfühlt.


Die Autorin

Sigrid Sebald (50) ist seit 2000 RHEINPFALZ-Redakteurin in Zweibrücken, wo sie mit Mann und Tochter auch lebt. Über die Beiträge für die „Zweibrücker Rundschau“ hinaus schreibt sie regelmäßig in der RHEINPFALZ-Sommererzählreihe sowie Weihnachtsgeschichten. Die Kolumne Christine Kamm und Sigrid Sebald schreiben abwechselnd in der Online-Kolumne "Ich sehe das ganz anders" über die großen und kleinen Überraschungen sowie Absurditäten des Alltags.


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